Um den Wiederaufbau zu stemmen, brauchen die Kommunen Personal. Beispiel Schleiden: Acht Mitarbeiter haben mehr als 1100 Projekte vor der Brust.
Nach der FlutWie der Personalmangel den Wiederaufbau im Kreis Euskirchen hemmt

Die Sanierung von Grundschule und Förderschule ist eines der größten Projekte beim Wiederaufbau in Schleiden.
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Die Rufe der von der Flutkatastrophe 2021 getroffenen Kommunen nach Unterstützung werden immer lauter. Den Städten und Gemeinden fehlt schlicht Personal, um parallel die normale Verwaltungsarbeit und den Wiederaufbau zu stemmen. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Schleiden, wo laut Bürgermeister Ingo Pfennings acht Mitarbeiter aktuell mehr als 1100 Baumaßnahmen vor der Brust haben. „Die Aufgabe ist für die Bauabteilung so nicht mehr lösbar“, klagt Pfennings.
„Mir war aufgefallen, dass wir gefühlt extrem viele Baustellen im Stadtgebiet haben und trotzdem nicht so richtig vorankommen“, sagt Pfennings. Deshalb wollte er zur besseren Übersicht für Politik und Verwaltung eine Gesamtliste aller Baumaßnahmen erstellen lassen. Beim Zusammentragen der Daten wurde die Misere deutlich: Die Bauabteilung in Schleiden habe aktuell mehr als 1130 Projekte auf ihrer To-do-Liste stehen. Pfennings: „Da die Liste wegen der Masse an Vorhaben viel zu unübersichtlich geworden wäre, haben wir gar keine zusammengestellt.“
Wiederaufbauplan für Schleiden hat ein Volumen von 227 Millionen Euro
Allein 466 Baumaßnahmen umfasst der Wiederaufbauplan der Stadt. Darunter sind auch Großprojekte wie beispielsweise die Sanierung des Schulzentrums. Hinzu kommen der Bau und die Sanierung von Erschließungsstraßen, Instandsetzungen von Gebäuden und vieles mehr. „In drei Jahren haben wir im Rahmen des Wiederaufbaus 40 Millionen Euro verbaut. Das ist eine Riesenleistung“, so Pfennings. Doch wenn man berücksichtige, dass der Wiederaufbauplan ein Gesamtvolumen von derzeit 227 Millionen Euro habe, könne man ausrechnen, wie lange es noch dauere, bis alle Projekte abgearbeitet seien.
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Als Hauptproblem sieht er das fehlende Personal: „Von den zehn Vollzeitstellen im Bauamt sind aktuell nur acht besetzt.“ Zusätzliche Mitarbeiter zu finden, sei schwierig bis unmöglich: „Wir haben kürzlich zwei freie Stellen für Tiefbautechniker ausgeschrieben und nicht eine einzige Bewerbung bekommen.“ Die Kommunen dürften zwar Ingenieurbüros und Projektsteuerer hinzuziehen, aber auch die müssten begleitet und angeleitet werden. Ferner müssten die Maßnahmen stets durch den Bauherren überwacht und abgerechnet werden.
Kommunen fordern Übernahme der Personalkosten durch das Land NRW
Es führe also kein Weg daran vorbei, dass der Bereich Tiefbau massiv verstärkt werden müsse. „Der Rat muss entscheiden, welchen Weg man einschlägt, um das Problem zu lösen“, so der Bürgermeister. Wenn es keine Förderung des Landes gebe, müsse die Stadt zusätzliches Geld in die Hand nehmen. Da seien die Möglichkeiten aber angesichts klammer Kassen sehr eingeschränkt.
Deshalb hofft Pfennings, dass das Land Nordrhein-Westfalen in die Bresche springt und beim Wiederaufbau auch Personalkosten übernimmt, was bisher wegen der Regelungen der Wiederaufbauhilfe nicht möglich ist. Dafür müsste also die Förderrichtlinie geändert werden. Alternativ könnten die kommunalen Personalkosten über die einzelnen Maßnahmen oder die Projektsteuerungskosten abgerechnet werden. „Der Bürger kann nicht verstehen, dass sich der Wiederaufbau verzögert, weil nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht.“
Eifeler hoffen auf Hilfe von Ministerin Ina Scharrenbach
In Bad Neuenahr-Ahrweiler ist man einen anderen Weg gegangen. Dort hat man eine Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft als 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadt gegründet. 60 Mitarbeiter kümmern sich um die Planung, Projektsteuerung und Koordinierung der Wiederaufbaumaßnahmen.
Für Schleiden sei das aber keine Lösung: „Wie sollen wir so eine GmbH personell ausstatten, wenn wir so schon große Probleme haben, neue Mitarbeiter zu finden?“
Die Kommunen hätten zwar nach der Flut Einmalzahlungen für Personalkosten erhalten: „Die reichen aber nicht aus. Zumindest die Kosten für die Mitarbeiter, die zu 100 Prozent für den Wiederaufbau eingesetzt werden, sollten vom Land übernommen werden.“ In den vergangenen Monaten hat der Schleidener Bürgermeister bei zahlreichen Gesprächspartnern im Land für diese Lösung geworben: „Ich hoffe, dass wir Bewegung in das Thema reinkriegen.“
Staatssekretär Daniel Sieveke vom NRW-Heimatministerium, der Pfennings vor gut einer Woche Förderbescheide über weitere 25 Millionen Euro für den Wiederaufbau und den Hochwasserschutz überbrachte, kennt die Problematik. Er will darüber mit Ministerin Ina Scharrenbach sprechen.
Beratung zum Wiederaufbau
Während der Kreis Euskirchen weiter Beratungen zur Unterstützung beim Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe 2021 anbietet, hat das Diakonische Werk Euskirchen seine Sprechstunden Ende August eingestellt. Der Caritasverband schließt sein Flutberatungsbüro in Euskirchen zum Jahresende, wie die Kreisverwaltung Euskirchen weiter mitteilt.
Die Antragsberaterinnen und -berater des Kreises sind in Euskirchen zu folgenden Zeiten im Einsatz: Montag von 13.30 bis 16.30 Uhr, Dienstag von 13.30 bis 18.30 Uhr, Mittwoch und Donnerstag von 13.30 bis 16.30 Uhr, Freitag von 8.30 bis 17 Uhr. In Schleiden finden Beratungen nach Bedarf statt. Termine für den Standort Euskirchen lassen sich über das Buchungsportal auf der Homepage des Kreises buchen, Termine für beide Standorte unter Tel. 0 22 51/15 88 50.
Die Zahl der Beratungen des Kreises summierte sich bis Ende August auf 10.300. In diesem Jahr waren es bis zu diesem Zeitpunkt in Euskirchen 597, in Schleiden 50.