Das Verwaltungsgericht Köln lässt Klagen gegen das Verweilverbot der Stadt am Brüsseler Platz zu – die Stadt reagiert und setzt den Vollzug ihres Verbots aus.
Nach GerichtsentscheidungAbends auf dem Brüsseler Platz sitzen, ist ab sofort wieder möglich

Das Ordnungsamt patrouilliert abends am Brüsseler Platz.
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Am Wochenende auch noch abends auf dem Brüsseler Platz sitzen ist ab sofort wieder möglich. Die Stadtverwaltung teilte mit, den Vollzug des umstrittenen nächtlichen Verweilverbots auszusetzen. Das Ordnungsamt sorge aber weiter für die Einhaltung von Lärmgrenzen.
Grund dafür ist, dass das Verweilverbot voraussichtlich rechtswidrig ist, wie das Verwaltungsgericht Köln am Donnerstag mitteilte. Die Richter gaben Eilanträgen von zehn Anwohnern und einem Gastronomiebetrieb statt. Die Begründung des Gerichts zur Zulassung der Klagen lautet: „Die Stadt hat das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt.“
Neun der klagenden Anwohner haben sich zu einer Streitgenossenschaft zusammengetan, darunter Markus Schulte. „Stellen Sie sich mal vor, Sie könnten Abends nicht mehr ungezwungen vor die Tür gehen, um mit einem Nachbarn zu klönen. Ich hätte mir nicht träumen lassen, mich einmal in einer solchen Situation engagieren zu müssen“, sagte Schulte dieser Zeitung. „Es ist unerträglich, dass eine Verwaltung die Bürger so einschränkt.“ Schulte mahnte angesichts des faktisch ausgesetzten Verweilverbots aber: „Wir sind jetzt darauf angewiesen, dass sich die Leute trotzdem benehmen und uns Anwohner schlafen lassen.“ Die Anwälte des zehnten Anwohners und der Gastronomie wollten sich öffentlich nicht äußern.
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Markus Schulte ist Anwohner des Brüsseler Platzes.
Copyright: Schulte
Am Brüsseler Platz gilt seit Februar das Verweilverbot auf Grundlage einer Allgemeinverfügung der Stadtverwaltung, also seit 77 Tagen. Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr darf sich freitags, samstags und vor Feiertagen niemand mehr auf dem Brüsseler Platz aufhalten. Auch Gastronomien müssen ihre Außenbereiche um 22 Uhr statt um 23.30 Uhr schließen. Das Verbot ist eine Reaktion auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW (OVG) mit Sitz in Münster von 2023, das auf Lärmmessungen aus dem Juli 2022 basiert. Anwohner hatten erfolgreich für Nachtruhe geklagt.
Anfang März hatte die Stadtverwaltung dann angekündigt, das am Wochenende bestehende Verweilverbot massiv ausweiten zu wollen. Die Begründung: „Das Verweilverbot ist insbesondere erforderlich, da ein milderes, aber gleich effektives Mittel [...] nicht ersichtlich ist.“
Gericht nennt Verweilverbot der Stadt Köln „unverhältnismäßig“
Dem widersprach das Verwaltungsgericht jetzt. Nach seiner Auffassung ist das Verweilverbot „unverhältnismäßig“, weil die Stadt mildere Mittel zur Durchsetzung der Nachtruhe, insbesondere ein Alkoholverbot, ohne hinreichende Prognose verworfen habe. „Nach Auffassung der Kammer kann bereits durch ein solches Verbot, wenn es streng überwacht wird, die Attraktivität des Brüsseler Platzes für die „Partyszene“ derart abnehmen, dass relevante Ruhestörungen nicht mehr zu befürchten sind.“ Weiter heißt es in der Mitteilung: „Erst wenn sich herausstellt, dass ein Alkoholverbot und flankierende Maßnahmen nicht ausreichend sind, wird ein Verweilverbot zu erwägen sein.“
Ähnlich hatte sich eine Mehrheit der Fraktionen im Stadtrat positioniert. In der vorigen Ratssitzung hatte sie die Ausweitung des Verweilverbots ablehnen und stattdessen ein vorübergehendes Alkoholkonsumverbot fordern wollen. Doch zu der Entscheidung kam es nicht, weil Stadtdirektorin Andrea Blome rechtliche Bedenken zu diesem Vorschlag geäußert hatte. Der Beschluss wurde vertagt.
Gericht kritisiert erneute Lärmmessung der Stadt Köln aus dem Dezember 2024
Das Verwaltungsgericht nannte einen weiteren Grund für die Zulassung der Eilanträge: Die aus Lärmmessungen gezogenen Schlüsse, mit der die Stadt das Verweilverbot begründet hatte, seien nicht nachvollziehbar. „Schon kleinere Menschenmengen von 20 bis 50 Personen ohne lautes Grölen und Johlen reichen aus, um die gesetzlichen Werte zu überschreiten“, hatte die Stadtverwaltung als Begründung für die Ausweitung des Verweilverbots geschrieben und sich damit auf Messungen aus dem Dezember 2024 bezogen.
Das Verwaltungsgericht nannte diese Messungen nun „nicht geeignet, um die von der Stadt behauptete Gesundheitsgefahr schon bei einfachen Unterhaltungen zu plausibilisieren.“ Sie deuteten vielmehr auf eine besondere Lautstärke etwa durch Grölen hin, also Pegelausschläge, wie auch die Messungen aus dem Juli 2022 gezeigt hätten. Das Gericht kritisierte auch, dass die jüngsten Messungen keine Angaben zur Ursache des Lärms enthalten.
Kläger sind ab jetzt vom Verweilverbot ausgenommen
Mit Stattgabe der Eilanträge drohte sich eine kuriose Ausnahme des Verweilverbots zu ergeben: Die Kläger hätten sich als einzige nicht mehr an das Verbot halten müssen. Die Gastronomie darf aber trotzdem nicht direkt länger öffnen. Denn um Tische auf den Bürgersteig zu stellen, braucht es eine zusätzliche Genehmigung der Stadt Köln. Die wurden wegen des Verweilverbots nur noch bis 22 Uhr ausgestellt, hängen aber nicht direkt an dem Verbot selbst. Laut Verwaltungsgericht hat die erwähnte Gastronomie auch in dieser Sache bereits Klage eingereicht.
Das Hauptgerichtsverfahren um das Verweilverbot müsste nach Zulassung der Anträge jetzt starten. Ob es so weit kommt, ist fraglich. Die Stadt Köln kann nun gegen die Zulassung des Verfahrens vor der nächsthöheren Instanz, dem Oberverwaltungsgericht, Beschwerde einlegen. Eine Sprecherin teilte mit: „Die Stadtverwaltung wird die heute eingegangene schriftliche Begründung des Urteils auswerten und prüfen.“ Und solange dürfen sich Kölnerinnen und Kölner auch am Wochenende erst einmal wieder auf dem Brüsseler Platz treffen, obwohl das Verweilverbot zwar noch existiert, die Stadt es aber nicht mehr durchsetzt.