Abo

Jakub Hrůša mit den Bamberger SymphonikernSinfonische Schwergewichte im Doppelpack

3 min
Dirigent Jakub Hrůša mit Taktstock

Jakub Hrůša ist seit 2016 Chefdirigent der Bamberger Symphoniker

Dirigent Jakub Hrůša brachte mit den Bamberger Symphonikern die beiden großen Natursinfonien des deutschen Repertoires in die Kölner Philharmonie.

Er wollte einmal so komponieren, „wie die Kuh die Milch gibt“. Richard Strauss beschrieb den Impuls zur Entstehung seiner „Alpensinfonie“ aus dem Jahre 1915 mit gewohnter bajuwarischer Ungezwungenheit. Etwas feinsinniger formulierte Ludwig van Beethoven im Jahr 1808 den ästhetischen Leitgedanken seiner sechsten Sinfonie, der „Pastorale“: „Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei.“

Die beiden großen Natursinfonien des deutschen Repertoires verbindet vieles und trennt noch mehr. Dass man sie kaum je gemeinsam auf den Konzertprogrammen findet, liegt wohl vor allem daran, dass die meisten Dirigenten ihrem Publikum zwei solche Schwergewichte nicht im Doppelpack zumuten wollen.

Ordentlich Wumms

Jakub Hrůša teilt solche Bedenken wohl nicht. Seit 2016 amtiert der Tscheche als Chefdirigent der Bamberger Symphoniker, mit denen er derzeit auf einer kleinen Deutschland-Tournee ist. Mit Blick auf die Erfordernisse der monumentalen Strauss-Partitur reist man in großer Besetzung; im philharmonischen Meisterkonzert reckten schon bei Beethoven sieben Kontrabässe die Hälse, was für ordentlich Wumms und markante Pedalwirkungen sorgte. Trotzdem wirkte die Darstellung ganz und gar nicht schwerfällig. Hrůša wählte schon im Kopfsatz ein eher zügiges Tempo und setzte den ruhenden Bordunklängen im Bassregister eine sehr lebendige, trennfreudige Artikulation in den Oberstimmen entgegen. Offenbar wollte er den Fokus weniger auf die neuartigen Texturwirkungen, die pastose Klanglichkeit des Stückes lenken als auf die inneren Vitalkräfte der „Pastorale“.

Das setzte sich in der „Szene am Bach“ fort, bei der Hrůša sich ungewöhnlich stark für die Gegen- und Nebenstimmen interessierte, für störrische Ostinato-Töne und unterschwellige Webmuster. Auf diese Weise tarierte er die Gewichte immer wieder neu aus, brachte Luft zwischen die orchestralen Schichten und sorgte für eine maximal durchsichtige und belebte Lesart der Partitur.

Strauss' „Alpensinfonie“ fehlte das befreite Durchatmen

Strauss' „Alpensinfonie“ lässt der formenden Hand des Dirigenten dagegen deutlich weniger Spielraum. Die Farbmischungen und Lichtwirkungen sind so differenziert auskomponiert, dass sie in der Aufführung eigentlich nur noch mit gebotener Sorgfalt realisiert werden müssen. Das ist aber schon nicht wenig und das gelang Hrůša und seinen fränkischen Musikern auch ganz ausgezeichnet. Von ein paar kleinen Schmutzflecken der hohen Trompete abgesehen, schwächelte da über eine knappe Stunde hinweg niemand im ganzen großen Klangkörper. Wo Strauss mit dem kühlen Kalkül des geschickten Musik-Dramaturgen auf Effekte zielt, wirkte die Interpretation nicht ganz so stark – und hier ist keineswegs nur von den nervtötenden Kuhglocken der Alm-Episode die Rede, von Windmaschine und Donnerblech. Die ein- und ausleitenden Nachtbilder hätten suggestiver klingen können; dem Rundumblick auf dem Berggipfel, von einer einsamen Oboe vermittelt, fehlte das befreite Durchatmen.

Jakub Hrůša schien dieser leicht manipulative Zug des Stückes nicht viel zu bedeuten; umso mehr dockte er da an, wo Strauss wirklich ins Musizieren kommt, wo die Musik emotionale Wärme vermittelt – am stärksten im sanften Hymnus des „Ausklangs“.