Der Kölner Komiker hat nach 25 Jahren Karriere seine erste eigene Fernsehshow. Im Interview erzählt er, warum er die Aufgabe unterschätzt hat.
Johann König„Ich war am Ende fix und fertig“

Johann König
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Herr König, ich habe mich gewundert hat, dass Ihre neue WDR-Sendung Ihr erstes eigenes TV-Format ist. Wieso hat es denn so lange gedauert bis zur eigenen Show?
Ja, 25 Jahre hat es gedauert. Wir haben vor 20 Jahren mal einen Piloten vor Publikum gedreht für eine eigene Sendung. Da war ich aber noch so jung und wusste nicht, wie es geht. Das war dumm, weil das viel zu früh war und mich keiner kannte. Da waren 100 Zuschauer. Es war ganz schrecklich. Kaum jemand hat gelacht. Das ist dann im Giftschrank gelandet. Es gab einige Sachen, die zu früh waren, auch Preise. Man muss ein bisschen gesettelt sein. Bei mir dauert alles ein bisschen länger.
Wie sind Sie damals mit dem Scheitern umgegangen?
Das hat ja niemand mitgekriegt. Wenn das im Fernsehen gelaufen wäre, mit niederschmetternden Quoten, wäre es schrecklich gewesen. So war das nicht so schlimm. Aber ich war dadurch schon abgeschreckt und hatte aus damaliger Sicht nie mehr den Wunsch nach einer eigenen Sendung. Ich dachte, ich bin zu schwierig, mein Humor ist zu schwierig.
Jetzt gibt es aber doch eine Show. Warum funktioniert es jetzt?
Zum einen verfüge ich ja mittlerweile über einige Erfahrung, zum anderen gibt es jetzt ein übergeordnetes Thema, das den roten Faden bildet. Fünf Comedians arbeiten sich daran ab. Das ist schön, weil es verschiedene Perspektiven sind - etwa beim Thema Kinder. Da ist jemand mit kleinen Kindern. Jemand, der über seine Mutter erzählt. Man ist ja ein Kind, wenn man nach Hause kommt. Dann berichte ich über meine älteren Kinder. Schließlich kommt jemand, der gar keine Kinder möchte. Es ist jetzt eine reine Comedy- und Stand-up-Veranstaltung mit fünf Gästen, von denen die meisten Zuschauer wahrscheinlich jeweils nur einen bis zwei kennen. Die anderen sind jünger und daher noch nicht so bekannt. Das war auch ein Wunsch vom WDR, damit die Sendung auch von Jüngeren in der Mediathek geguckt wird.
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Warum war jetzt der richtige Zeitpunkt für eine eigene Sendung?
Ich habe gedacht, wenn ich jetzt absage, werde ich nie wieder gefragt. Das ist die letzte Chance in meiner Karriere. Die Motivation war aber nicht nur, dass ich der Gastgeber bin, sondern ich wollte auch was zurückgeben. Ich bin seit 20 Jahren Gast in Comedy-Sendungen. Ich habe sehr davon profitiert. Man braucht das, um eine Karriere wie meine voranzutreiben. Das klingt immer so ein bisschen kokett zu sagen, ich will den Nachwuchs fördern, aber das ist wirklich mein Ernst.
Ich dachte, ich bin zu schwierig, mein Humor ist zu schwierig
Wie schwer war es denn, Gastgeber zu sein?
Ich habe das unterschätzt. Allein eine Anmoderation zu schreiben, ist wahnsinnig schwer. In so kurzer Zeit jemanden mit wenigen Worten vorzustellen und gerade bei Jüngeren nicht arrogant zu sein, nach dem Motto „Mal sehen, was er kann“ ist nicht leicht. Ich bin ja in meinem Humor eigentlich sehr ironisch, aber das geht da gar nicht. Man kann niemanden ironisch ankündigen. Außerdem musste ich mich ständig umziehen und Dinge organisieren, weil ich irgendwie für alle der Ansprechpartner war. Dabei bin ich am liebsten eine Stunde allein vor einem Auftritt in der Garderobe, aber das ging ja nicht. Ich war am Ende fix und fertig.
Unterscheidet sich der Humor der jüngeren Generation von Ihrem? Haben die einen anderen Zugang?
Ich habe schon den Eindruck, dass es bei ihnen viel moralischer zugeht. Aber wir haben Leute ausgewählt, die kein Moral-Kabarett machen. Natürlich dürfen sich Veganer über Fleischesser lustig machen. In meiner Generation ist es eher so, dass man sich über Veganer lustig macht. Wenn die wirklich halb so alt sind, ist das schon verrückt. Viele reden am Ende dann doch auch immer über Beziehungen. Die glauben, dass es im Liebesleben so bleibt wie mit 25. Die haben überhaupt keine Ahnung, was da alles noch auf sie zukommt. Das fand ich süß, wie klein der Horizont in dem Alter noch ist. Den Optimismus wollte ich ihnen nicht nehmen. Und mir ist aufgefallen, dass es insgesamt wenig politisch war.
Dabei ist doch ein Thema wie Essen hochpolitisch.
Essen ist im Grunde eine Ersatzreligion. Es gibt Glaubenssätze. Ich sehe das ja zu Hause bei meinen Kindern. Die haben alle Leute, denen sie folgen und die verbreiten irgendwelche Ernährungs-Regeln. Aber Ernährung ist privatpolitisch.
Kann man in diesen Zeiten überhaupt noch unpolitischen Humor machen?
