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„Die Räuber“ in KölnMoral als Bremsklotz auf dem Weg an die Fleischtöpfe

Lesezeit 2 Minuten
Eine junge Schauspielerin in Nahaufnahme. Ihr Gesicht ist mit Kunstblut verschmiert.

Räuber im Studio trafique

Im Studio trafique überschreibt Björn Gabriel mit den Studierenden der Schauspielschule der Keller Schillers „Die Räuber“.

Es herrscht ein rauer Umgangston bei der Bande des Karl Mohr, wobei sich auf der Bühne im Studio Trafique das wilde Treiben in Form einer orgiastischen Kakophonie erstmal fürs Publikum allein hörbar nur hinter einem Vorhang als Kopf-Kino abspielt. „Ein zeitgenössisches Fragment“ nennt Regisseur Björn Gabriel seine Überschreibung von Schillers Klassiker „Die Räuber“ und tatsächlich wähnt man sich hier eher im Doge-Headquarter von Elon Musk, denn im deutschen Wald des 18. Jahrhunderts.

Dabei steht die Gangsterbande für eine desorientierte Gesellschaft in der Übergangsphase. Zwischen triebhafter Dekadenz und chaotischer Dysfunktionalität wird im „Recht-des-Stärkeren“-Modus nach einer neuen Rangordnung gesucht.

Freiheit heißt hier nur rücksichtsloses Durchsetzungsvermögen

Neunköpfig ist das Ensemble bestehend aus Schauspielstudierenden der Schauspielschule der Keller, die nun vor dem Vorhang die Gruppendynamik mit hoher Intensität und beachtlichem Einzelkönnen ausleben. Egoismus ist angesagt und Empathie verpönt. Und wenn einer der Räuber das hehre Wort Freiheit in den Mund nimmt, dann nicht im Sinne der Aufklärung, sondern als Euphemismus für ein rücksichtsloses Durchsetzungsvermögen.  

Neben dem Hauen und Stechen im Räuberhaufen spiegelt sich die Dynamik über Neid und Missgunst auch im Konflikt der beiden Brüder Franz und Karl Mohr wider. Wobei im Ensemble die Rollen der beiden Kontrahenten des Öfteren getauscht werden. Es sind denn auch mehr Gedankenspiele und Theoreme denn Charaktere, die hier zur Geltung kommen.

Es braucht schon eine gewisse Grundkenntnis der Handlung, um bei diesem einstündigen Bühnenfragment den Schiller wiederzufinden. Wobei schon der ein oder andere sprachgewaltige Monolog oder Disput aus dem Originaltext herauszuhören ist. Die Regie findet eine feine Balance zwischen einer stimmig choreografierten Gruppendynamik und den perfekt ausgeloteten Einzelauftritten der Ensemblemitglieder.

Dabei beweisen die Studierenden sowohl was das Spiel im Ensemble als auch den Auftritt als Einzelperson betrifft, eine erstaunliche Reife und Könnerschaft. Nach und nach radikalisiert sich die Räuberschar, sinnfällig sichtbar gemacht mit einem blutroten Strich, der im Laufe des Stückes allen Räubern als Initiationsritual aufgemalt wird. Eine (Bluts)Bande nimmt hier Gestalt an, für die Gewissenskonflikte ein Zeichen von Schwäche sind und Moral zum Bremsklotz auf dem Weg an die Fleischtöpfe wird.  

Ein Drama als dystopischer Ausblick auf eine Gesellschaft im Ausnahmezustand inszeniert als mahnender Weckruf vor dem bösen Erwachen.

Nächste Termine: Studio Trafique, 28.06., 20 Uhr, 29.06. 18 Uhr