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Interview Silke Ratte„Wir bleiben dabei: An Schulen darf nicht gespart werden“

6 min
Silke Ratte

Silke Ratte ist Vorsitzender der Stadtschulpflegschaft

In Zeiten knapper Kassen müssen Eltern sich besser organisieren und auch selbst einbringen, damit die Bildung nicht auf der Strecke bleibt, sagt Elternvertreterin Silke Ratte im Interview

Frau Ratte, die Stadtschulpflegschaft hat sich im Juni 2024 gegründet, zwei Monate später kam die Nachricht von dem desaströsen Haushaltsloch in Leverkusen. Ein Start zur Unzeit?

Silke Ratte: Nein, gar nicht, das hat uns einen Pusch gegeben. In dem Sinne, dass wir gesagt haben: Gut, dass es uns jetzt gibt, später hätte es nicht sein dürfen. Und dann haben wir das natürlich genutzt, um uns zusammenzutun und an die Politik heranzutreten, mit der klaren Aussage: An den Schulen darf nicht gespart werden.

Diese Aussage kam aus mehreren Richtungen, letztendlich einigte sich im Bildungsausschuss aber auf den Bürgerantrag, den Sie im Namen der Elternschaft gestellt haben und auch in der Beschlussfassung im Stadtrat fand er sich wieder.

Ja, ich habe den Eindruck gehabt, dass der Begriff Eltern in der Stadtratssitzung häufiger gefallen ist, als sonst jemals. Da hatte man schon das Gefühl: Das ist angekommen. Das ist ein schöner Erfolg. Aber das Thema Schulsanierung und Schulbauten hatten wir uns schon als unser Hauptthema ausgesucht, bevor sich das Haushaltsloch aufgetan hat.

Warum?

Das war für uns Eltern schon immer ein großes Thema. Man braucht kein Haushaltsloch, um zu sehen: Wir bekommen Wände nicht gestrichen oder Toiletten nicht saniert und Bauten, die erst gar nicht gemacht werden: siehe Hugo-Kükelhaus-Schule. Von daher war es ohnehin Zeit, sich zusammenzutun und zu sagen: Da muss was gemacht werden.

Und wie geht es jetzt weiter mit den Schulbauten?

Das ist eine gute Frage. Ich habe gerade den Oberbürgermeister und die Ratsfraktionen angeschrieben und sie mal an ihre Beschlüsse vom Juli erinnert. Da stand drin, dass die Verwaltung bis nach den Sommerferien ein Finanzierungskonzept für die Schulbauten vorlegen sollen. Ich will auch wissen, ob der Beschluss, eine Schulbaugesellschaft zu gründen, noch Bestand hat oder wie er umgesetzt wird. Mein Anspruch ist schon, sich nicht auf den Beschlüssen auszuruhen, sondern dranzubleiben. Ich denke jetzt mal groß: Ich fände einen Schulgipfel nicht verkehrt. Mit Politik, Verwaltung, Eltern und Schulleitungen, um mal zu gucken: Was geht eigentlich noch oder wo kann man vielleicht kreative alternative Wege finden, um etwas umzusetzen. Wo können Eltern vielleicht selbst aktiv werden? Also nicht immer nur zu sagen: Oh Gott, es ist kein Geld mehr da, wir können nichts mehr machen. Sondern: Was ist da und was können wir damit machen?

Was halten Sie von einer Schulbaugesellschaft?

Ich finde es gut, das zu testen und zu gucken, ob es so schneller und besser geht und dann später zu sagen: Ok, das ist der Weg, den wir gehen. Man muss es zumindest mal ausprobieren. Wir haben ja das ganz aktuelle Beispiel am Erprobungszentrum am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, der Schule meiner Kinder. Wenn ich dann sehe, wie viel besser viele Bauten laufen, wenn sie an einen Generalunternehmer vergeben sind und die Stadt nicht hinter jedem Gewerk einzeln hinterherrennen muss, dann sage ich: Dann müsste man mal über das Vergaberecht nachdenken oder mutiger sein in der Vergabe an Generalunternehmer.

Die Baustelle am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium liegt weit hinter dem Zeitplan

Die Baustelle am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium liegt weit hinter dem Zeitplan

Welche Themen beschäftigen die Eltern von Schulkindern in der Stadt noch?

Wir haben eine Prioritätenliste: Das erste ist Schulbau/Sanierung. Das zweite ist Schulwegsicherung: Gerade die Opladener Eltern berichten, dass sie Angst haben, ihre Kinder mit dem Rad zur Schule zu schicken. Das dritte Thema ist die Berufsorientierung. Schüler müssen wissen: Welche Unternehmen gibt es hier und wo kann ich mein Pflichtpraktikum absolvieren und später vielleicht sogar eine Ausbildung machen. Aber es kommen natürlich immer auch weitere Themen auf, wie die Digitalisierung und die Medienkompetenz, Gewalt an Schulen und Vandalismus. Wichtig ist für uns auch der Schulform übergreifende Austausch, das ist schon ein Wert an sich.

