Auf einer privaten Feier bezeichnete der Bundeskanzler den Berliner Kultursenator Joe Chialo als „Feigenblatt“ und „Hofnarr“ der Union.
Fall ChialoOlaf Scholz fordert Respekt, lässt ihn aber selbst vermissen


Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt an der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt teil. Er hat Berlins Kultursenator Chialo beleidigt.
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Der Sturm der Entrüstung, der Bundeskanzler Olaf Scholz in Folge seiner Herabwürdigung des Berliner Kultursenators Joe Chialo trifft, ist auch dem Wahlkampf geschuldet. Aber nicht nur. Die Erfahrung haben viele Menschen im Regierungsviertel mit Scholz gemacht: Er fordert ständig Respekt, lässt diesen aber vermissen, wenn jemand anderer Meinung ist als er.
Was ist passiert? Auf einer privaten Feier hat Scholz in einem Gespräch Chialo als „Feigenblatt“ und „Hofnarr“ der Union bezeichnet. Zehn Tage nach dem Ereignis werden die Umstände bekannt und die Union wirft Scholz Rassismus vor. Chialo selbst hat sich inzwischen geäußert – man weiß also nun, dass ihn die Äußerungen des Kanzlers „tief getroffen“ haben.
Fall Chialo nicht für Wahlkampfzwecke ausschlachten
Herabwürdigend ist die Bezeichnung „Hofnarr“ in jedem Fall. Dass Scholz sie bewusst rassistisch eingesetzt hat, ist abwegig. Dennoch wäre es besser gewesen, wenn Scholz nicht mit juristischen Schritten auf das Bekanntwerden seiner Äußerungen und dessen Interpretation reagiert hätte, sondern mit einer öffentlichen Klarstellung, die auch ein Bedauern seiner Äußerung enthält.
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Grundsätzlich pocht die Union zu Recht auf Sensibilität beim Thema Rassismus. Diejenigen, die sich nun besonders laut empören, wären aber auch gut beraten, ihren Parteifreund Chialo nicht für Wahlkampfzwecke in die Opferrolle zu drängen. Zumal der Berliner Kultursenator nach einem Telefonat mit Scholz selbst sagt, dass er die Angelegenheit als „abgeschlossen“ betrachte.
Überhaupt wäre es angesichts der Verunsicherung in der Bevölkerung über die Funktionsfähigkeit politischer und staatlicher Institutionen hilfreich, wenn im Wahlkampf viel mehr über tragfähige Lösungen für Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Migration und Klima gesprochen würde. Anstatt dass ständig der Verfall der politischen Sitten im Fokus stehen muss.