Rom rüstet sich für die Massen: Hunderttausende wollen am Samstag an der Trauerfeier für den verstorbenen Papst Franziskus teilnehmen.
„Avanti, avanti!“Nur ein äußerst kurzer letzter Blick auf den alten Papst

In der Peterskirche nehmen Gläubige und Touristen Abschied vom verstorbenen Papst.
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Italiener sind temperamentvoll – so weiß es das Klischee. Tatsächlich sieht man auch in diesen Tagen die Römer in den Trattorias gestenreich diskutieren, und auf den Straßen wird gehupt wie immer. „Wenn der Papst stirbt, macht man einen Neuen“, sagt der Volksmund an den Ufern des Tiber. Im Großen und Ganzen läuft das Leben in der italienischen Hauptstadt also weiter. Noch. Denn so langsam wirft die riesige Trauerfeier für Franziskus an diesem Samstag ihren Schatten voraus.
Das ist insbesondere auf und rund um den Petersplatz zu bemerken. Dort werkeln derzeit unzählige Arbeiter, um alles für die Trauerfeier vorzubereiten. An etlichen Stellen werden zusätzliche Bildschirme installiert, etwa auf der Via della Conciliazione, die schnurgerade von der Engelsburg zum Vatikan führt. Die Totenmesse für den verschiedenen Pontifex dürfte für etliche Besucher zu einem Public-Viewing-Event werden, wenn sie nicht näher herankommen zum eigentlichen Ort des Geschehens. Offiziell rechnet die Stadt Rom mit rund 200.000 Menschen, die bei dem Requiem live dabei sein wollen.
Am Abend müssen die Petersdombesucher lange anstehen
So auch die Ordensschwestern Agnes und Dionicia. Seit einem Jahr leben die beiden Indonesierinnen in der Ewigen Stadt und studieren hier. Am wolkenverhangenen Donnerstagspätnachmittag haben sie schon einmal persönlich Abschied genommen vom Heiligen Vater. „Eine gute Stunde lang mussten wir anstehen, um in den Petersdom zu kommen. Da hatten wir richtig Glück“, berichtet Agnes und schiebt zur Erklärung hinterher: „Am Abend, wenn viele Römer Feierabend machen, kann die Schlange noch viel länger sein“.
Auch am Freitag – dem letzten Tag, an dem der Leichnam des verstorbenen Papstes im schlichten, offenen Sarg für jedermann zu sehen ist – ist der Andrang noch einmal immens. Denn am 25. April gedenkt Italien alljährlich seiner Befreiung vom Faschismus, und die allermeisten Römerinnen und Römer haben an diesem gesetzlichen Feiertag frei. Und somit Zeit für das erste Public-Viewing-Event in der Trauer um ihren Bischof: die päpstliche Leichenschau noch in der Basilika.
Gläubige beten, und Touristen sollen sie dabei nicht stören
„Avanti, avanti!“, rufen die Ordnerinnen und Ordner der nicht enden wollenden Schar zu, die noch einen letzten Blick auf Papst Franziskus erhaschen wollen. Dazu die unmissverständliche Geste mit der Hand – vorwärts, vorwärts – bitte weitergehen. Tatsächlich bewegt sich die Menge für italienische Verhältnisse regelrecht im Sauseschritt durch die Kirche.
Einem und einer jeden hier bleiben nur Sekunden vor dem Sarg. Wobei selbst das „vor” relativ ist, angesichts der Abtrennung mit Absperrgittern und all den Ordnern. In einem speziellen Separee dürfen Gläubige niederknien. Die allermeisten hier scheinen jedoch mehr als Touristen denn als tief religiöse Katholiken da zu sein, und denen wird zu diesem Bereich sehr bestimmt der Zutritt verwehrt. Erklärt wird das nur auf Italienisch. Wer’s nicht versteht, muss es trotzdem akzeptieren. Und sein Totengebet zur Not etwas weiter entfernt gen Himmel schicken.
Fotos von der Leiche sind verboten, geschossen werden sie trotzdem
Immer wieder schallt das „No photo! No Video!“ der Aufpasser durch die Kirche, in der parallel eine Messe zelebriert wird. Am anderen Ende des Gotteshauses singt ein Priester gerade einen Lobpreis auf den Herrn im Himmel, während sich das göttliche Bodenpersonal am Hauptalter sichtlich müht, einen halbwegs würdigen Rahmen für die päpstliche Leichenschau sicherzustellen.
Pauschal verurteilen sollte man den Vorbeischreitenden das in die Höhe gestreckte Handy aber vielleicht auch nicht in jedem Fall: Ein Römer erzählt, dass er seinen Besuch am offenen Sarg per Facetime zu seinen streng gläubigen Eltern im Süden der Republik übertragen hat. So konnten sie gemeinsam als Familie Abschied nehmen, obwohl es die Senioren selbst nicht in die Hauptstadt geschafft haben.
Es ist eine Gratwanderung.
So sieht das auch Diogo aus Portugal, der am Ostersonntag in Rom angekommen ist und am Montag dann vom Tod des Oberhaupts der katholischen Kirche gehört hat. „Die Szenerie da drinnen ist schon weird“, sagt der junge Mann, als er auf dem Petersplatz noch auf seine Mutter wartet, die noch etwas länger in der Basilika bleiben wollte. Er hofft, dass sie bis Sonntag noch alle Sehenswürdigkeiten besuchen könnten, die sie sich vorgenommen haben. „Wahrscheinlich wird am Sonnabend aber an vielen Stellen in der Stadt kein Durchkommen sein“, befürchtet er.
Nicht alle, die zum Requiem freihaben wollen, bekommen es auch
Denn für das offizielle Requiem haben sich hochrangige Staatsgäste aus aller Welt angekündigt – die Namen reichen von US-Präsident Donald Trump über EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bis hin zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Aus Deutschland reisen der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz an.
An den Türen einiger Geschäfte in der City hängen bereits Hinweisschilder, dass die Läden auch am Sonnabend geschlossen bleiben werden. Jocel (29) und Rex (25), die im Schatten der Kolonnaden sitzen und einen kurzen Regenschauer abwarten, ärgern sich ein wenig, dass sie nach aller Voraussicht jedoch arbeiten müssen. Sie jobbt in einem Bed and Breakfast, er ist Barista.
„Unsere Chefs werden uns nicht freigeben“, meint Jocel und verzieht das Gesicht. Sie beteuert, wie wichtig ihr als gläubige Katholikin eigentlich wäre, die Papst-Beisetzung zu verfolgen, und sei es nur am Fernseher. Das ginge aber nicht, denn alle Zimmer seien belegt und zu tun gebe es genug.
Rex ergänzt, dass er an dem Tag sicher auch mehr Kaffee verkaufen werde als normal. Eine kleine Hoffnung hat er aber noch: Dass er zumindest zu einem Teil der TV-Übertragung heimlich auf seinem Handy verfolgen kann, wenn gerade kein Kunde vor ihm steht.