Blick auf ein dunkles Kapitel: Völkerschauen gab es in Köln von 1878 bis 1931. Besuchern wurden Menschen aus fernen Ländern präsentiert.
Koloniale VergangenheitVölkerschauen als „menschenverachtendes Geschäft“ im Kölner Zoo

Als Publikumsrenner erwies sich unter anderem „Gustav Hagenbeck's größte indische Völkerschau der Welt“, die 1906 im Kölner Zoo Station machte.
Copyright: Sammlung Brokmeier, Kölnisches Stadtmuseum
Heute wären sie undenkbar, ab dem 19. Jahrhundert gehörten Völkerschauen auch in Köln zu den üblichen Unterhaltungsangeboten. Der Zoo begann 1878 damit, Menschen aus fernen Ländern und ihre vermeintlich typischen Lebensweisen dem zahlenden Publikum zu präsentieren. Die „Eskimo-Ausstellung“, wie sie in den Zeitungen beworben wurde, lockte tausende Besucher in den Kölner Zoo. Sieben weitere dieser fragwürdigen Programmpunkte sollten folgen, bis 1931 die letzte Völkerschau zu sehen war.
Menschenverachtendes Geschäft, um Voyeurismus zu befriedigen
Die „Kölnische Zeitung“ beschrieb damals ausführlich den Besuch der „Sara-Kaba“, einem Stamm aus Zentralafrika, der „noch auf sehr niedriger Kulturstufe“ stehe. Eine besondere „Eigentümlichkeit“ und „Modelaunen“ sei die Sitte der Frauen, in der Ober- und Unterlippe große tellerartige Holzscheiben anzubringen. Die Zooleitung habe für die neue Völkerschau den Platz neben dem Affenhaus mit der Felspartie als „wirkungsvollen Hintergrund“ hergerichtet, so die Zeitung.

Diese Postkarte zeigt einen Ausschnitt aus der Völkerschau in „Carl Hagenbecks Tierpark“ um 1935.
Copyright: imago/Arkivi
Völkerschauen sollten das Bedürfnis der Menschen nach dem Exotischen und Fremden befriedigen, schreibt Marianne Bechhaus-Gerst in ihrem Buch „Köln und der deutsche Kolonialismus“. Sie seien ein „menschenverachtendes Geschäft“ gewesen, „indem Frauen und Kinder aus fernen Ländern ungeschützt dem voyeuristischen Blick der Besucher ausgesetzt wurden“. Zwar seien die Darstellerinnen und Darsteller durchaus selbstbewusste Akteure gewesen. Die Fremdzuschreibung habe aber anders ausgesehen: „In den Augen der BesucherInnen, der Organisatoren und Wissenschaftler waren sie die ‚Wilden‘ und die ‚Freaks‘, die häufig mit Tiermetaphern beschrieben wurden.“
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Weniger Völkerschauen in Köln als in Hamburg
Anders als im Hamburger Tierpark Hagenbeck gab es im Kölner Zoo nur relativ wenige Völkerschauen. Die Konkurrenz im direkten Umfeld des Zoos sei groß gewesen, so Bechhaus-Gerst. Dörfer mit Chinesen, Afrikanern oder Arabern wurden auch im angrenzenden Lunapark in Szene gesetzt. Aber auch das Kino zog immer mehr Menschen in seinen Bann.
Auch insgesamt läuft es für den Zoo Anfang der 1930er Jahre nicht gut, es geht sogar um seine Existenz. Die Weltwirtschaftskrise hat Spuren hinterlassen. 1932 kauften sich nur noch 313.000 Menschen eine Eintrittskarte, im Vorjahr waren es noch 398.000. Zoo-Direktor Friedrich Hauchecorne muss Mitarbeiter entlassen und fragt sogar bei seinem Vorgänger an, ob er auf einen Teil seiner Pensionszahlungen verzichten könne. Der sagt zu.
Die Stadt hingegen lehnt es Mitte der 1930-er Jahre ab, einen Barzuschuss zu leisten, habe sie doch zwischen 1930 und 1936 jährliche Unterstützungen im Wert von 30.000 bis 84.000 Reichsmark geleistet. Stattdessen wird die Stadt Mehrheitsaktionärin der Zoo AG, bekommt im Gegenzug Einfluss auf die Verwaltung und gleicht die Defizite des Zoos aus. Heute zahlt sie einen jährlichen Festzuschuss an den Tierpark. 1938 stirbt Hauchecorne bei einem Jagdunfall. Er wird nur 43 Jahre alt.