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58. Art CologneEine Messe für die armen Reichen

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Besucher schauen sich ein Kunstwerk des Künstlerduos Daniel Dewar and Grégory Gicquel auf Kunstmesse Art Cologne an, die vom 06. bis 09.11.2025 in Köln stattfindet.

Besucher betrachten ein Kunstwerk des Künstlerduos Daniel Dewar and Grégory Gicquel auf Kunstmesse Art Cologne an.

Die Kölner Kunstmesse startet schwungvoll und scheint dem zuletzt düsteren Trend am internationalen Kunstmarkt trotzen zu können.  

„Na, schon was gekauft?“ „Wovon denn?“ „Aber Du bist doch reich“ – mit der Betonung auf dem „Du“. Die beiden Herren, die einander derart begrüßten, machten nicht den Eindruck, als würden sie ihr Leben zwischen kahlen Wänden verbringen oder wären sie auf der Art Cologne am falschen Ort. Aber so ist der legendäre rheinische Sammler eben: Er geht nicht gern mit seinen Schätzen hausieren, und gönnen kann er ohnehin. Soll wenigstens der andere so reich sein, dass er sich das hübsche Chagall-Blatt oder die zierliche Degas-Bronze nicht vom Munde absparen muss.

Sollten sich die im Vorbeigehen belauschten Herren noch in Kauflaune geredet haben, dürfte das auch Art-Cologne-Direktor Daniel Hug freuen. Der hatte im vergangenen Jahr eine Messe beaufsichtigt, bei der die Stimmung nicht gerade übersprudelte, und die Fachwelt zudem vor einigen Wochen mit der Ankündigung erschreckt, die Art Cologne wolle zum zweiten Mal einen Ableger auf Mallorca veranstalten – der erste Versuch galt als Verzweiflungstat seines Vorgängers und endete mit dessen Entlassung. So weit ist es mit der von Hug wiederbelebten Art Cologne aber offenbar noch lange nicht. Jedenfalls konnte der Messechef vor der Eröffnung im „Handelsblatt“ berichten, die Anmeldungen von VIPs und Kuratoren hätte sich im Vergleich zum Vorjahr beinahe verdreifacht. Woher dieser Aufschwung kommt, kann sich Hug zwar selbst nicht erklären. Doch warum lange nachgrübeln, wenn Köln plötzlich wieder eine Reise wert erscheint?

Vielleicht belebt die Art Basel Paris das Geschäft der Kölner Konkurrenz

In den ersten Stunden der 58. Ausgabe der Art Cologne schien sich der von Hug annoncierte Aufschwung auf dem Messeteppich tatsächlich abzuzeichnen. Auch wenn sich die Besucherzahl eher nicht verdreifacht hatte, waren die Gänge auf beiden Etagen sehr gut gefüllt – im vergangenen Jahr hatte sich das Geschäft in der Halle 11.1 mit der gediegeneren Ware etwas schleppend angelassen. Am Angebot kann es nicht liegen, denn dessen Qualität war auch schon die letzten Jahre hoch und ist in dieser Hinsicht weitgehend unverändert geblieben. Vielleicht belebt die vor zwei Wochen beendete Art Basel Paris das Geschäft der Kölner Konkurrenz, wie einige Beobachter spekulieren. Vielleicht sind die Sammler die zuletzt in Endlosschleife gesendeten schlechten Nachrichten vom internationalen Kunstmarkt auch einfach leid.

Anders als die diversen Art Basels ist die Art Cologne eine Kunstmesse für den armen Reichen – für den zähen Mittelstand unter den Sammlern. Trotzdem ist es für den einstigen Marktführer psychologisch wichtig, dass die Händler auch Millionenwerte nach Köln bringen. Auf Thaddaeus Ropac ist in dieser Hinsicht stets Verlass. Am Stand der letzten in Köln vertretenen Megagalerie wetteifern eine monumentale Baselitz-Leinwand (ein atelierfrisches „Traumland Sex“) mit einer Rauschenberg-Collage um den Spitzenpreis (ausgeschrieben sind beide Werke mit 2,5 Millionen Euro), während Sprüth Magers das Publikum mit einem neuen Gursky-Großformat begrüßt. Die Fotografie eines golden glühenden Stahlträgers, der bei Thyssen-Krupp aus dem Werk läuft, ist nicht zuletzt eine Allegorie auf die Alchemie des Kunstmarkts: Aus einer papiernen Fotografie wird durch Zugabe des Namens Andreas Gursky ein Millionenpreis erzeugt.

Daniel Hug, Direktor der Art Cologne, spricht zur Eröffnung der diesjährigen Kunstmesse Art Cologne, die vom 06. bis 09.11.2025 in Köln stattfindet.

