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Zahlen beinahe verdreifachtRadikalisierung Jugendlicher mit rechter Gesinnung nimmt zu

Lesezeit 3 Minuten
Das Bild zeigt ein Anti-Nazi-Protestschild. Foto: Frank Molter/dpa (Symbolbild)

Stark steigende Gewalt- und Propaganda-Delikte aus der rechtsextremistischen Jugendszene alarmieren Innenminister und Opposition in Nordrhein-Westfalen. (Symbolbild)

Neue Zahlen aus dem nordrhein-westfälischen Innenministerium sind alarmierend: Rechtsextrem beeinflusste Jugendmilieus verbreiten zunehmend ihr Gift - über das Internet und mit Gewalt vor Ort.

Die Zahl jugendlicher Tatverdächtiger im Bereich rechtsextremer Kriminalität hat sich in Nordrhein-Westfalen innerhalb eines Jahres beinahe verdreifacht. Der Zuwachs wurde 2024 im Vergleich zu 2023 verzeichnet, wie aus einer Antwort von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) auf eine Anfrage aus der SPD-Landtagsfraktion hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf vorliegt. Die Auswertung zeige, dass die politisch motivierte Kriminalität von Rechts weiterhin eine zentrale Herausforderung für die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen bleibe.

Die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dilek Engin, nannte die Zahlen „absolut alarmierend“. 

Fast dreimal so viele Verdächtige aus rechtem Teenager-Spektrum

Laut Kriminalpolizeilichem Meldedienst stieg die Zahl der polizeilich erfassten 14- bis 17-Jährigen im Bereich rechter Kriminalität 2024 im Vergleich zum Vorjahr von 106 auf 299. Schwerpunkte seien nach wie vor die Verbreitung von Propagandamitteln sowie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, teilte Reul mit. 

Alles zum Thema Herbert Reul

Besonders steche diesmal aber der Anstieg bei Volksverhetzungsdelikten hervor. Nach jeweils neun erfassten Taten von Jugendlichen 2022 und 2023 seien für das vergangenen Jahr 48 solcher Fälle beim Kriminalpolizeilichen Meldedienst registriert worden, mehr als fünfmal so viele wie zuvor.

Reale Gewalt und Hetze im Internet

„Auch die Entwicklung im Bereich der Gewaltdelikte indiziert eine gewisse Radikalisierung“, stellte der Innenminister fest. Während 2023 in NRW überhaupt keine jugendlichen Tatverdächtigen mit Gewaltdelikten aus rechter Gesinnung aufgefallen seien, seien 2024 insgesamt 13 jugendliche Tatverdächtige wegen Körperverletzungsdelikten, Landfriedensbruch, Raub oder Widerstand gegen die Staatsgewalt aktenkundig geworden.

Gleichzeitig habe „das Tatmittel Internet weiter an Bedeutung gewonnen“, heißt es in der Antwort. Demnach hat sich die Zahl der Jugendlichen, die für ihre Straftat das Internet nutzten, von 38 im Jahr 2023 auf 84 Tatverdächtigeim vorigen Jahr mehr als verdoppelt.

Das Bild zeigt Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Foto: Rolf Vennenbernd/dpa (Archivbild)

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) setzt bei politisch motivierter Kriminalität aus rechtsextremen Jugendmilieus heraus auf Repression, Prävention und Ausstiegshilfen. (Archivbild)

„Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden ermitteln im Rahmen ihrer Befugnisse intensiv im Internet“, versicherte Reul. „Das betrifft die gesamte Bandbreite von Telegram über Instagram bis hin zu Tiktok.“ Der Identifizierung und Bearbeitung von Hass-Postings, Hass-Propagandaund Gewaltaufrufen in virtuellen sozialen Netzwerken komme dabei besondere Bedeutung zu.

Reul: Polizei kann wuchernden Extremismus nicht allein ersticken

Bei der Bekämpfung von politischem Extremismus Jugendlicher setze die Landesregierung auf einen Dreiklang aus Repression, Prävention und Ausstiegshilfe. „Dies bleibt aber eine gesamtgesellschaftlicheQuerschnittsaufgabe“, betonte der CDU-Politiker.

Zu den wichtigsten repressiven Maßnahmen der Landesregierung in diesem Bereich zählten Vereinsverbote, Strafverfahren und der Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse, wenn die jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen vorlägen. Die Polizei beobachte etwaige Radikalisierungstendenzen rechtsextremer Jugendlicher niedrigschwellig. 

Opposition: Schulsozialarbeit auf der letzten Rille

Die SPD sieht auch schulpolitischen Handlungsbedarf. Seit Jahren lasse die Landesregierung „die Schulsozialarbeit auf der letzten Rille fahren“, bemängelte Engin. „Wann begreift sie endlich, dass das keine soziale Gefühlsduselei ist?“ Schulsozialarbeit sei ein elementarer Bestandteil von Bildungsarbeit, der angesichts immer größerer psychologischer Herausforderungen für Kinder und Jugendliche weiter an Bedeutung gewinne. (dpa)