Weil die Welt im Ausnahmezustand ist, wird zum Politikum, welcher Gast zum Papstbegräbnis anreist – und welcher nicht.
Requiem in RomWeltpolitik am Papstgrab – das kann auch eine Chance sein


„Wer hat die denn eingeladen?“, denkt sich Franziskus auf dem Wandbild, das die Streetart-Künstlerin Laika in Rom hinterlassen hat. Gemeint sind angeblich die Staatsgäste zur Papst-Beerdigung.
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Rom ist im Ausnahmezustand. Seit der Papst verstorben ist, wird Italiens Hauptstadt samt Vatikan von Gläubigen und Schaulustigen überschwemmt. Zum Requiem für Franziskus werden für diesen Samstag 200.000 Menschen auf dem Petersplatz erwartet – vor allem aber kommen zu denen, die den Papst noch einmal sehen wollen, dann auch jene, die gesehen werden wollen: Staats- und Regierungschefs, Würdenträger und Machthaber aus aller Welt.
Sie kommen in einer Zeit, in der die Welt selbst im Ausnahmezustand ist. Das macht die Trauerfeier zum Politikum: von der Symbolik, wer teilnimmt und wer nicht, bis zur Frage, was sich am Rande des Requiems ergibt. In Rom treffen Kriegsparteien auf Gegner, Verbündete und vieles dazwischen. Es kommen Populisten, die den Papst zu politisch fanden, und Politiker, die nicht katholisch sind, sondern sendungsbewusst. Geheime Treffen oder geplante Begegnungen sind denkbar, die ungeplant, aber dringend nötig sind. All das kann die Weltpolitik beeinflussen, zum Guten wie zum Schlechten.
Papst Franziskus kritisierte Weltpolitiker
Die Pietät setzt zwar Grenzen, doch Naivität ist fehl am Platz. Erstens hat Franziskus sein Pontifikat stets politisch angelegt, und zweitens hielt die Spitzenpolitik ihre Gipfel bei Bedarf schon öfter ab, wohin sie fielen. Und Bedarf besteht ja unbestreitbar.
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Papst Franziskus begrüßt Javier Milei, Präsident von Argentinien, beim G7 Gipfel. (Archivfoto)
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Zu den simpleren Signalen, die die Politik vom Papstgrab sendet, gehört noch die Anwesenheitsliste. So pilgert Argentiniens Präsident Milei mit großer Delegation ins Blitzlichtgewitter - obwohl er den Heiligen Vater einst als „linken Hurensohn“ beschimpft hatte. Offensichtlich musste er einsehen, dass Franziskus daheim populärer war als er.
Dass Wladimir Putin und Benjamin Netanjahu nicht anreisen mochten, weil gegen sie Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegen, kann sein. Allerdings haben beide auch an früheren Papst-Beisetzungen nie teilgenommen. Ihre Kriege hatte Franziskus jedenfalls streitbar kommentiert – was sein politisches Selbstverständnis unterstreicht.
Söder und Scholz kommen – Merz nicht
In Deutschland war zudem von Interesse, warum zwar der römisch-katholische Fast-Kanzler Friedrich Merz NICHT anreist, sehr wohl aber der evangelische Fast-Fast-Kanzler Markus Söder. Mochte Merz nicht auf der protokollarisch vorgesehenen Kirchenbank hinter Delegationsführer Steinmeier und Noch-Kanzler Scholz landen, weil er sich jetzt als Mann der ersten Reihe sieht? Oder ist er wirklich zu intensiv in die weltlichen Fragen der Koalitions- und Kabinettsschöpfung eingebunden?

Papst Franziskus empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz zu einer Privataudienz. (Archivfoto)
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Schlechtes Timing erwischte auch seine Parteifreundin Julia Klöckner, die als Bundestagspräsidentin vor Ort des linksliberalsten Papstes seit Ewigkeiten gedenken wird – sich kurz zuvor aber noch beklagt hatte, die Kirchen seien ihr zu politisch – gemeint war: zu linksliberal – geworden.
Wiedersehen zwischen Trump und Selenskyj?
Von Weltrang sind im Vergleich dazu die Chancen, die sich in Rom für einen Frieden in der Ukraine böten – allem voran durch ein persönliches Aufeinandertreffen von Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj. Anders als im Februar im Weißen Haus wären dieses Mal keine Fernsehkameras dabei, für die der US-Präsident eine Macht-Show aufführen muss. Nicht Unterhändler würden über Spiegelstriche feilschen, sondern ein Präsident könnte dem dem anderen als Mensch ins Gewissen.
Das setzt freilich voraus, dass Trump ein Gewissen hat, dass er Politik nicht als permanente Macht-Show begreift und dass er tatsächlich an Frieden in der Ukraine interessiert ist – und nicht nur an Ruhe im Karton.
Franziskus jedenfalls hätte sicher nichts dagegen gehabt, wenn am Rande seines Abschieds vom Irdischen ein kleiner Schritt zum Weltfrieden gelungen wäre. Allein: Mir fehlt der Glaube. (rnd)