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Theater der KellerZweites Glück mit Joachim Meyerhoff

3 min

Markus J. Bachmann im Stück „Man kann auch in die Höhe fallen“ im Theater der Keller

In „Man kann auch in die Höhe fallen“ schlüpft Markus J. Bachmann schon zum zweiten Mal in die Rolle des Theaterstars und Bestsellerautors.

Sie haben es noch einmal getan. Nachdem das Theater der Keller vor sieben Jahren mit „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ nach dem Roman von Joachim Meyerhoff einen großen Bühnenhit landete, folgt nun die Fortsetzung. Wie bei dem gefeierten Romancier und Schauspieler Meyerhoff, verliefen auch die letzten Jahre im Theater der Keller nicht ohne Brüche. Die einzige Konstante zur ersten Inszenierung erweist sich allerdings als echter Glücksfall.

Wieder schlüpft Markus J. Bachmann in der Bühnenbearbeitung von „Man kann auch in die Höhe fallen“ in die Rolle des Joachim Meyerhoff. Diesmal allerdings über Bande, denn Bachmann spielt den rheinischen Schauspieler Jürgen, der wiederum sich an der Rolle des Meyerhoff versucht. Der ist jetzt Mitte 50 und längst ein doppelter Superstar, als gefeierter Schauspieler und Bestsellerautor mit Millionenauflage. Dass Erfolg nicht gleichzeitig Glück bedeutet, musste Meyerhoff allerdings auch erfahren. Nach Schlaganfall, Sinn- und Schreibkrise zieht der Erzähler zwecks Erdung zurück zur Mutter an die norddeutsche Ostseeküste.

Herrliches Getöse und entfesselte Komik

Wer jetzt in der Inszenierung von Julie Grothgar („Monte Rosa“)auf viele amüsante Anekdoten zwischen der rüstigen Mutter und dem angeschlagenen Sohn hofft, dürfte anfangs enttäuscht sein. Die Regisseurin und ihr Ensemble haben sich in bester „Kill your Darlings“-Manier bei der Textfassung zuerst einmal auf die Theatergeschichten im Roman konzentriert. Darüber hinaus wird mit herrlichem Getöse und entfesselter Komik an dem Denkmal Meyerhoff gerüttelt.

Während der Star nach allen Regeln der klamaukigen Kunst durch den Kakao gezogen wird, glänzt die starke Muttergestalt (Ana Poli) weitgehend durch Abwesenheit. Bühne frei für Markus J. Bachmann, der hier seine physische Ähnlichkeit mit dem Erzähler geschickt in die Waagschale wirft, wenn er mal mit grotesker Perücke und dann wieder mit kahlem Kopf zwischen den verschiedenen Bühnenfiguren wechselt. Bachmann verkörpert grandios nicht nur den selbstironischen und mitunter eitlen Star, sondern auch, mit rheinischen Sing-Sang in der Stimme, den Schauspieler im Kampf mit seiner Rolle.

Der Narzissmus des Bühnenvolks

Meyerhoffs komischer Anekdotenreigen aus der überdrehten Welt des Theaters passt das perfekt zum Spiel mit dem Schauspiel. Sei es die ernüchternde Erfahrung als Baghira in einer aus den Fugen geratenen Inszenierung des „Dschungelbuch“ oder die fast schon naturgemäße Neigung des Theatervolks zu einem gewissen Narzissmus, wenn der „Applaus-Sammler“ aus dem Ost-Berliner Theater zur Sprache kommt. In der Inszenierung als filmisches Kleinod mit dem Trio Daniel Breitfelder, Johannes Brüssau und Sören Wunderlich vor der Kamera.

Breitfelder ist auch für die Bühne und die Kostüme verantwortlich, die mal die Romangeschichten klug zitieren, um dann wieder ins Groteske gesteigert die Freiheit und Spielfreude des Theaters zu feiern. Überhaupt findet sich die Selbstironie sowie das feine Austarieren zwischen situativer Komik und grundsätzlichem Lebensernst des Romans auch in der 90-minütigen Inszenierung wieder.

Die wechselt in der letzten Viertelstunde noch einmal die Tonlage und Perspektive. Bachmann überlässt Ana Poli die Bühne und Meyerhoffs Super-Mutter kommt doch noch zu Wort, mit einer der schönsten Passagen des Buchs, wenn sie dem Sohn mit grandiosem Perspektivwechsel gleich zweimal ihr Lebensresümee ausbreitet. Zum Schluss fließen sogar beim Premieren-Publikum ein paar Tränen der Rührung, denn das Ensemble würdigt die eigenen Mütter mit einem schönen Videobeitrag, der ohne jegliche Ironie einfach nur „Menschen- und Mütterfreundlichkeit“ ausstrahlt.

Theater der Keller, 20., 21. September, 11., 12., 25., 26. Oktober