Klar. Wenn ich über meine Frau rede und über Haushalt, ist das unpolitisch. Was in unseren vier Wänden stattfindet, ist unpolitisch. Sexualität ist für mich auch unpolitisch. Bei der Ernährung gebe ich Ihnen recht. Ich habe von Peta gelesen, die machen Demos und Plakate gegen Speziesismus. Warum streichelt man die Katze und isst das Schwein? Ich könnte niemals unsere Katze schlachten und essen, weil die so süß ist. Das geht nicht. Aber einer Makrele, die ich fange, kann ich auf den Kopf hauen, die kann ich ausnehmen und essen. Damit habe ich kein Problem. Ist es mein Anspruch, die Makrele genauso zu sehen wie die Katze?
Empathie ist gebunden an Nähe, sonst würde man durchdrehen. Das ist eine natürliche Reaktion
Das ist ja die Frage. Die Unterscheidung ist doch eigentlich ungerecht.
Wir sind nicht alle gleich. So ist das nun mal. Das kann man nicht ändern. Ich liebe diese Katze. Ich habe Mitgefühl. Ich weine, wenn die stirbt. Und die Makrele, die haue ich tot und esse die. Da kann man nicht sagen, das ist böse. Das ist natürlich. Oder beim Ukraine-Krieg: Da hieß es immer, warum sind wir da so mitfühlend und nicht beim Sudan-Krieg. Auch wenn es natürlich nicht gerecht ist, hat es etwas ganz Menschliches, weil das nah an uns dran ist, weil das in Europa ist. Empathie ist gebunden an Nähe, sonst würde man durchdrehen. Das ist eine natürliche Reaktion.
Würden Sie so etwas auf der Bühne sagen, in dem Wissen, dass Sie damit viele Leute gegen sich aufbringen? Auch wenn ich weiß, dass Sie ja keine Kommentare bei Social Media lesen.
Weil ich das alles nicht lese, habe ich solche Gedanken nicht. Ich bin nicht bei Insta, und die Leute wissen mittlerweile, dass ich auch nicht antworte, wenn die mir bei Facebook schreiben. Ich habe den Sumpf ausgetrocknet. Die wissen, es bringt nichts, sich aufzuregen. Ich habe mal ein Lied geschrieben, darüber, was fleischessende Menschen eigentlich denken müssten, wenn sie einen Tiertransporter auf der Autobahn sehen. Und der Refrain war: „Lecker, lecker, lecker, da fährt mein Steak.“
Da gab es aber sicher Reaktionen, die Sie erreicht haben.
Ja, es gab einen Brief von Peta. Den habe ich im Programm eingebaut und gesagt, dass sich sehr viele Leute aufgeregt haben, und zwar Leute, um die es in dem Lied gar nicht geht, nämlich Vegetarier. So konnte ich das dann noch ganz gut verwursten. Aber ich hatte noch nie größere Probleme als bei diesem Song.
Und niemand sagt Ihnen, Sie müssen bei Instagram oder TikTok sein?
Nein. Leute kommen zu mir und sagen, ich kenne dich von TikTok. Das heißt, irgendwelche Leute machen einen Schnipsel etwa aus dem „Gipfeltreffen“ und stellen es bei TikTok rein. Diese Werbung ist gratis. Ich muss nichts machen. Es ist so schön, das nicht zu müssen. Es ist der einzige Schutz gegen Shitstorms. Niemals antworten. Die Leute schreiben irgendwas, weil sie wütend sind. Wen interessiert das denn? Das würden die mir nie ins Gesicht sagen. Für mich ist nicht relevant, was Leute in ihre Tastatur hacken.
Und Sie brauchen es auch nicht als Inspirationsquelle für Programme?
Nein, auch wenn das viele machen. Sarah Bosetti lebt ja von diesen Hasskommentaren, die sie aufnimmt und daraus Gedichte macht und die in Liebe verwandelt. Ich finde, das ist viel zu viel Aufmerksamkeit für die, weil die sich dann bestätigt fühlen. Fast jeder Comedian zitiert irgendeinen schlimmen Kommentar. Ich finde das falsch. Man muss es einfach ignorieren.
Aber haben Sie manchmal das Gefühl, sich in diesen Zeiten vielleicht doch politisch positionieren zu müssen?
Nein, bisher nicht. Die Leute wollen gerade zwei Stunden lang nicht an Politik denken. Das ist meine Aufgabe. Ich habe ein, zwei Sätze, in denen ich mich gegen die AfD positioniere. Solange da applaudiert wird, freue ich mich. Die Leute wissen eh ungefähr, wo ich stehe, glaube ich. Das hört man ja raus. In Chemnitz wurde ich allerdings ausgebuht. Das war ein unangenehmes Gefühl.
Wie gehen Sie damit um?
Es ist kein Grund, da nicht mehr hinzufahren. Ich habe überlegt, den Satz wegzulassen im Osten. Das werde ich aber auf gar keinen Fall machen. Das muss dann reichen als Statement. Aber natürlich, wenn es schlimmer wird, kann der Punkt kommen, an dem ich denke, jetzt kann ich auch nicht mehr Quatsch erzählen, jetzt müssen wir mal ernsthaft werden. Ich bin aber in erster Linie Komiker, die Leute sollen lachen.
Johann König (53) gehört zu den erfolgreichsten Comedians Deutschlands. Aktuell ist er mit seinem Programm „Wer Pläne macht, wird ausgelacht“ auf Tournee. Er lebt mit seiner Familie in Nippes.
Bevor die erste Folge von „Johann König findet“ am 06. September um 23.15 Uhr Premiere im WDR läuft, zeigt der Sender dort vorher um 21.45 Uhr sein Soloprogramm „Wer Pläne macht, wird ausgelacht“. Die anderen fünf Folgen laufen ab dem 15. September immer montags um 22.15 Uhr.