In Schlebusch stellt Axplora, auf dem Gelände der ehemaligen Dynamit Nobel AG, als Vertragshersteller Wirkstoffe für die pharmazeutische Industrie her. Ein Rundgang.
Dynamit Nobel-WerkAuf Alfred Nobels Kopfsteinpflaster bei Axplora in Schlebusch unterwegs

Die Axplora-Produktionsanlagen, bis 2005 Dynamit Nobel, liegen mitten Wald von Schlebusch - hier ein Luftbild von 2022.
Copyright: Ralf Krieger
Der Eingang zu dem Bunker wirkt für den Laien unnötig kompliziert. Und für das kleine Gebäude irgendwie sehr breit. Schon nach wenigen Metern in dem Betongebäude knickt er nach links ab. Wiederum wenige Meter weiter geht es im rechten Winkel nach rechts. Und eigentümlicherweise erscheint genau diese Stelle hell beleuchtet, obwohl kein Fenster zu sehen ist und elektrische Beleuchtung fehlt.
„Die Sonnenstrahlen fallen durch ein Oberlicht in der Decke ein“, erläutert Guido Wüllner. Wüllner ist Werksleiter des Axplora-Werks in Schlebusch, den Leverkusenerinnen und Leverkusenern besser bekannt unter dem Namen Dynamit Nobel. Er führt eine Besuchergruppe des Bergischen Geschichtsvereins über das weitläufige Gelände. Einige aus der Gruppe treten neugierig in das alte Bunkergebäude, in dem explosive Stoffe hergestellt wurden. „Aber bitte nicht weiter hineingehen“, sagt Wüllner, der um die Sicherheit der teilweise betagten Teilnehmer der Führung besorgt ist. Betreten verboten. Fotografieren auch, auf dem gesamten Werksgelände.

Der Eingang zum Axplora-Werk an der Kalkstraße
Copyright: Peter seidel
„Hier sieht man, wie solche Bunker konzipiert waren. Im Fall einer Explosion sollte die Druckwelle – denn die ist es ja, die Menschen gefährdet – nicht unkontrolliert entweichen, sondern gelenkt aus dem Gebäude kommen, um keine Personen außerhalb des Sicherheitsbereichs zu gefährden“, so Wüllner. Und möglichst beim Austritt aus dem Bunker schon abgemildert sein. Dem dient auch das Oberlicht. Denn das wäre bei einer Explosion weggesprengt worden, ein Teil der Druckwelle also schadlos nach oben entwichen. Die restliche Druckwelle sollte durch die Kurven und Biegungen im Bunker bereits abgemildert werden – und eben nur an der geplanten Stelle aus dem Gebäude treten. Bei kritischen Arbeiten hielten sich aber auch keine Mitarbeiter in den Bunkern auf.
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Nische als lebensrettende Schutzecke
Direkt neben dem Eingang ist links in der Betonwand eine von einer massiven Säule gestützte Nische, Platz genug für vielleicht zwei Mann. Wüllner schlüpft hinein, um zu zeigen, dass diese Nische im Explosionsfall, die lebensrettende Schutzecke sein würde. Oben auf dem Dach des Bunkers ist eine dicke Erdschicht mit kräftigem Bewuchs. Auch die dient dazu, bei einer Explosion die Druckwelle aufzufangen. Sie erfüllt aber noch einen zweiten Zweck: Sie verhindert, dass abgesprengte Gebäudeteile umherfliegen.
Solche aufgelassenen Bunkerstrukturen sieht man immer wieder auf dem 80 Hektar großen Werksgelände oder besser: Man kann sie beim Gang über das Gelände erahnen. Axplora in Schlebusch hat zwar insgesamt immerhin ein Sechstel der Chempark-Fläche, aber deutlich weniger als die Hälfte der 80 Hektar wird nach Wüllners Angaben heute noch vom Unternehmen genutzt. Der Rest ist vor allem: Wald. Die alten Gebäude liegen versteckt in teilweise komplett abgesperrtem Waldgelände. Durch die Bäume hindurch kann man mitunter einen Rauchabzug oder eine Mauer erkennen.
Überhaupt begegnet dem Besucher auf dem Weg über das Werksgelände immer wieder viel Geschichte. Etwa wenige Meter vom Verwaltungsgebäude am Eingang entfernt ein Stück Kopfsteinpflasterweg, über das schon Alfred Nobel bei seinem Werksbesuch 1873 gegangen sein soll. Vor mehr als 150 Jahren übernahm der schwedische Sprengstoff-Pionier das zwei Jahre zuvor gegründete Werk und machte es nach einem Hamburger Werk zu seinem zweiten Produktionsstandort für Dynamit im damaligen Deutschen Reich. Dynamit, das im Ruhrkohlebergbau reichlich gebraucht wurde.
Rechts neben dem Weg liegt ein kleines Gebäude, aus Backstein. „Das war früher die Schreinerei“, so Wüllner. Er weist ein Stück voraus auf ein baumbestandenes Grundstück: „Und da war der Pferdestall.“ Auch Hinweisschilder an Gebäuden erzählen von der langen Geschichte des Werks. An einer Kreuzung steht ein Wegweiser, der auf den Sprengöl-Betrieb hinweist. Was denn Sprengöl sei, will ein Teilnehmer der Tour wissen. Sprengöl, erläutert Wüllner, ist der alte Name für Nitroglycerin.

