Das Orchester überzeugte in der Philharmonie unter seiner designierten Chefdirigentin mit einer spieltechnisch exzellenten Leistung.
Marie Jacquot und das WDR SinfonieorchesterTrittsichere Darstellung

Marie Jacquot wird ab der Spielzeit 2026/2027 Chefdirigentin des WDR Sinfonieorchesters
Copyright: WDR/Julia Wesely
Anton Bruckner begann seine beschwerliche und von Rückschlägen reiche Laufbahn als Domorganist an St. Florian in Linz. Die Klangdisposition der Orgel hat auch Bruckners sinfonische Sprache entscheidend geprägt; die blockhafte Orchestrierung, die terrassenartig abgestufte Lautstärke, die jähen Tutti-Ausbrüche im „vollen Werk“ künden unmissverständlich davon.
Im philharmonischen Abokonzert setzte das WDR Sinfonieorchester diese allgemein bekannte Tatsache nun auch bei der Programmplanung sinnstiftend um: Die designierte Chefdirigentin Marie Jacquot ließ Bruckners siebter Sinfonie das Orgelkonzert F-Dur op. 4/4 von Georg Friedrich Händel vorangehen; der vom französischen Organisten Thomas Ospital schlank und wendig angelegte Solopart wurde von einem Dutzend Streichern und vier Bläsern animiert begleitet.
An der kleinen Truhenorgel auf dem Podium ließ sich natürlich kaum zeigen, wie Bruckner den Orgelklang als Referenz für seine monumentale sinfonische Klangarchitektur einsetzte. Bei Jehan Alains „Litanies“ konnte Thomas Ospital dagegen an der großen philharmonischen Klais-Orgel ganz aus dem Vollen schöpfen. Der im Zweiten Weltkrieg jung gefallene Komponist wollte hier nach eigener Aussage einen „Tornado“ entfesseln; Thomas Ospital ließ sich da nicht zweimal bitten, spielte aber jederzeit durchsichtig genug, dass die ständig wechselnden Rhythmen und die post-impressionistische Reizharmonik des Stückes gut durchhörbar blieben.
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Hinreißend einfallsreiche Improvisation
Seinen größten Trumpf zog der vielfach preisgekrönte junge Organist indes mit der Zugabe aus der Tasche, einer hinreißend einfallsreichen, ganz aus der spontanen Spiellust geborenen Improvisation, die alle drei Stücke des Programms zu einem zündenden Cocktail verrührte.
So war man schon bestens eingestimmt auf Bruckners Riesenwerk, dem Marie Jacquot nach der Pause eine ausgesprochen kompakte, bündige und trittsichere Darstellung gab. Die Qualitäten der Interpretation lagen eher im klar gezeichneten Detail als im weiten Atem, eher in der Erdung als in der himmelstürmenden Entgrenzung. Die Dirigentin hatte die metrischen Verhältnisse jederzeit klar im Blick; die Quader der Formteile waren stabil verbaut, minimale Zäsuren sorgten für die notwendige Belüftung. Vielleicht hätte ein weniger resolut durchgeschlagener Viervierteltakt der inneren Durchlässigkeit des Stückes noch mehr gedient.
Das WDR Sinfonieorchester ließ sich willig auf die Strategien seiner künftigen Chefin ein; von winzigen Unsauberkeiten und Ruckeleien abgesehen, war das auch spieltechnisch eine exzellente Leistung. Die gewaltige Steigerung im langsamen Satz bis zum berühmten (und umstrittenen) Beckenschlag war sinnig gestaffelt; die Schlussstrecken in Kopfsatz und Finale beeindruckten durch ihre entspannte, druckfreie Expansionskraft. Eine Sternstunde hatte zumal die Blechbläser-Riege, allen voran die vier Wagner-Tuben, die mit gedämpftem Licht aus dem Tutti leuchteten.

