Abo

Moskau droht Nato mit VernichtungPutin attackiert Europa – und bekommt dank Trump „alles, was er braucht“

6 min
Kremlchef Wladimir Putin bei einem Auftritt in Moskau am Mittwoch. Die Gespräche zwischen dem russischen Präsidenten und einer amerikanischen Delegation endeten in Moskau am Dienstag ohne konkrete Ergebnisse.

Kremlchef Wladimir Putin bei einem Auftritt in Moskau am Mittwoch. Die Gespräche zwischen dem russischen Präsidenten und einer amerikanischen Delegation endeten in Moskau am Dienstag ohne konkrete Ergebnisse. 

Die Gespräche im Kreml enden ohne Ergebnis. Experten sprechen von „Affentheater“. Aus Moskau kommen derweil neue Drohungen. 

Bereits vor den rund fünf Stunden langen Gesprächen zwischen mit einer amerikanischen Delegation machte Kremlchef Wladimir Putin klar: Russland hat kein Interesse an Frieden, solange die Bedingungen des Kremls dabei nicht erfüllt werden. Als Hindernis auf dem Weg zu diesem Ziel stellte Putin am Dienstag die europäischen Staaten dar – und wählte dafür martialische Worte.

Der Kremlchef warf Europa vor, die Gespräche zwischen Russland und den USA mit „absolut inakzeptablen Forderungen“ zu blockieren. Die europäischen Unterstützer der Ukraine hatten sich zuvor auf Änderungen an einem als prorussische aufgefassten ersten Entwurf des amerikanischen „Friedensplans“ eingesetzt.

Wladimir Putin droht Europa: „Dann sind wir dazu sofort bereit“

„Wir haben nicht vor, mit Europa zu kämpfen, das habe ich schon 100 Mal gesagt“, sagte Putin nun gegenüber Reportern in Moskau. „Aber wenn Europa wiederum kämpfen will und damit anfängt, dann sind wir dazu sofort bereit“, warnte der Kremlchef und fügte hinzu: „Wenn Europa plötzlich einen Krieg gegen uns beginnen will, könnte schnell eine Situation entstehen, in der wir niemanden mehr haben, mit dem wir verhandeln können.“

Die auf die Äußerungen Putins folgenden Gespräche mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und Jared Kushner, dem Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, endeten schließlich ohne konkrete Ergebnisse. Zuvor hatte der Kremlchef die beiden Amerikaner Berichten zufolge stundenlang auf den Beginn der Gespräche warten lassen.

Keine Ergebnisse nach Gesprächen im Kreml

Ein zentrales Thema des Treffens im Kreml war die Zukunft der von besetzten Gebiete in der Ukraine, die etwa 19 Prozent des Staatsgebiets ausmachen und auf die Russland Anspruch erhebt, obwohl die russische Armee sie bisher nicht vollständig erobern konnte.

Der an dem Gespräch beteiligte Kreml-Unterhändler Juri Uschakow sagte anschließend vor Journalisten, es gebe in Territorialfragen zwar weiterhin keinen Kompromiss, „einige Vorschläge“ der USA könnten jedoch „diskutiert“ werden. „Einige vorgeschlagene Formulierungen passen uns nicht, und die Arbeit geht weiter“, schränkte Uschakow jedoch ein.

Wladimir Putin beim Treffen mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner im Kreml. (Archivbild)

Wladimir Putin beim Treffen mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner im Kreml. (Archivbild)

Am Mittwoch sagte der hochrangige Berater des Kremlchefs bei einem weiteren Auftritt vor Reportern, dass die Verhandlungen durch „die Erfolge der russischen Armee auf dem Schlachtfeld in den vergangenen Wochen beeinflusst“ worden seien. „Unsere russischen Soldaten haben durch ihre militärischen Leistungen dazu beigetragen, dass die Einschätzungen unserer ausländischen Partner hinsichtlich der Wege zu einer Friedenslösung zutreffender geworden sind.“

Wadephul: „Keinerlei Bereitschaft, seinen Angriffskrieg zu beenden“

Aus Europa gab es am Mittwoch unterdessen eindeutige Reaktionen auf die Worte aus Moskau. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) forderte auf der Plattform X einen „sofortigen Waffenstillstand“. Die internationale Gemeinschaft arbeite unermüdlich daran, eine Waffenruhe zu erreichen, „doch Putin zeigt keinerlei Bereitschaft, seinen Angriffskrieg zu beenden“, führte Wadephul aus. Deutschland sei „entschlossen, den Druck auf Russland weiter zu erhöhen“, hieß es weiter.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, fand unterdessen deutliche Worte für Putin. „Überheblich, überlegen, überrüstet, übergriffig, überlügend, überfallen – Nazi-Russland über alles …“, schrieb Makeiev bei X zu den Äußerungen des Kremlchefs und fügte hinzu: „Putin droht Europa offen mit Krieg. Habt keine Angst! Habt Mut! Handelt!“

Die britische Regierung bezeichnete Putins Aussagen über die Kriegsbereitschaft seines Landes derweil als „noch mehr Kreml-Geschwätz“. Die Rhetorik des Kremlchefs darüber, dass Europa angeblich einen Krieg gegen Russland beginnen wolle, sei „ebenso gefährlich wie falsch“, erklärte ein Regierungssprecher.

