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NRW-Innenminister Reul warntRussen fälschen Merz-Postings, um Demokratie zu erschüttern

Lesezeit 5 Minuten
Herbert Reul(CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, zeigt eine Tafel mit Fake-Nachrichten aus dem Internet bei der Vorstellung des Verfassungsschutzbericht 2024 des Landes.

Herbert Reul(CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, zeigt eine Tafel mit Fake-Nachrichten aus dem Internet bei der Vorstellung des Verfassungsschutzbericht 2024 des Landes. 

Die Demokratie in Deutschland wird nicht nur von Extremisten bedroht, sondern auch vom russischen Geheimdienst. Davor warnt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2024.

Die Nachricht auf der Plattform „X“ scheint von Friedrich Merz zu kommen. Darin äußert sich der CDU-Chef vermeintlich über US-Präsident Donald Trump. Der agiere „ohne Skrupel“, sein Verhalten lasse „strafbare Absichten“ erkennen. „Ein A… wäre da noch eine harmlose Formulierung“.

NRW-Innenminister Herbert Reul hält bei seiner Pressekonferenz zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2024 eine Tafel hoch, auf der die Merz-Botschaft abgedruckt ist. Die Nachricht ist nicht echt. Es handelt sich um eine Fälschung, hinter der offenbar der russische Geheimdienst steckt. „Mit Beginn des Bundestagswahlkampfes gab es Falschmeldungen und Manipulationsversuche, die das Vertrauen der Menschen in demokratische Institutionen und in die Parteien erschüttern sollten“, sagte der CDU-Politiker. „Sie sehen, das ist gut gemacht. Solche Fake News in den sozialen Medien werden tausendfach geteilt. Bestimmte Narrative können so gezielt verbreitet werden“, erklärt Reul.

Reul:„Vor allem Russland ist da wenig zimperlich, sondern robust unterwegs“

Die gezielten Falsch-Infos aus Russland werden als Kampagne „Storm 1516“ bezeichnet. Dabei werden „Doppelgänger“ von echten Plattformen und Internetauftritten gebaut. Abstruse Meldungen kommen zum Beispiel im Gewand der Internetseiten von „Welt“ oder „Spiegel Online“ daher. „Vor allem Russland ist da wenig zimperlich, sondern robust unterwegs“, berichtet der NRW-Innenminister. So war bei einer Sabotage-Serie in Baden-Württemberg Bauschaum in die Auspuffe hunderter Autos gesprüht worden: „Es sollte so aussehen, als hätten da Klimaaktivisten randaliert.“

Spionage und Cyberangriffe auf Deutschland haben zugenommen. „Und zwar in dem Maße, in dem die Konflikte in der Welt sich verschärfen.“ Die Arbeit für den Verfassungsschutz wird laut Reul nicht weniger, sondern mehr: „Die Konflikte der Welt sind längst nicht mehr kilometerweit entfernt, sondern stehen auch hier bei uns vor der Tür.“

Straftaten mit rechtsextremistischen Hintergrund legten um 62 Prozent zu

In NRW haben die Straftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität 2024 ein Allzeithoch erreicht. 10.772 wurden registriert, das ist eine Zunahme um 42 Prozent. Etwa 23 Prozent wurden mit dem Tatmittel „Internet“ begangen, das sind rund 30 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Extremismus habe sich gewandelt, so ein Fazit des Berichts: Er ist moderner geworden.

Die einzelnen Felder im Überblick: 

Rechtsextremismus

2024 wurden im Bereich Rechtsextremismus 5461 Straftaten erfasst, das sind 62 Prozent mehr als im Vorjahr. In 78 Prozent der Fälle handelte es sich um Propagandadelikte und Volksverhetzung. Die Anzahl der Gewaltdelikte durch rechts motivierte Tatverdächtige stieg mit 154 Straftaten gegenüber dem Vorjahr um 33 Prozent an. „Wir sehen, dass sich der Rechtsextremismus modernisiert hat“, sagte Reul. Es gebe „heute weniger Glatze und Springerstiefel, dafür mehr Sneaker und Active Clubs“. Die alte Ideologie erscheine in neuem Gewand. „KI-generierte Videos und Fotos wecken Interesse und erzielen große Reichweite“, erklärte Reul. „Damit gewinnen Extremisten im Netz vor allem bei Kindern und Jugendlichen erheblich an Land. So kann menschenfeindliches Gift langsam in die Köpfe sickern.“

Islamismus

Laut Verfassungsschutz agieren in NRW rund 2700 extremistische Salafisten, von denen rund 600 als gewaltorientiert eingestuft werden. „Der islamistische Terrorismus bleibt die größte Gefahr für Leib und Leben“, betonte Reul. Der Anschlag von Solingen am 23. August 2024 mit drei Todesopfern sei ein tiefschwarzer Tag in der Landesgeschichte gewesen.

