Die Hängepartie für Friedrich Merz (CDU) bei der Kanzlerwahl löste auch im politischen Düsseldorf Nervosität aus. Eine mögliche Neuwahl hätte für den Landesverband der CDU in NRW gravierende Folgen haben können.
NRW-CDU erleichtert über Kanzlerwahl„Wäre Merz gescheitert, hätten wir Hendrik Wüst ins Rennen schicken müssen“

„Habemus Merz“: Hendrik Wüst und Friedrich Merz nach der Kanzlerwahl im Bundestag.
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Kaum war die Anspannung abgefallen, kehrte die gute Laune zurück. „Habemus Merz“, scherzte das Mitglied des CDU-Landesvorstands in einer SMS-Nachricht, nachdem Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) das Ergebnis der Auszählung des zweiten Wahlgangs gegen 16.15 Uhr verkündet hatte. Auch in Düsseldorf war die Nervosität nach dem Fehlstart bei der Kanzlerwahl am Vormittag groß. Die bange Frage lautete: „Was passiert, wenn es auch im zweiten Wahlgang für Friedrich nicht reicht?“
Ein Wechsel von Wüst nach Berlin hätte den CDU-Landesverband kalt erwischt
Sie hatten sich die Ohren schon zugehalten – doch der große Knall blieb bei der NRW-CDU am Ende aus. „Jetzt bleibt alles beim Alten“, sagte ein Bezirksvorsitzender. Hätte Merz auch in der zweiten Runde die Mehrheit verfehlt, wäre wohl der Ruf nach Neuwahlen laut geworden. „Wäre Friedrich gescheitert, dann hätten wir den Hendrik wohl ins Rennen schicken müssen. Alle Uhren wären wieder auf null gestellt worden.“
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte am Dienstagvormittag nicht an der Fraktionssitzung in Düsseldorf teilgenommen. Er war nach Berlin gereist, um Merz zur Kanzlerwahl zu gratulieren. Niemand ahnte, dass der Vorgang zur Nervenprobe geraten würde. Das „Happy End“ im zweiten Wahlgang löste große Erleichterung aus. Ein Wechsel von Wüst nach Berlin hätte den CDU-Landesverband kalt erwischt. Der Gedanke daran, dass nach 2021, als der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet Kanzler-Kandidat der Union geworden war, erneut ein Wechsel anstehen könnte, erfüllte viele in der NRW-CDU mit Sorge.
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Henning Höne: „Die Angst vor dem Mehrheitsverlust wird die Koalition dauerhaft begleiten“
Nun kann Wüst in Ruhe mit den Grünen weiterregieren. Tim Achtermeyer, Chef der nordrhein-westfälischen Grünen, sparte allerdings nicht mit Kritik. „Die vergeigte Kanzlerwahl ist ein Desaster“, sagte der Politiker aus Bonn. Jetzt räche sich, dass Friedrich Merz im Wahlkampf auf Polarisierung gesetzt habe. „Das hat offenkundig tiefe Narben hinterlassen. Deutschland braucht eine stabile Regierung für die Aufgaben hier im Land und für ein starkes Europa.“
Henning Höne, der Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Landtag, sieht das ähnlich. Merz gehe „mit einem Misstrauensvotum in eigener Sache“ in die Geschichte ein, sagte der FDP-Politiker. Die Angst vor dem Mehrheitsverlust werde die Koalition dauerhaft begleiten. Der Koalitionsvertrag lese sich wie ein sozialdemokratisches Regierungsprogramm: „Statt Haushaltsdisziplin gibt es einen milliardenschweren Schulden-Wortbruch.“
Achim Post: „Nicht der Zeitpunkt für politische oder persönliche Denkzettel“
Achim Post ist der Landesvorsitzende der NRW-SPD. Er erklärte, Deutschland und Europa stünden vor historischen Herausforderungen. „Die SPD-Abgeordneten sind sich ihrer staatspolitischen Verantwortung sehr bewusst und haben großes Interesse am Funktionieren der neuen Bundesregierung.“ Der langjährige Chef der SPD-Landesgruppe aus NRW sagte, jetzt sei „nicht der Zeitpunkt für politische oder persönliche Denkzettel“.
In Düsseldorf hieß es, auch die zeitlichen Abläufe bei der Regierungsbildung in Berlin hätten die Schlappe von Merz im ersten Wahlgang begünstigt. So sei es in NRW Tradition, dass die Besetzung der Ministerposten erst nach der Wahl des Ministerpräsidenten verkündet werde. So soll verhindert werden, dass Unzufriedene dem neuen Regierungschef die Zustimmung verweigern. Merz hatte seine Kabinettsliste schon vor einer Woche bekannt gemacht – und damit auch Enttäuschungen produziert.
Gregor Golland, Vize-Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, setzt hohe Erwartungen an die neue Bundesregierung: „Friedrich Merz ist zum Bundeskanzler gewählt, und damit beginnt eine neue politische Ära“, sagte der Politiker aus dem Rhein-Erft-Kreis. „Dass es erst im zweiten Wahlgang geklappt hat, mag für Schlagzeilen sorgen, ändert aber nichts an der klaren Entscheidung des Parlaments.“ Einige hätten „die Gelegenheit genutzt, um Befindlichkeiten und verletzte Eitelkeiten zu demonstrieren“, so Innenexperte Golland. Diese Regierung werde aber „nicht an Formalien“ gemessen, sondern an ihrem Gestaltungswillen und ihrer Tatkraft. „Jetzt ist die Zeit, zu liefern – und das werden wir tun.“