Das Werner-Heisenberg-Gymnasium hat kürzlich Hüllen angeschafft, in denen die Handys der Schülerinnen und Schüler während der Schulzeit weggeschlossen werden.

Auch das diskutieren wir in der Stadtschulpflegschaft, auch mit durchaus verschiedenen Meinungen. Wichtig ist, dass jede Schule das gemeinsam mit Schulleitung und Lehrerkollegium, den Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern für sich entscheiden muss. Meine persönliche Meinung lautet, dass wir nicht unbedingt mehr Verbote brauchen: Jedoch müssen die Regeln, die wir aufgesetzt haben, umgesetzt werden. An der Schule, an der ich Pflegschaftsvorsitzende bin, gibt es diese Regeln schon lange und ich habe den Eindruck, das funktioniert auch gut. Das Handy ist verboten, mit ganz bestimmten Ausnahmen zum Beispiel für den Einsatz im Unterricht oder die Oberstufe. Ich finde es schwierig, den Kindern das Digitale zu verwehren, das sie sicher in ihrem Berufsleben brauchen werden.

Ich glaube, es würde Kinder von dem Zwang entlasten, ständig auf das Handy gucken zu wollen – oder zu müssen aus Angst, etwas zu verpassen. Wenn einfach klar ist: Das ist jetzt nicht zugänglich.

Natürlich: Nur weil man im Unterricht nicht auf das Handy gucken darf, heißt es nicht, dass es nicht doch passiert. Ich bin gespannt auf die Erfahrungswerte am WHG, die Diskussion läuft im Moment ja an vielen Schulen. Auf jeden Fall finde ich es gut, dass das Land nur vorschreibt, dass es Regeln zur Handynutzung geben soll. Wie die aussehen, sollte jede Schule für sich bestimmen können. Ein Argument dabei ist auch die sinnvolle Nutzung. Zum Beispiel haben wir es gerade geschafft, eine Azubi-App in Leverkusen an den Start zu bringen. Ich fände es wichtig, dass diese dann auch im Unterricht eingesetzt werden kann, wenn es um die Berufsorientierung geht.

Für diese App haben Sie sich auch sehr eingesetzt, warum?

Zum einen arbeite ich in der Wirtschaftsförderung und sehe, dass Unternehmen große Probleme haben, Fachkräfte oder auch Auszubildende zu bekommen. Auf der anderen Seite sprechen mich viele Eltern darauf an, dass ihre Kinder einfach keine Praktika finden. Sie wissen gar nicht, welche Firmen Schülerpraktika anbieten, aber es gibt viele, die das sogar sehr engagiert machen. Aber die kennt man nicht unbedingt.

Und dann landet man am Ende im Unternehmen von Mama, Papa, Tante oder Onkel.

Genau. Ein Praktikum soll dafür da sein, herauszufinden: Was will ich mal machen? Dafür muss man aber auch wissen: Was gibt es denn und wo kann ich den Beruf mal kennenlernen? Und dann gibt es ja auch Kinder, die in diesem Orientierungsprozess nicht so viel Unterstützung von zu Hause bekommen, aus welchen Gründen auch immer. Letztendlich hoffe ich auch, dass die Plattform verhindert, dass 15- oder 16-Jährige schon frustriert werden, weil sie nur Absagen oder gar keine Antworten bekommen. Das ist ja auch kein schöner Start in die Berufswelt.

Zum Ende haben Sie einen Wunsch zum neuen Jahr frei!

Der erste Wunsch ist natürlich, dass es bei dem Versprechen bleibt, dass man bei Schulen nicht spart. Und dann wünsche ich mir, dass die Stadt mit den Schulleitungen und uns Eltern frühzeitig ins Gespräch geht. Ich glaube, es braucht insgesamt ein stärkeres Miteinander über politische Richtungen hinweg und auch mit der Verwaltung. Ein Gegeneinander ist in diesen Zeiten nicht gut, und schon gar nicht für die Bildung! Wir müssen vor allem in kritischen Punkten mehr dazu übergehen, als ganze Stadtgesellschaft zusammenzuarbeiten.


Zur Person: Silke Ratte ist 55 Jahre, verheiratet, und hat zwei Kinder im Alter von 19 und 17 Jahren. Die Diplom-Geographin mit Zusatzausbildung zur PR-Beraterin arbeitet seit 2007 als Prokuristin der Rheinisch-Bergischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft, zuvor war sie für das Standortmarketing bei der Wirtschaftsförderung Leverkusen aktiv. Sie ist Vorsitzende der Schulpflegschaft am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium und der 2024 gegründeten Stadtschulpflegschaft.