Blick auf eine Ausgabe des Verfassungsschutzberichts 2024, der von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) vorgestellt wurde.

Blick auf eine Ausgabe des Verfassungsschutzberichts 2024, der von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) vorgestellt wurde.

Auch in dieser Szene spielt Social Media eine große Rolle. Immer häufiger würden Prediger und islamistische Influencer auf TikTok, YouTube und Telegram für ihre Sache werben. Sie seien parallel aber auch auf der Straße unterwegs, um Jugendliche anzusprechen.

Die Gruppierung „Nur al-ilm“ (zu Deutsch: „Licht des Wissens“) ist demnach besonders rege unterwegs. „Gerade der sogenannte Islamische Staat nutzt die Lage in Nahost strategisch und heizt damit seine Radikalisierungsmaschine zusätzlich an“, warnte Reul. Der bekannte Hassprediger Asanov könne seine Propaganda aktuell nicht verbreiten. Er wurde wegen Spendenbetrugs festgenommen und sitzt in Haft.

Linksextremismus

Im Bereich Linksextremismus wurden rund 1200 Straftaten erfasst, viele davon waren Widerstandsdelikte. Sie demonstrierten - neben vielen Nicht-Extremisten - etwa gegen den Bundesparteitag der AfD in Essen, gegen die Rodung des Gremberger Wäldchens oder vor der Düsseldorfer Rheinmetall-Zentrale. „Auch unter Palästina-Demos an deutschen Universitäten mischten sich stellenweise linksextremistische Störer“, sagte der NRW-Innenminister. Viele dieser Taten hätten auch im Zusammenhang mit Aktionen gegen den Wahlkampf der AfD für die Bundestagswahl gestanden.

Antisemitismus

Durch die Eskalation des Nahost-Konflikts hat der Hass auf Jüdinnen und Juden in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren auch in NRW zugenommen. 2024 wurden 695 antisemitische Straftaten erfasst (2023 waren es 547). Die Landesregierung veröffentlichte im vergangenen Jahr die Dunkelfeldstudie zu Antisemitismus. Danach hatten etwa 24 Prozent der Befragten antisemitische Einstellungen. Rund 47 Prozent möchten „einen Schlussstrich unter die Vergangenheit“ ziehen. „Übergriffe auf jüdische Mitmenschen, Synagogen und Gedenkstätten sind keine Seltenheit mehr“, so Reul: „Dass ich das 80 Jahre nach dem Holocaust sage, ist so traurig wie bitter.“

Der Innenminister betonte, es sei wichtig ist, dass Deutschland angesichts der Entwicklungen in Amerika unabhängiger von anderen Staaten werde. Anders als die USA sei Deutschland bei der Auswertung von Whatsapp, Telegram und anderen Messenger-Diensten „nahezu blind“. Er mahnte eine Ausweitung der rechtlichen Instrumente an, zum Beispiel die Quellen-Telekommunikationsüberwachung oder den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. „Den Mund habe ich mir dazu schon oft fusselig geredet“, sagte Reul.

Die FDP im Düsseldorfer Landtag kritisierte die politische Reaktion der Landesregierung als zu „zaghaft“. Reul beschreibe Symptome, liefere aber keine Therapie. NRW bekämpfe den digitalen Extremismus immer noch mit analogen Rezepten, sagt Marc Lürbke, Innenexperte der Liberalen. Kristina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD, erklärte, die Entwicklungen im Bereich politisch motivierter Straftaten seien „erneut schockierend“. Auch die Schulen müssten im digitalen Kampf gegen die Verfassungsfeinde resistenter gemacht werden: „Diese werden damit von Schwarz-Grün aber größtenteils allein gelassen.“