Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Reaktion auf Merz in WashingtonTrump-Sprecherin gratuliert nur auf Nachfrage – Vance legt Kritik nach

Lesezeit 3 Minuten
Kein Glückwunsch vom Präsidenten: Donald Trump empfing am Dienstag den neuen kanadischen Premierminister Mark Carney. Den neuen deutschen Kanzler erwähnte er mit keinem Wort. . / SIPA USA/

US-Präsident Donald Trump (l.) und sein Vize J.D. Vance reagieren zurückhaltend auf Neukanzler Friedrich Merz. (Archivbild)

Die Trump-Regierung reagiert höchst unterkühlt auf die Regierungsbildung in Berlin. Kanzler Friedrich Merz muss sich auf harte Kritik einstellen.

Die Pressekonferenz lief schon eine gute halbe Stunde, als sich Tammy Bruce, die Sprecherin des amerikanischen Außenministers Marco Rubio, auf Nachfrage doch noch zu einer Bemerkung durchrang: „Wir gratulieren Friedrich Merz zu seiner Wahl zum Bundeskanzler in Deutschland“, sagte Bruce denkbar knapp: „Wir werden weiter mit Deutschland und seiner nächsten Regierung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten und Europas arbeiten.“

Zwei floskelhafte Sätze – das diplomatische Minimalprogramm. Dabei sollte es fast 24 Stunden bleiben. Erst am amerikanischen Mittwochmorgen lieferte Vizepräsident J.D. Vance bei einer Veranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz in Washington einen ähnlich kurzen persönlichen Glückwunsch im Namen seines Chefs nach. Doch gab es weder – wie in solchen Fällen üblich – eine schriftliche Erklärung des Weißen Hauses noch einen Post von Donald Trump zur Regierungsbildung in Berlin. Und als am Dienstag im State Department ein Reporter eine weitere Frage zu Merz stellen wollte, bürstete Bruce ihn ab: „Nein, das ist es für heute. Danke!“

Außenminister Rubio kritisierte „verdeckte Tyrannei”

Die unterkühlte Washingtoner Reaktion auf die Berliner Regierungsbildung ist kein Zufall. Seit den Attacken von Vizepräsident J.D. Vance wegen des angeblichen Demokratiedefizits und der öffentlichen Parteinahme von Regierungsberater Elon Musk für die AfD ist Deutschland zur beliebten Zielscheibe der Trump-Administration geworden. Außenminister Rubio hatte die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz am vorigen Freitag als „verdeckte Tyrannei“ bezeichnet. Vance erklärte in einem Post bei X, die AfD sei die wichtigste Partei in Ostdeutschland. Der Westen habe die Berliner Mauer niedergerissen: „Nun wird sie vom deutschen Establishment wieder aufgebaut.“

Entsprechend heikel ist das erste Telefonat von Merz mit Trump, das nach Angaben der Bundesregierung für Donnerstag geplant ist. „Wir werden offen miteinander reden“, hatte der CDU-Politiker am Dienstagabend im ZDF angekündigt. Zugleich verwahrte er sich gegen „absurde Betrachtungen der Bundesrepublik Deutschland“ und forderte die US-Regierung auf, „die Innenpolitik in Deutschland Innenpolitik sein zu lassen und sich aus parteipolitischen Betrachtungen weitgehend herauszuhalten“.

Deutschland als Punchingball im Zollstreit

Die Wahrscheinlichkeit, dass Trump dieser Bitte nachkommt, ist freilich gering. Schon während seiner ersten Präsidentschaft hatte der Republikaner die Heimat seiner Vorfahren gerne als Punchingball für seine Ausbrüche genutzt. Anlässe der Kritik waren vor allem die niedrigen deutschen Verteidigungsausgaben und der hohe deutsche Überschuss im Handel mit den USA. Den ersten Punkt könnte Merz mit Hinweis auf die aufgestockten Verteidigungsausgaben und die Aufweichung der Schuldengrenze für diese Zwecke zu entkräften versuchen.

Doch Deutschlands Exporterfolg macht das Land zwangsläufig zum wichtigsten Gegner Trumps in seiner derzeitigen Zoll-Offensive. Amerika wolle, dass es von seinen Handelspartnern „fair“ behandelt werde, forderte Vance am Mittwoch. Zugleich warnte er erneut vor einer Beschränkung der freien Meinungsäußerung und setzte hinzu, dies betreffe Europa ebenso wie die USA unter der Biden-Regierung. Die massiven Eingriffe in die Pressefreiheit und die juristische Verfolgung von Kritikern durch Trump erwähnte er nicht.

Auch außerhalb des Regierungslagers hält sich die Euphorie über den neuen Kanzler in Washington in Grenzen. Alle großen Medien verwiesen am Mittwoch auf die zwei Wahlgänge, die der CDU-Politiker bei der Kanzlerkür benötigte. Eine „verletzte und geschwächte Figur“ übernehme die Führung des „schwankenden Establishments“ in Deutschland, schrieb die Nachrichtenseite Politico. Das konservative Wall Street Journal kommentierte, dass eine Mehrheit in Deutschland eigentlich eine rechte Koalition aus CDU/CSU, AfD und FDP wolle, die sich aber wegen der extremistischen Tendenzen der AfD verbiete: Deswegen sei das Land „zu einer instabilen rechts-links-Koalition nach der anderen und zur dauernden Enttäuschung der Wähler“ verdammt.