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Amerikaner sondieren MarktLeihrad-Anbieter Lyft interessiert sich für Köln

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10 Jahre KVB-Leihräder.

Die Leihräder der Kölner Verkehrs-Betriebe könnten Konkurrenz bekommen. Der amerikanische Anbieter Lyft hat Interesse, mit seinem System in Köln Fuß zu fassen.

Die Multi-Mobility-App Lyft hat den Konkurrenten Freenow für 175 Millionen Euro übernommen und will in Köln auch ins Leihrad-Geschäft einsteigen.

Exakte Daten zur Nutzung von Leihrädern in Köln gibt es nicht, weil die wenigsten Anbieter ihre Marktdaten preisgeben. Genaue Angaben machen nur die Kölner Verkehrs-Betriebe. Demnach sind die rund 3000 Nextbike-Leihräder im vergangenen Jahr rund 4,2 Millionen Mal ausgeliehen worden. Das ist eine Steigerung von 16,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Call a Bike, Tochterunternehmen der Deutschen Bahn und der zweite große Anbieter, hat bundesweit 15.000 Räder im Einsatz, die neben Köln, dort sind es geschätzt 2000, nur noch in Berlin, München, Frankfurt/Main, Darmstadt und Offenbach ausgeliehen werden können. Deren Nachfrage dürfte ebenfalls deutlich gestiegen sein.

Der E-Scooter-Anbieter Lime hat nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) nur noch wenige E-Bikes im Angebot. „Das aber nicht in relevanter Größenordnung“, sagt der Kölner ADFC-Vorsitzende Christoph Schmidt. „Alle anderen haben meines Wissens aufgegeben.“ Nach Angaben der Stadt liegt die Gesamtzahl der Leihräder in Köln bei rund 5400.

Jetzt will ein dritter großer Player in den Markt einsteigen. Die amerikanische Multi-Mobility-App Lyft, in Deutschland bisher nahezu unbekannt, hat Ende Juli die Übernahme des Konkurrenten Freenow für 175 Millionen Dollar abgeschlossen und schickt sich damit an, der weltweit größte Anbieter von Mietwagen-Fahrten zu werden. Freenow, 2019 als Joint Venture von BMW und Mercedes-Benz gegründet, hat in mehr als 150 Städten Europas rund 150.000 Fahrer registriert.

Erste Gespräche mit der Stadt Köln geführt

Zum Einstieg in Europa gehört auch das Geschäft mit Leihrädern – und da kommt Köln ins Spiel. Am Montag haben Manager des amerikanischen Konzerns mit Vertretern der Stadt erste Gespräche über einen möglichen Einstieg in das Mietradgeschäft geführt. Weitere Stationen ihrer Werbetour durch Deutschland sind Karlsruhe und Hamburg.

„Wir sind auf einer Roadshow durch Europa unterwegs, um mit Vertretern von Großstädten über die Frage zu reden, wie sie sich das Bikesharing in Zukunft vorstellen“, sagt ein Lyft-Sprecher auf Anfrage. „Wir wollen von den Städten erfahren, welche Probleme es gibt und was die Wünsche sind.“

Das dürfte in Köln eindeutig sein. Die Stadt kämpft seit Jahren gegen den Wildwuchs bei Leihrädern und vor allem bei den E-Scootern, den sie durch die Freizügigkeit bei der Erteilung von Genehmigungen selbst angerichtet hat. Genau dem will Lyft mit seinen Angeboten, die auf festen Stationen basieren und auch E-Bikes einschließen, entgegenwirken. Und noch etwas erscheint lukrativ: Der Vertrag der KVB mit Nextbike läuft noch bis Ende August 2027. Für die Zeit danach muss europaweit neu ausgeschrieben werden.

An E-Scootern hat Lyft kein Interesse

„Wir legen einen sehr starken Fokus auf stationsbasierte Systeme. Das können feste Plätze sein, an denen Fahrräder und E-Bikes abgeschlossen werden, aber auch virtuelle Plätze, die nur markiert sind. Das sorgt für Ordnung im Stadtbild und erleichtert uns den Betrieb, weil wir die Räder nicht überall im Stadtgebiet einsammeln müssen“, so der Sprecher.

