Die Kämmerei gibt Aufschluss, aus welchen Branchen über die Jahre wie viel Gewerbesteuer floss. Die Senkung des Hebesatzes hat zwar mehr Unternehmen angelockt, aber viele zahlen nichts.
Zahlen der KämmereiLeverkusens Finanzkatastrophe wurde im Chempark ausgelöst

Aus dem Chempark floss voriges Jahr laut Kämmerei nicht mal eine Million Euro Gewerbesteuer. 2022 waren es noch knapp 132 Millionen.
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Woher kommt der finanzielle Kollaps der Stadt? In ihrem jüngsten Bericht nennt die Kämmerei weitere Details der katastrophalen Lage. Sie zeigt aber auch, dass es wohl gar nicht so schlecht ist, im Sommer immer noch keinen Haushaltsplan zu haben: Insgesamt umfasst das vorläufige und zuletzt vom Stadtrat wegen Mängeln vertagte Budget für 2025 knapp 245 Millionen Euro. Davon seien indes bisher nur knapp 37,5 Millionen abgeflossen, also gut 15 Prozent.
Das heißt aber nicht, dass die Stadt kein Geld ausgibt: Ihre laufenden Ausgaben bestreitet sie mit Überziehungskrediten. Und die sind explosionsartig angeschwollen, weisen „weiterhin eine sehr bedenkliche Entwicklung auf“, heißt es im Statusbericht der Kämmerei. Am 20. Juni lag der Kreditrahmen bei gut 890 Millionen Euro, vor einem Jahr waren es knapp 567 Millionen. Und mit jedem Monatsende steigen die Schulden weiter kräftig an: Gehälter fließen, Sozialleistungen müssen ausgezahlt werden. Bis zum Jahresende dürfte die Kreditaufnahme gut eine Milliarde Euro betragen. Eine Horrorzahl, an sich die meisten Politiker nicht herantrauen: 950 Millionen Euro waren das letzte Angebot an die Kämmerei.
300 Millionen Defizit allein 2024
Auch die Zahlen für 2024, dem Jahr eins der neuen Leverkusener Haushaltsnot, lesen sich einigermaßen gruselig: Obwohl im Spätsommer eine Haushaltssperre verhängt wurde, wird unterm Strich ein Defizit von rund 300 Millionen Euro stehen, so die Prognose aus dem Finanzressort im Rathaus. Das bedeutet: Leverkusens Eigenkapital wird auf rund 30 Millionen Euro schrumpfen. Und im Laufe dieses Jahres komplett aufgezehrt.
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Hinter dem Desaster steht der immense Einbruch des Gewerbesteueraufkommens im vorigen Jahr. Kalkuliert wurde mit 385 Millionen Euro. Damit wäre 2024 ein Rekordjahr für Leverkusen gewesen, wie auch die Vergleichszahlen für die Jahre 2022 und 2023 zeigen: 2022 rechnete die Kämmerei mit 145 Millionen, 2023 mit 200 Millionen Euro. Der entscheidende Unterschied: 2022 und 2023 lag das tatsächliche Steueraufkommen deutlich über den Annahmen. 2022 nahm die Stadt mit gut 245 gut 50 Millionen mehr ein, 2023 waren es mit 236 immer noch 36 Millionen über Plan. Die Katastrophe von 2024 wird in den Diagrammen der Kämmerei augenscheinlich: Statt 385 flossen und 93,5 Millionen Euro an Gewerbesteuer.
Auch dieses Jahr fließt nicht sehr viel Gewerbesteuer
Und auch 2025 wird es nicht gut ausgehen, obwohl die Stadt mit nicht einmal halb so hohen Zahlungen kalkuliert: Dass die 180 Millionen wirklich fließen, ist keineswegs sicher, zeigt der jüngste Bericht des inzwischen nicht mehr dienstfähigen Kämmerers Michael Molitor: Derzeit seien zwar Sollstellungen von rund 177,5 Millionen Euro erfasst. Ihnen „aktuell aber auch Abgänge in Höhe von circa 64,4 Millionen Euro gegenüber“. Das liegt daran, dass Gewerbesteuern auch wieder zurückfließen, wenn die Kalkulationen von Unternehmen nicht aufgegangen sind. Tatsächlich sind, so Molitor, bisher also nur 113,1 Millionen Euro geflossen. Das entspreche einer Quote von knapp 63 Prozent gegenüber dem Ansatz.
Wo Leverkusens Finanzkatastrophe ausgelöst wurde, zeigt der Controllingbericht der Stadt deutlich: im Chempark. 2022 flossen von dort noch rekordverdächtige, knappe 132 Millionen Euro Gewerbesteuer in die Stadtkasse. 2023 waren es nur noch knapp 20 und im Jahr 2024 nicht mal mehr eine Million Euro. Im laufenden Jahr haben Bayer, Covestro, Kronos-Titan, Lanxess und Co. bisher knapp 1,3 Millionen Euro überwiesen.
700 neue Firmen, aber genau so viele Steuerzahler
Zum andauernden Streit darüber, ob sich die 2020 erfolgte Wandlung Leverkusens zum Steuerparadies für Unternehmen mit einem Hebesatz von 250 statt vorher 475 Prozentpunkten ausgezahlt hat, stellt die Kämmerei lediglich fest, dass die Zahl der Unternehmen gestiegen ist: 2020 waren rund 7800 Firmen gemeldet, zuletzt waren es rund 8500. Den größten Zuwachs gab es 2024. Die Zahl der Unternehmen, die auch tatsächlich Gewerbesteuer abgeführt haben, hat sich dagegen nicht geändert: 2020 waren ziemlich genau 7000, jetzt auch. Die meisten Neuanmeldungen – nämlich gut 300 – gab es im Bereich der Verwaltung und Führung von Firmen und der Unternehmensberatung. Aus dem Grundstücks- und Wohnungswesen kamen zwischen 2019 – also dem letzten „teuren“ Jahr – und 2025 laut städtischer Statistik 145 Firmen hinzu. Dem stehen erhebliche Abgänge zum Beispiel aus dem Groß- und Einzelhandel und der Gastronomie gegenüber, in Summe 331 Firmen. Das zeigt sich auch bei der Gewerbesteuer,
Was die Steuerzahlungen betrifft, haben Unternehmensverwaltung und -beratung zuletzt zugelegt: Aus diesem Bereich flossen in diesem Jahr bisher gut sieben Millionen Euro. Aus der Gastronomie floss mit rund 834.000 Euro nicht mal halb so viel Gewerbesteuer wie im Vor-Corona-Jahr 2019. Der Rückgang im Handel fällt trotz der vielen Geschäftsschließungen dagegen moderat aus: 2019 zahlten die Unternehmen dieser Branche knapp 5,9 Millionen Euro Gewerbesteuer, in diesem Jahr dürften es viereinhalb Millionen sein.