Zwischen Sci-Fi-inspirierten Kostümen, bunt-stroboskopischer Lichtshow und unverkennbarer Musik nimmt das Elektropop-Duo das Publikum mit auf eine kosmische Reise. Unsere Kritik.
Empire of the Sun im Kölner PalladiumDiese Band kann alles spielen

Videohintergrund, Nebelmaschinen im Vordergrund, Tänzer an der Seite: Das musikalische Programm wird durch eine multidimensionale Show komplementiert.
Copyright: Tim Drinhaus
Erst sind laute Donnergeräusche zu hören, dann erscheinen grelle Blitze zackig, beinahe überdreht auf dem Bildschirmhintergrund der Bühne. Kurz wird es im Palladium taghell, dann herrscht wieder Finsternis mit Donnergeräuschen. Plötzlich ändern die Blitze ihre Farbe, werden lila, schließlich rot und gehen in Flammen auf. Die kurz zuvor eingesetzte Musik – eigentlich sind es eher bedrohliche Einzelklänge – wird immer lauter, bevor sie ihren schrillen Höhepunkt erreicht.
Dann wird es noch einmal kurz vollkommen dunkel und still, bevor die ersten Töne von „Changes“, dem Opener des Konzertes am Montagabend, ertönen. Gleich zu Beginn des Konzerts des australischen Elektropop-Duos Empire of the Sun in Köln wird klar: Irdische Elemente und Phänomene werden heute aus ihrem gewöhnlichen Rahmen genommen und neu zusammengesetzt. Das gilt für die Lichtshow ebenso wie für die Musik.
Musik als verbindendes Element
Bevor die beiden Multiinstrumentalisten und Sänger Luke Steele und Nick Littlemore in ihren extravaganten, von Science-Fiction inspirierten Kostümen die Bühne erstürmen, stimmt die Vorband Roi Turbo das Kölner Publikum erstmal in die passende Atmosphäre des Abends ein. Ihr Programm besteht aus einem gut 45-minütigen DJ-Set mit einerseits harten Bässen und einer hohen BPM-Frequenz, andererseits sehr eingängigen Melodien ohne Gesang und mit beinahe entspannend lockerem Sound. Die energetischen Klänge zu Anfang durchströmen die Zuhörer nicht nur – sie ziehen sie auch wieder in einen gemeinsamen Strom. Die Musik wirkt als verbindendes Element, wie die Sonne das verbindende Element im Universum ist.

Vor allem die grellen, beinahe überdrehten Lichteffekte verstärken die Wirkung der Musik.
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Mit eben dieser Metapher hat Empire of the Sun während eines TV-Interviews für den Sender „Arte“ einst die eigene Namensgebung erklärt. Viele Jahre später steht das 2007 gegründete Duo also nicht nur noch immer auf der Bühne, sondern bleibt diesem zum Bandnamen passenden Musikverständnis treu. Während bei „Changes“ noch eine besonders weiche Melodie das Palladium in eine sanfte, nachdenklich-tiefe Atmosphäre hüllt, ohne aber Melancholie zu erzeugen, wird es danach schnell rockiger.
Neuinterpretation ohne MacMiller
Bei einer Neuinterpretation von „The Spins“ stehen so vor allem eine E-Gitarre und harte Bässe im Vordergrund. MacMiller, der ursprünglich den Gesangspart in dem Song übernahm, starb 2018 aber im Alter von nur 26 Jahren. Seine markante Stimme kann Empire of the Sun freilich nicht ersetzen. Gerade deswegen scheint die Neuinterpretation der richtige Weg zu sein: Das Original wird niemals mehr in seiner ursprünglichen Genialität erklingen können. Dafür bringt das Elektropop-Duo mit der neuen Version auch neuen Schwung in den alten Song.

Zwei riesige Köpfe sind Kernteile des Bühnenbildes: Auf der rechten Seite ein horizontal liegender, auf der linken ein vertikal stehender (hier nicht im Bild).
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Eine weitere Wendung gibt es beim Höhepunkt des Abends. Wer jemals im Auto das Radio eingeschaltet, die pulsierenden, leicht schwermütigen Anfangstöne von „We are the People“ gehört und sich unwillkürlich gedrängt fühlte, die Lautstärke bis über den Anschlag des Reglers hinaus aufzudrehen, muss diesen Song live erleben. Das laute Schlagzeug, der ätherische Gesang und die anschwellende Melodie gehen unter die Haut. In der Darbietung des Songs vereint die Band das Beste aus Rock, Pop und Ballade. Um bestehende musikalische Konventionen kümmert sich das Duo nicht. Wieso auch, wenn es etwas so Eingehendes und Schönes dabei konstruiert?
Lichtshow par excellence – auch lobenswerte Tänzer
Bei all diesen noch so verschiedenen Songs übernimmt die Licht- und Videoshow einen zentralen Teil der Darbietung. Für Epileptiker ist das allerdings nichts! Für jede und jeden anderen hingegen ein Muss. Stroboskopisch, grell, bunt – die Lichter zucken mal blitzartig durch das gesamte Palladium, mal untermalen sie dezent und beständig eingesetzt die eher ruhigeren Lieder. Die Videos auf der riesigen Leinwand hinter der Band sind stets d'accord, und auch die Bühnentänzer haben durch ihren roboterähnlichen Auftritt einen Anteil daran, dass die Show die Kölner Zuhörer mitreißt.
Die vielleicht höchste Kunst des Abends sind die Übergänge zwischen den Songs. Von entspanntem Elektropop, der ob seiner ruhigen Klänge wie Balsam für die Seele wirkt, geht es manchmal innerhalb weniger Sekunden zu hartem Rock. Die grundsätzliche Stimmung bricht dabei aber nicht, weil die Band es schafft, ihren Songs ein übergeordnetes und universelles Thema einzuhauchen. Die so verschiedenen Stile wirken eher wie verschiedene Abzweigungen auf demselben Pfad, der nur ein Ziel kennt.

Zum Singen, Tanzen und Klatschen muss die Band das Kölner Publikum eigentlich gar nicht explizit animieren – die künstlerische Darbietung ist dafür an sich mitreißend genug.
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Dieses übergeordnete Thema ist die musikalische Stärke von Empire of the Sun. Egal ob Rock, Pop, Hiphop, Elektro oder Ballade - diese Band kann alles spielen. Allerdings nur mit dem ihr stets inhärenten, ganz eigenen Sound. Der lässt sich am ehesten als Mischung aus psychedelischer Hymne und Synthesizer-getränktem Traum-Pop bezeichnen. Retro-futuristisch trifft 80er-Ästhetik auf Zukunftsklang – und zwar in jedem Song. Wer mit dieser Eigenart nichts anfangen kann, wird am Montagabend nicht glücklich.
Für das, was das Konzert sein soll, nämlich eine musikalische Reise raus aus den irdischen Sphären und hinein in das Reich der Sonne, ist es allerdings genial. Und so verlässt auch das Publikum das Palladium wie auf einem Traum wandelnd – auch wenn nach dem eigentlich letzten Song „Walking on a Dream“ noch einige Zugaben gespielt wurden.