Voraussetzung für eine Kooperation sei, dass eine Stadt bereits über eine gute Radinfrastruktur verfüge und sie weiter ausbauen wolle. Wenn das auf eine breite Akzeptanz stoße, „entsteht bei den Menschen automatisch das Verlangen, sich anders zu bewegen. Sie müssen einfach selbst erfahren, dass sie schneller von A nach B kommen, das Ganze auch noch Spaß macht und sich der Umstieg vom Auto lohnt.“

Aus Sicht eines Mobilitätsanbieters wolle man den Kunden jederzeit das optimale Verkehrsmittel anbieten. Auch Freenow-Kunden „wollen vielleicht nicht immer mit dem Taxi fahren, sondern auch mal ein Fahrrad nutzen.“

Den Markt für E-Scooter hält man bei Lyft in Deutschland für ausgereizt und problematisch. „Das ist ein sehr schwieriges Thema. Die Ausfallquote und der Vandalismus sind groß, der Ärger mit den Kommunen ebenfalls“, so der Sprecher. „Außerdem sind wir in erster Linie eine Bikesharing-Firma.“

Bikesharing in Großstädten verspricht hohe Wachstumsraten

Nach der neuen Branchenstudie vom Oktober, die der Interessenverband „Zukunft Fahrrad“ bei der„ T3 Transportation Think Tank“ in Auftrag gegeben hat, sind in Deutschland 115.000 Bikesharing-Räder im Einsatz, darunter mehr als 57.000 E-Bikes und rund 1900 Lastenräder. Hinzu kommen rund 100.000 Räder, die mit privaten Abos genutzt werden. Gewerbliche Fahrrad-Abos etwa von Lieferdiensten, Radvermietungen zu touristischen Zwecken und das Leasing von Diensträdern sind in diesen Zahlen nicht erfasst. Laut Studie wurden 2024 rund 750.000 Dienstrad-Leasingverträge in Deutschland abgeschlossen. Damit erhöht sich die Zahl der laufenden Verträge auf 2,1 Millionen.

Das Bild zeigt Leihräder des Anbieters Lyft. Foto: Lyft

Mit diesen E-Bikes will der Leihrad-Anbieter Lyft in Köln Fuß fassen. Ausleihstationen mit Ladesäulen gehören mit zum System. Foto: Lyft

Bei der letzten europäischen Marktstudie vom September 2024 zu den erfolgreichsten Bikesharing-Systemen in Europa landete Köln unter 148 Städten auf Platz 24 als drittbeste deutschen Stadt hinter Dresden (14) und Karlsruhe (17). Alle gut platzierten Städte haben eines gemeinsam: Die Systeme sind in den öffentlichen Nahverkehr integriert oder daran angeschlossen.

„Die Ergebnisse zeigen: Bikesharing muss Teil des öffentlichen Nahverkehrs werden, damit es sich voll entfaltet. Die Verfügbarkeit von Leih-Fahrrädern vergrößert das Einzugsgebiet von Haltestellen massiv. Es liegt nahe, solche Angebote als Teil der öffentlichen Daseinsfürsorge zu behandeln“, sagt Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von „Zukunft Fahrrad“. Der Interessenverband wurde 2012 von Unternehmen der Fahrradwirtschaft und der Fahrradlobby gegründet.

Das sieht Christoph Schmidt, Vorsitzender des ADFC Köln, ähnlich. „Dass KVB-Abokunden das KVB-Rad und Bahn-Statuskunden das Call-a-Bike-Angebot kostenfrei nutzen können, ist die ideale Kombination.“

Noch besser wäre es, KVB-Räder die erste halbe Stunde für alle KVB-Kunden kostenfrei zur Verfügung zu stellen. „Damit würde man die Bahnen entlasten. Ich bin sicher, dass sich das rechnet, weil Bikesharing für den Betreiber die mit Abstand kostengünstigste Form des ÖPNV ist.“ Außerdem müssten auch die Nextbike-Stationen außerhalb des KVB-Gebiets einbezogen werden.