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HandwerkAn das Schoko-Fondue mit Herbert Reul erinnert sich ein Kirchheimer Dachdecker gerne

Lesezeit 6 Minuten
André Büschkes lehnt gegen eine Ausstellungswand in seinem Betrieb.

Im eigenen Betrieb wird André Büschkes mit den Problemen konfrontiert, die ihn auch als Verbandsfunktionär beschäftigen.

20 Jahre lang war der Kirchheimer Dachdecker André Büschkes Vizepräsident des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks.

Ihm sei die Kinnlade runtergefallen. Da habe tatsächlich der Präsident angerufen und ihn gefragt, ob er nicht einer seiner drei Stellvertreter werden wolle. „Ich war 29 und Vorsitzender der Jungmeister“, staunt André Büschkes auch mehr 20 Jahre danach noch, als habe das Telefonat gerade erst eben stattgefunden.

Heute ist Büschkes 50. Zwei Jahrzehnte als Vizepräsident des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) liegen nun hinter ihm. Vor kurzem hat er das Amt abgegeben.

Mit Mitte 20 war André Büschkes in der Euskirchener CDU aktiv

Für 16 Landesverbände mit 200 Innungen und rund 7000 Betriebe bundesweit war er aktiv. War viel unterwegs in Deutschland. Warum hat er das alles auf sich genommen? Der eigene Betrieb mit derzeit acht Beschäftigten plus zwei Azubis dürfte den Tag doch allein ausfüllen. „Die Frage ist berechtigt“, sagt Büschkes: „Aber ich bin immer schon ein Ehrenamtler gewesen.“

Mit Mitte 20 mischte er im Euskirchener Stadtrat mit, war Stadtparteivize der CDU, JU-Chef in Euskirchen. Mit dem heutigen Kreisfraktionsvize Günter Weber gründete er damals die CDU-Mittelstandsvereinigung im Kreis. „Ich finde Kneipen und Gaststätten sehr gemütlich. Was mich nur stört, ist die Klugscheißerei an der Theke. Nach dem Motto: Die Politik müsste mal, oder die Innung müsste mal …“

Andrè Büschkes am Rednerpult.

Beim Abschied auf der Bundesversammlung des ZVDH zog Andrè Büschkes eine positive Bilanz seiner 20-jährigen Tätigkeit.

Und darum machte er mal. Er ließ Kommunalpolitik sein, um sich auf die Interessensvertretung seiner Berufsgruppe zu fokussieren. Da saß er nun in Gremien, in denen man landläufig eher in Ehren ergraute Herren vermutet, die den Hammer längst schon an den Nagel gehängt haben.

„Das ist sicher die Regel, stimmt schon“, bestätigt Büschkes: „Mein Ansatz war aber: Ich muss mich an den Entscheidungen messen, die ich im Ehrenamt mitbeschlossen habe. Wenn ich vor Ort mit Kunden über ein neues Dach, Velux-Fenster oder die Dachbegrünung rede, sehe ich, wo die Befindlichkeiten sind. Oder, wenn Kunden Probleme mit den Förderanträgen haben.“

Zuhause bekam er auch hautnah mit, wie schlecht die früheren Regelungen für die Wintermonate waren. „Jeder kennt den Begriff Schlechtwettergeld“, erläutert Büschkes. Der Verband habe dann in Berlin das Saison-Kurzarbeitergeld erkämpft. „Das war politisch sehr schwierig“, erinnert sich der 50-Jährige: „Da haben wir Dachdecker uns massiv in den Ausschüssen des Bundestags eingesetzt.“ Es habe sich aber gelohnt. Herausgekommen sei die aus seiner Sicht „beste Regelung, die wir je hatten“.

Ich finde Kneipen und Gaststätten sehr gemütlich. Was mich nur stört, ist die Klugscheißerei an der Theke.
André Büschkes

Zuvor hätten viele Dachdeckerbetriebe ihre Mitarbeiter vor dem Winter um des wirtschaftlichen Überlebens willen schlicht rausschmeißen müssen, um sie im Frühjahr dann wieder einzustellen. Viele seien in Hartz IV gelandet, weil sie nicht mehr durchgehende Arbeitsmonate vorweisen konnten.

Mit dem Saison-Kurzarbeitergeld seien diese Kündigungswellen Geschichte. Für die Monate Dezember, Januar, Februar, und März übernehme nun die Agentur für Arbeit die Sozialversicherungsbeiträge.

Als es darum ging, war Büschkes auch schon mal häufiger in Berlin, ansonsten liest sich sein Tätigkeitsbericht über die zwei Jahrzehnte nicht wie eine Auflistung prominenter Gesprächspartner.

Mit Klara Geywitz über das Kinderbaugeld gesprochen

Ein Abendessen mit dem damaligen EU-Parlamentarier Herbert Reul (CDU) in Brüssel sei ihm unvergessen – „Der war super vorbereitet und das Schokoladenfondue war auch spitze“ – oder kürzlich ein Zehn-Minuten-Plausch mit Bauministerin Klara Geywitz (SPD) über das Baukindergeld fallen ihm da spontan ein.