Europa reagiert auf Putins Worte: „Wie viele Beweise braucht es noch“

„Wir alle wissen, dass Putin hier der Aggressor ist“, sagte Premierminister Keir Starmer unterdessen im britischen Parlament. Der russische Präsident wolle nicht an den Verhandlungstisch kommen und keine Einigung erzielen. Die Nato sei jedoch stets bereit, auf jegliche Bedrohungen mit Einigkeit und Stärke zu reagieren, hieß es weiter aus London.

„Wie viele Beweise braucht es noch, dass Russland, das einen Krieg mit genozidalen Ausmaßen führt, nicht an Frieden interessiert ist, solange es nicht dazu gezwungen wird?“, schrieb unterdessen der estnische Außenpolitiker Marko Mihkelson bei X. „Stalins – oder Putins – Russland ist grundsätzlich nicht an Frieden interessiert, denn sein Wesen besteht darin, ein grenzenloses Imperium zu sein“, hieß es in einem weiteren Beitrag von Mihkelson.

Auch Russlands Behauptung, es habe zuletzt erhebliche militärische Fortschritte in der Ukraine gemacht, stieß auf Zurückweisung. „Putin verbreitet eine Siegeserzählung, die schlichtweg nicht der Realität entspricht“, kommentierte der estnische Außenminister Margus Thaskna Moskaus Angaben auf der Plattform X. „Russland hat auf dem Schlachtfeld keinerlei strategische Durchbrüche erzielt.“

„Russland kontrolliert immer noch nur 20 Prozent der Ukraine“

Ähnlich äußerte sich der ehemalige Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, Ben Hodges, in dem sozialen Netzwerk. „Der Krieg begann 2014, also vor elf Jahren, und Russland kontrolliert immer noch nur 20 Prozent der Ukraine“, schrieb der ehemalige US-General.

In den USA wird die Kritik am Kurs von US-Präsident Trump derweil schärfer – auch in den eigenen Reihen. Angesichts der „beleidigenden Haltung Putins, der die Kapitulation der Ukraine anstelle eines Waffenstillstands fordert“, bestehe die „einzig realistische Strategie“ nun darin, die Militärhilfe für die Ukraine „massiv auszuweiten und ukrainische Tiefangriffe innerhalb Russlands zu genehmigen“, forderte etwa der Republikaner Newt Gingrich einen Kurswechsel in Washington. Nur so könnten die Kriegskosten für Putin so lange erhöht werden, bis der Kremlchef einem Waffenstillstand zustimme, fügte der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses hinzu.

Donald Trump unter Druck: „Das kann er auf Dauer nicht ignorieren“

Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern sei „längst überfällig“, erklärte auch der republikanische Kongressabgeordnete Don Bacon am Mittwoch und sprach sich zudem für die Verhängung von „harten Sekundärsanktionen“ aus. Nur so könne Putins Kriegswirtschaft geschwächt werden, hieß es auch von Bacon. 

„Trumps Russlandpolitik wird von der Mehrheit der republikanischen Senatoren nicht unterstützt“, ordnete der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger die Kritik am US-Präsidenten ein. „Gewichtige Stimmen sprechen sich gegen Trumps Appeasement aus. Das kann er auf Dauer nicht ignorieren“, erklärte der Professor für Internationale Politik der Universität Köln auf der Plattform X.

Auch bei Russland-Experten wird angesichts des russisch-amerikanischen Aufeinandertreffens scharfe Kritik am Kurs des US-Präsidenten laut. Die Verhandlungen zwischen Moskau und Washington seien ein „schändliches Affentheater“, erklärte etwa der Politik-Analyst Alexander Dubowy. 

„Putin bekommt damit alles, was er braucht“

„Solange diese Gespräche andauern, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit keine Verschärfung der Sanktionen geben und die Unterstützung der Ukraine halbherzig bleiben“, führte Dubowy bei X aus. „Putin bekommt damit alles, was er braucht: die internationale Aufmerksamkeit, das Ausbleiben wirklich unangenehmer Sanktionsschritte und jede Menge Zeit.“

Auch die russische Politikwissenschaftlerin Tatjana Stanovaja zeigte sich „nicht überrascht“ vom Verlauf der Gespräche in Moskau. Eine Einigung sei im Kreml nie als echte Möglichkeit betrachtet worden, erklärte die Gründerin der Analyseplattform R.Politik. „Putin ist weiterhin nicht bereit, von seinen Kernforderungen abzurücken, die er als absolut nicht verhandelbar betrachtet“, führte Stanovaja aus.

Dmitri Medwedew droht mit Zerstörung der Nato

Der Kremlchef wolle mit dem Treffen lediglich Moskaus Position bekräftigen. „Putins Ziel war es daher, dem US-Präsidenten die roten Linien Russlands direkt zu übermitteln“, erklärte die Politikwissenschaftlerin. „Moskaus Kalkül ist einfach“, führte sie aus. Washington solle nun Druck auf die Ukraine ausüben, damit das angegriffene Land die Bedingungen des Kreml „als einzigen gangbaren Weg zum Frieden“ akzeptiert. „Putin wartet nun ab, ob diese direkte Botschaft Trumps Haltung ändern wird“, prognostizierte Stanovaja. 

Russland bekräftigte unterdessen auch am Mittwoch noch einmal seine feindliche Haltung gegenüber dem Westen. „Die Nato ist unser Feind“, schrieb Dmitri Medwedew auf Englisch am Abend bei X. „Es gibt nur einen Weg, mit Feinden umzugehen. Wie Gorki schon sagte: ‚Wenn der Feind nicht kapituliert, wird er vernichtet‘“, fügte der ehemalige russische Präsident und nunmehrige Vizechef des russischen Sicherheitsrates hinzu. (mit dpa/afp)