Die Union ist optimistisch, die SPD von einer Taurus-Lieferung an die Ukraine überzeugen zu können. Ausgerechnet Pistorius bremst aber.
Pistorius bleibt vageSPD könnte bei Taurus von Scholz-Kurs abweichen und Merz unterstützen

Die von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt einen Kampfjet Tornado IDS ASSTA 3.0, bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus, der im Rahmen eienr Übung fliegt (Archivbild
Copyright: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa
Der vermutlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hat den brutalen russischen Angriff auf die Stadt Sumy ein „schweres Kriegsverbrechen“ genannt. Im ARD-Talk von Caren Miosga erklärte der CDU-Politiker, der Angriff sei in zwei Wellen perfide erfolgt. Die zweite Angriffswelle sei gekommen, als sich Helfer bereits um die Opfer kümmerten.
Bei dem russischen Luftschlag mit ballistischen Raketen gegen die Stadt Sumy kamen am Palmsonntag 35 Menschen ums Leben, weit mehr als 100 wurden verletzt. Der Anschlag erfolgte, als die Bevölkerung mit vorösterlichen Feierlichkeiten beschäftigt war. Laut offiziellen Angaben handelte es sich um den tödlichsten Einzelangriff auf die Ukraine in diesem Jahr.
Merz zeigte sich in der ARD offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern aus Deutschland. Zur Begründung sagte er, die Ukraine müsse nach mehr als drei Jahren Krieg endlich aus der Defensive kommen. Eine Möglichkeit dazu wäre beispielsweise die Zerstörung der Kertsch-Brücke, der wichtigsten Landverbindung zwischen Russland und der von Russland besetzten Halbinsel Krim. Eine Taurus-Lieferung, die Merz in der Vergangenheit immer wieder von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gefordert hatte, bedürfe aber der Abstimmung mit den europäischen Partnern.
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Wadephul glaubt an Einigung mit SPD über Taurus
Auch der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul äußerte sich positiv zu einer Lieferung des Waffensystems, das hunderte Kilometer weit fliegen und Bunker und Munitionsdepots zerstören könnte. Mit seiner Reichweite müssen Piloten nicht in den feindlichen Luftraum eindringen, um ihn abzufeuern. Wadephul, der als nächster Außenminister gehandelt wird, hält eine Einigung mit dem künftigen Koalitionspartner SPD über Taurus für möglich, wie er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern sagte.
Dies ist bemerkenswert, da es innerhalb der Sozialdemokraten hinsichtlich von Waffenlieferungen bei vielen Abgeordneten starke Bedenken gegeben hatte. Kanzler Scholz hatte dieser Diskussion Rechnung getragen und besonders im Wahlkampf stets betont, man müsse „besonnen“ vorgehen. Mehr oder weniger deutlich hatte er immer wieder darauf verwiesen, Deutschland dürfe mit der Lieferung des Taurus nicht zur Kriegspartei gegen Russland werden. Der SPD-Fraktionschef, der Kölner Abgeordnete Rolf Mützenich, unterstützte diese Haltung. Innerhalb der Ampel hatte der SPD dies insbesondere von den Grünen Kritik eingebracht.
Wadephul glaubt nun aber offenbar, mit der veränderten Weltlage durch den Amtsantritt von Donald Trump und vor allem durch den barbarischen Angriff von Sumy habe bei der SPD ein Umdenken eingesetzt. „Ich glaube nicht, dass die SPD-Zustimmung ein ‚Knackpunkt‘ ist“, sagte Wadephul weiter. „Vielmehr werden wir zu einer gemeinsamen Position und Entscheidung kommen, die dann auch von allen getragen wird.“
Pistorius skeptisch in Bezug auf Taurus-Lieferung
Von Verteidigungsminister Boris Pistorius gibt es allerdings direkt Gegenwind. Der SPD-Politiker, der als großer Unterstützer der Ukraine gilt und sein Amt in der künftigen Bundesregierung behalten könnte, zeigte sich skeptisch bezüglich einer Taurus-Lieferung. Er widersprach der Darstellung, dass er schon immer für eine solche Waffenhilfe gewesen sei: „Ich habe das nie gesagt“, so Pistorius. Für die Lieferung von Taurus gebe es zwar gute Argumente, es gebe aber auch „viele Argumente, gute Argumente dagegen“, sagte der Verteidigungsminister ausweichend. Nur einen Teil davon könne man öffentlich diskutieren, so Pistorius, und heizte damit Spekulationen an.
In der Tat hatte sich Pistorius auch im vergangenen Jahr nie für die Abgabe des Taurus an Kiew ausgesprochen. Der SPD-Politiker hatte stets vage gesagt, es gebe keinen „Anlass“ für eine andere als die von Scholz getroffene Entscheidung. Offenbar führt auch die Aussicht auf eine neue Regierungskonstellation unter neuem Kanzler nicht dazu, dass Pistorius seine Bedenken vollständig zur Seite räumt.
Pistorius unterstellt „erotisches Verhältnis“ zu Waffensystemen
Pistorius kritisierte die Debatte laut n.tv zudem, dass in keinem anderen Land so über einzelne Waffensysteme diskutiert werde wie in Deutschland. „Ich weiß nicht, woher dieses erotische Verhältnis zu Waffensystemen kommt. Ich hab' keines“, sagte der Niedersachse. Diese flapsige Formulierung brachte ihm wiederum Kritik ein, unter anderem vom Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger, der dies für „unangemessen“ angesichts der Lage der Ukraine hielt.
Dass die Haltung bezüglich Taurus in der SPD allerdings nicht einheitlich ist, verdeutlicht Michael Roth. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte der SPD-Außenexperte, die Waffen würden die Ukraine im russischen Angriffskrieg in eine Position der Stärke versetzen. Deutschland solle hierbei in Europa voranschreiten. Roth war mit seiner Meinung bezüglich der Ukraine-Unterstützung in der Partei des Öfteren angeeckt. Bereits vor einem Jahr hatte er seinen Rückzug aus dem Politikbetrieb angekündigt und war bei der Bundestagswahl nicht mehr für ein Mandat angetreten.
Haltung der SPD zu Taurus könnte sich ändern
Der Parteilinke Ralf Stegner bekräftigte im Gespräch mit dem „Spiegel“, er sehe sich weiterhin auf Scholz-Linie und lehne eine Taurus-Lieferung ab. Unterstützt wurde diese Haltung inzwischen auch von SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. In der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv sagte Miersch: „Wir waren ja immer schon auch dagegen“. Er wiederholte das alte Argument, man wolle nicht Kriegspartei werden. Daher gehe davon aus, dass die Haltung der SPD so bleibe.
Laut „Spiegel“ gebe es bei anderen SPD-Abgeordneten aber inzwischen ein Umdenken. Mit dem bevorstehenden Regierungswechsel sähen sie sich nicht mehr an die Vorgaben von Scholz gebunden. Die Lage habe sich durch das offene Sympathisieren von US-Präsident Donald Trump mit Wladimir Putin geändert. Eine Zustimmung zu Taurus-Lieferungen sei also denkbar.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland Oleksii Makeiev sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unterdessen, der Bedarf an Taurus-Marschflugkörpern bestehe weiterhin in seinem Land. „Ich bin mir sicher, unsere Militärs würden bestimmte russische militärische Ziele mit diesen Waffen sehr erfolgreich bekämpfen. Der Taurus hat eine enorme Durchschlagskraft, um zum Beispiel Kommandozentralen in Bunkern oder unterirdische Munitionsdepots zu zerstören“, so Makeiev.(mit afp und dpa)