Aber Kanzler oder Minister reden in der Regel nicht mit dem Dachdeckerhandwerk, sondern mit dem Gesamthandwerk oder dem Bau, so Büschkes: „Deshalb sind wir in Berlin gut vernetzt im Bauverband, dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe, und im Zentralverband des Deutschen Handwerks.“

Dafür seien die 30 Hauptamtlichen des Zentralverbandes, der seine Bundesgeschäftsstelle in Köln hat, ständig in Berlin und Brüssel unterwegs. Zu seinen Aufgaben gehörte die Kontaktpflege zu den Landesverbänden, Innungen und Betrieben.

Der Dachdecker-Verband muss um seine Mitglieder kämpfen

Zum einen, weil der ZVDH kein Pflichtverband ist und die angehörigen Betriebsleitungen durch Dienstleistungen und Beratungen, vom Nutzen ihrer Mitgliedschaft überzeugt werden müssen. Zum anderen, weil der Vorstand alle drei Jahre gewählt wird – und sich deren Mitglieder in einer Art des ständigen Wahlkampfs befänden.

„Der Versuch, einen Ehrenamts-Wochentag einzurichten, war zum Scheitern verurteilt“, sagt Büschkes. E-Mails, Anfragen und spontane Probleme richten sich nun mal nicht nach solchen Zeitplänen.

Aufs Jahr gesehen, war er etwa einen Tag in der Woche unterwegs, manchmal auch mehr: „Den Freiraum, zwei oder drei Tage nicht im Betrieb zu sein, die Baustellen vorher vorzubereiten und dann, wenn man zurückkommt, den Schreibtisch wieder voll zu haben und nachzubereiten, das muss man wollen.“ Da seien seine Mitarbeiter ein echtes Pfund, stellt Büschkes fest: „Wenn ich unterwegs war, haben sie mich komplett in Ruhe gelassen.“

Dem Dachdeckerhandwerk ein modernes Image verpasst

Dann weiß er, dass sich auch um die zwei Azubis gekümmert wird. Auch sie zeigen Büschkes, wie Theorie im Verband auf Praxis im Betrieb trifft. „Wir haben seit längerem steigende Zahlen an Lehrlingen im Dachdeckerhandwerk, zuletzt wieder fünf Prozent mehr als im Vorjahr“, erklärt der Kirchheimer.

Damit sei das Dachdeckerhandwerk längst nicht aller Probleme des Fachkräftemangels ledig, doch im Vergleich zu anderen Branchen könne sich das sehen lassen. Nicht zuletzt habe das Vorstandsteam das Image der Branche verbessert – etwa in der Positionierung als modernes Klimahandwerk.

Der Versuch, einen Ehrenamts-Wochentag einzurichten, war zum Scheitern verurteilt.
André Büschkes

Einer seiner Beschäftigten gehe aber bald in Rente, mit 64 Jahren und sechs Monaten, spricht Büschkes ein weiteres Thema an, das ihn sowohl als Chef als auch als Vizepräsident beschäftigt habe: die Rente. „Er hat nur deswegen keine Abzüge, weil er 50 Jahre gearbeitet hat“, beschreibt Büschkes das Problem.

Immer wieder diene der Dachdecker, den man kaum noch bis 67 aufs Dach schicken könne, in der Rentendebatte als Rollenmodell für körperlich verschleißende Berufe, die in höheren Alter nicht mehr zu bewältigen sind. Eine Lösung sei indes noch nicht gefunden worden, obwohl allgemein bekannt sei, dass Knie, Rücken, Schulter und Hüfte nach jahrzehntelanger Belastung nicht mehr mitmachten.

„Hingegen gibt es bei uns nicht so viele psychische Erkrankungen“, sagt Büschkes. Das sei aber auch nicht verwunderlich. „Wir haben zurzeit eine Baustelle in der Euskirchener Neustraße. Am Abend kann man dann von dort oben die Sonne hinter den Kirchen untergehen sehen und man sieht vor sich, was man heute alles geschafft hat. Das ist schon toll“, schwärmt Büschkes, um fast schon entschuldigend hinzuzufügen: „Ich will jetzt aber auch nicht alles verklären.“

Aber eine leise Ahnung davon, warum er als Vizepräsident im Dachverband auch für den Bereich „Öffentlichkeitsarbeit“ zuständig war, bekommt man da schon.


Rückkehr in die Euskirchener Politik schließt André Büschkes nicht aus

Mit großem Engagement und Fachwissen habe André Büschkes die Interessen des Dachdeckerhandwerks auf höchster Ebene vertreten und die Entwicklung der Branche aktiv mitgestaltet, vor allem in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, heißt es in einer Mitteilung der Dachdecker-Innung Euskirchen.

„Jetzt wird sich Büschkes verstärkt auf seine Aufgaben im Vorstand der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) konzentrieren sowie seinen eigenen Betrieb weiterentwickeln.“ Diesem Gremium gehört Büschkes seit 2013 und ist im vergangenen Jahr für weitere sechs Jahre gewählt worden. Er betreut dort den Bereich Arbeitsschutz. „Mir wird also nicht langweilig“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung.

Sein politisches Engagement habe er auch nicht ganz aufgegeben,   im Ausschuss für Wirtschaftsförderung und Liegenschaften ist er als sachkundiger Bürger tätig. Ob er sein politisches Engagement wieder verstärkt aufnimmt, könne er derzeit noch nicht sagen.