Der westliche Gleisanschluss des Axplora-Werks an der Hauptstrecke Haan-Gruiten-Köln-Deutz. Die Strecke ist Teil der südlichen Hauptachse des Schienenpersonenfern- und -nahverkehrs zwischen Wuppertal und Köln. Im Werk liegen noch viele Schienen ungenutzt.
Copyright: Ralf Krieger
Nitroglycerin wiederum gehört zu den Stoffen, die heute noch auf dem Axplora-Gelände produziert werden. Wettersprengstoffe für die Bergbauindustrie werden hingegen seit 1999 in Schlebusch nicht mehr hergestellt. Der letzte Kesselwaggon mit den für die Herstellung als Grundsubstanz in großer Menge nötigen Schwefelsäure-/Salpetersäure-Mischung fuhr in dem Jahr auf den weitläufig im Gelände verlegten Gleisen ins Werk. Die Schlebuscher sahen zwar nichts davon, dass diese Produktion beendet war. Aber sie hörten es. Oder besser: Sie hörten es nicht mehr, denn die im Ort gut zu vernehmenden wöchentlichen Testsprengungen des Produktes blieben irgendwann aus. Die Betriebserlaubnis für die Bahnanlagen besteht weiterhin, aber zwischen den Schwellen wachsen junge Bäume, die Schienen sind von Pflanzen überwuchert.

Die Besuchergruppe an der Büste von Alfred Nobel, ganz links Werksleiter Guido Wüllner, dritter von rechts Reinhold Braun vom Bergischen Geschichtsverein.
Copyright: Peter Seidel
Zum Abschluss der einstündigen Führung gibt’s für die 15-köpfige Gruppe noch ein Erinnerungsfoto an der Büste von Alfred Nobel, die vor dem Werkstor auf dem Rasen steht. Reinhold Braun, Vorsitzender der Abteilung Leverkusen-Niederwupper im Bergischen Geschichtsverein, bedankt sich bei Werksleiter Wüllner. Denn er weiß, dass Axplora nur wenige Besucher auf das Gelände lässt. Führungen wie für den Bergischen Geschichtsverein sind die absolute Ausnahme.
Weltmarktführer Axplora
Axplora nennt sich selbst einen Weltmarktführer in der Azid-Chemie. Azide sind Salze und organische Verbindungen der Stickstoffwasserstoffsäure. Das Werk in Schlebusch ist ein reiner Auftragsproduzent. Es stellt für große Pharmakonzerne, Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, aber auch Spezialchemie-Unternehmen die aktiven pharmazeutischen Bestandteile ihrer Produkte her und beliefert sie damit. Auf der Unternehmens-Webseite heißt es, der Standort sei „Axploras Exzellenzcenter für Gefahrstoffchemie“. Etwa 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Werk, zusätzlich 25 bis 30 Auszubildende, die etwa als Chemikanten, Chemielaboranten oder als Industriekaufleute ausgebildet werden. Am 24. Oktober 2024 kam es zu einem Großbrand im Werk, ausgelöst in einer Produktionsanlage für Feinchemikalien. Verletzt wurde dabei zum Glück niemand. Axplora gehört der Beteiligungsgesellschaft Bridgepoint, die sich auf mittelständische Unternehmen spezialisiert hat.