Daniel Hug, Direktor der Art Cologne, spricht zur Eröffnung der 58. Art Cologne

Bei Sprüth Magers findet sich jener Bauchladen der Superstars, der die großen Messen prägt und den in Köln auch Ropac, Daniel Buchholz, Eigen + Art und Karsten Greve präsentieren. Daneben nimmt sich der Stand von Gisela Capitain wie ein „Concept Store“ aus, mit seinen rosa bemalten Einbaumöbeln von Stephen Prina und den dazu „passenden“ Studiofotografien von Christopher Williams. Das größte Wagnis auf dem umkämpften Parkett der Nachkriegs- und Gegenwartskunst gehen aber Michael Werner und Sprüth Magers mit einer gemeinsamen Ausstellung ein. Sie vereint eine 190-teilige Installation von Hanne Darboven mit ausgesuchten Werken von A.R. Penck, wobei Pencks wilde „Höhlenmalereien“ und Darbovens buchhalterische Notizen auf den ersten Blick wenig verbindet. Auf den zweiten Blick erkennt man in beiden jedoch jeweils magische Beschwörungsformeln gegen das Vergehen der Zeit.

Gewohnt politisch geht es bei Nagel Draxler zu. Nadya Tolokonnikova zeigt dort russische Polizeischilde und die Überbleibsel einer Putin-Verbrennung, bei der ein Bildnis des Diktators feierlich eingeäschert wurde; von Andrea Pichl sind Buntstiftbilder der Stasi-Zentrale zu sehen, die mit der typischen DDR-Innenarchitektur auch die Erinnerung an den sanften Terror der Nischengesellschaft bewahren. Sowohl Pichl und Tolokonnikova wurden oder werden in ihrer sozialistischen Heimat zensiert, ein Schicksal, das allerdings auch der westdeutschen Künstlerin Annegret Soltau nicht erspart blieb. Ihre fotografischen Verfremdungen nackter Frauenkörper wurden zuletzt 2011 in einer Ausstellung des Hessisches Rundfunks verhängt, weil sie angeblich das gesunde Schönheitsempfinden verletzten. In Köln hängen ihre „Negativ-Verkratzungen“, auf denen sich Soltau auf einer Fotoserie allmählich selbst auslöscht, am Stand von Anita Beckers neben der Körperkunst des Kölner Stadtheiligen Jürgen Klauke. Gemeinsam erzählen sie von der Unerschrockenheit der 70er Jahre.

Am Neumarkt der Art Cologne werden die Hoffnungen der Zukunft gehandelt

Am Neumarkt mit den jungen Galerien werden naturgemäß die Hoffnungen der Zukunft gehandelt. Bei Nouveaux deuxdeux zielt Mona Schulzek mit umgebauten Flugzeugteilen und Gesteinsbrocken aus dem Weltall etwas vage in andere Dimensionen, Ludwig Stalla arbeitet dagegen sehr erdverbunden mit Materialien wie Kupferstaub, um damit Wolkenbilder zu „malen“; sehr schön sind auch seine antiken Metallplatinen, auf denen er mithilfe von Elektrolyse korallenartige Gebilde wachsen lässt. Gerade erst gegründet hat Clementin Seedorf seine Galerie am Kölner Chlodwigplatz; bei ihm gefallen vor allem die behutsam bearbeiteten Kinderbilder von Lukas Goersmeyer.

Auch im Feld der Klassischen Moderne lassen sich in Köln Entdeckungen machen, sei es bei Utermann mit einem Schwerpunkt auf Marc Chagall oder bei Valentien mit seiner Auswahl an Werken von Otto Dix und den Neusachlichen. Traditionell stark ist das Angebot an Nachkriegskunst, etwa mit einer abstrakten Komposition von Emil Schumacher in brillantem Kotz-Grüngelb (ebenfalls bei Utermann). Gutes und Teures findet sich auch bei von Vertes (ein abstrakter Richter für 3,2 Millionen Euro) und bei Samuelis Baumgarte, die anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Galerie neben einer schönen Auswahl an Weimarer Kunst mehrere sündhaft teure Boteros und Anselm Kiefers monumentales, aber eher mittelprächtiges Herbstbild aus der Rilke-Serie zeigen.

„Die Art Cologne ist ein Ort der Beständigkeit“, sagte Daniel Hug zur Eröffnung der Messe, die mit Neu-Cöln sogar wieder eine Satellitenmesse vorzeigen kann. Im ehemaligen Stoff-Pavillon neben dem Kunstverein zeigen Kölner Galerien eine Gruppenschau, die allerdings keine Gegenveranstaltung, sondern eher eine feuchtfröhliche Fortsetzung der Art Cologne nach Ladenschluss sein soll. Die Party-Location ist also da. Jetzt muss nur noch die Stimmung überschwappen.


Art Cologne, 58. Internationaler Kunstmarkt, Koelnmesse, 6.-9. November 2025, Fr., Sa. 11-19 Uhr, So. 11-18 Uhr.