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Auch NRW-Hausbesitzer wehrt sichBundesfinanzhof prüft Klagen gegen „Bundesmodell“ der Grundsteuer

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Die neue Grundsteuer: Seit Anfang des Jahres wird sie erhoben. . Philip Hoeppli

Die neue Grundsteuer: Seit Anfang des Jahres wird sie erhoben. . Philip Hoeppli

Die neue Grundsteuer trifft auf wenig Gegenliebe. Jetzt befasst sich der Bundesfinanzhof damit. Was das heißt und was Hauseigentümer wissen sollten.

Seit Anfang des Jahres greift die neue Grundsteuer. Gut 36 Millionen Immobilien mussten dafür neu bewertet werden, was nicht nur für Grundstücksbesitzer, sondern auch für Behörden ein Kraftakt war.

Aber ist die Berechnung auch rechtmäßig? Viele Hausbesitzer zweifeln daran – und wollen sich juristisch wehren. An diesem Mittwoch verhandelt der Bundesfinanzhof in München drei Klagen gegen das sogenannte Bundesmodell. Viele Hauseigentümer blicken gespannt auf den Ausgang des Verfahrens.

Grundsteuer: Worum geht es?

Elf von 16 Ländern wenden das Bundesmodell an, zwei mit kleinen Änderungen. Der steuerliche Wert eines Grundstücks wird ermittelt, indem Faktoren wie Bodenrichtwerte, Gebäudealter oder pauschalierte Mieten herangezogen werden. „Eigentümer werden besteuert, als würden sie verkaufen – obwohl der Wert gar nicht realisiert wird. Das kann enteignenden Charakter annehmen“, sagt Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands Haus und Grund. „Zudem basieren die pauschalen Bewertungsansätze oft auf einer Parallelwelt und bilden die tatsächlichen Marktwerte nicht ab“, so Warnecke weiter.

Was wollen die Kläger?

„In allen drei Verfahren machen die jeweiligen Kläger umfangreiche Verstöße gegen das Grundgesetz geltend“, sagt Anette Kugelmüller-Pugh, Sprecherin des Bundesfinanzhofs. Die Kläger aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin/Brandenburg, wo es ein gemeinsames Finanzgericht gibt, vermuten einen Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz in Artikel 3 des Grundgesetzes. Sie stören sich etwa daran, dass in Metropolen wie Berlin, Köln oder Dresden einheitliche Mietsätze für das gesamte Stadtgebiet herangezogen werden – egal, ob sich die Wohnung in der Innenstadt oder einer günstigeren Randlage befindet.

Was sagt die Gegenseite?

Finanzverwaltung und Bundesfinanzministerium verteidigen das Bundesmodell, das vom damaligen Finanzminister und späteren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entworfen wurde. „Nach ihrer Auffassung werden durch die einheitlichen Mieten für ein ganzes Stadtgebiet Wohnungseigentümer, die ihre Wohnung vermieten und solche, die sie selbst nutzen, gleich behandelt“, sagt die Gerichtssprecherin. Außerdem vereinfache dieser Ansatz die Verwaltung der Grundsteuer.

Was heißt das für Hauseigentümer?

Welche Auswirkungen eine Entscheidung des Gerichts für Hauseigentümer hat, hängt stark davon ab, ob jemand gegen den Grundsteuerwertbescheid Einspruch eingelegt hat und der Fall noch „offen“ ist oder nicht. Hält der Bundesfinanzhof das Bundesmodell in den nun vorliegenden Fällen für verfassungswidrig, landen sie vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Bis das höchste deutsche Gericht entscheidet, wären die drei Verfahren ausgesetzt, erklärt Kugelmüller-Pugh.

Nicht nur das: „Alle Verfahren, in denen die Steuerpflichtigen gegen den Grundsteuerwertbescheid Einspruch eingelegt haben, würden dann ebenfalls bis zu einer Entscheidung aus Karlsruhe ruhen.“ Allerdings entbindet der Einspruch allein nicht automatisch von der Zahlungspflicht, betont sie. Viele Eigentümer dürften die Grundsteuer wahrscheinlich ohnehin schon bezahlt haben – es sei denn, sie hätten bei ihrem Finanzamt beantragt, die Vollziehung auszusetzen und das Amt hätte dem auch stattgegeben.

Und wenn die Kläger scheitern?

Dann würden die Grundsteuerwertbescheide der Kläger rechtskräftig werden. Sie könnten dann aber noch selbst in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einreichen.

Wie geht es weiter?

Der Bundesfinanzhof rechnet damit, eine Entscheidung voraussichtlich Mitte Dezember zu verkünden. Verbandspräsident Warnecke dämpft aber bereits die Erwartungen: „Eine Rückwirkung entfalten die Entscheidungen von Bundesfinanzhof und Bundesverfassungsgericht in der Regel leider nicht”, sagt er. „Aber es sollte in Zukunft bei der Grundsteuer einfacher, gerechter und nachvollziehbarer zugehen.“

Warum gibt es überhaupt eine neue Grundsteuer?

Die Grundsteuer wurde bis vor einigen Jahren noch mit Daten berechnet, die in Westdeutschland aus dem Jahr 1964, in Ostdeutschland aus dem Jahr 1935 stammten. Seitdem hat sich aber enorm viel getan. 2018 kassierte das Bundesverfassungsgericht die Steuer deshalb ein, weil es eine Ungleichbehandlung sah. 2020 verabschiedete der damalige Bundestag die Reform und seit Anfang 2025 wird die neue Grundsteuer erhoben.

Was hat sich seitdem geändert?

Wer ein Haus besitzt, muss nun den neuen Steuersatz zahlen. Die meisten Eigentümer dürften das sowieso auf dem Schirm haben, aber auch Mieterinnen und Mieter müssen damit rechnen, dass die veränderte Grundsteuer über die Nebenkosten auf sie umgelegt wird.

Wie stark ist der Gegenwind?

Etliche Immobilieneigentümer haben Widerspruch eingelegt. Aktuelle bundesweite Daten gibt es nicht, aber allein im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen sind es gut 1,5 Millionen Einsprüche. Außerdem haben bundesweit 2000 Menschen vor den Finanzgerichten gegen das neue Grundsteuergesetz Klage eingereicht. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Finanzgerichten hervor.