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Schwierige KanzlerwahlLeverkusener Reaktionen zwischen Entsetzen und Beschwichtigung

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Im zweiten Wahlgang hat es geklappt: Friedrich Merz ist neuer deutscher Bundeskanzler.

Im zweiten Wahlgang hat es geklappt: Friedrich Merz ist neuer deutscher Bundeskanzler.

Als erster Bundeskanzler Deutschlands benötigte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz zwei Wahlgänge, bevor er gewählt war.

Die Erleichterung über den geglückten zweiten Wahlgang, bei dem Friedrich Merz zum Kanzler gewählt wurde, ist dem Bundestagsabgeordneten und Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Nachmittag deutlich anzuhören. „Ich habe das heute Morgen als eine richtige manifeste Krise empfunden“, sagt Lauterbach, im Bundestag sei der Kontrollverlust zu spüren gewesen. „Ich hätte mir vor Monaten nicht vorstellen können, dass ich mich mal so freue, wenn Friedrich Merz zum Kanzler gewählt wird“, resümiert er den geglückten zweiten Kanzler-Wahlgang am Nachmittag. Am Mittwoch, 7. Mai, muss der Gesundheitsminister sein Ministerium an die Nachfolgerin übergeben – geordnet und konstruktiv soll der Übergang gestaltet werden. Lauterbach hat immer betont, dass er gerne Gesundheitsminister geblieben wäre.

Karl Lauterbach.

Karl Lauterbach.

Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) hat mit mahnenden Worten auf die im ersten Wahlgang gescheiterte Wahl des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zum Bundeskanzler reagiert. „Wer wenige Tage nachdem die AfD durch den Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde, ein Scheitern der Regierungsbildung in Kauf nimmt, muss damit rechnen, auch nationalistischen Kräften Platz zu machen“, so Richrath in einer Stellungnahme auf Anfrage des „Leverkusener Anzeiger“. „Das zu verhindern, ist jetzt Aufgabe aller demokratischer Parteien. Als Oberbürgermeister einer Großstadt mit internationaler Bevölkerung kann ich nur eindringlich davor warnen, freiheitliches und tolerantes Handeln und Denken aufs Spiel zu setzten.“ Der gescheiterte Wahlgang bedeute „Unsicherheit für unser Land“. Deutschland brauche aber eine „stabile Regierung, die schnell handlungsfähig“ sei.

Uwe Richrath.

Uwe Richrath.

Der SPD-Unterbezirksvorsitzende Darius Ganjani zeigte sich sehr überrascht über das Geschehen in Berlin. Er schob die Verantwortung für die fehlende Mehrheit im ersten Wahlgang aber der Union zu. „Das Problem lag darin, dass die CDU so spalterisch aufgetreten ist“, so Ganjani. Diejenigen, die nicht für Merz gestimmt hätten, ob SPD- oder Unions-Abgeordnete, hätten eine Gewissensentscheidung getroffen, so der SPD-Parteichef in der Stadt, der auf den Grundsatz der freien Ausübung des Mandats hinwies. Er glaube auch nicht, dass durch das Geschehen die AfD profitiere. Die Hypothek für die Koalition aus SPD und CDU/CSU komme vielmehr dadurch, dass es bei der Union eine Annäherung an die rechtsextreme Partei gegeben habe.

Stefan Hebbel.

Stefan Hebbel.

Die scheidende SPD-Fraktionsvorsitzende Milanie Kreutz äußerte sich hingegen „schockiert“. „18 Mandatsträgerinnen und Mandatsträger müssen sich jetzt fragen, ob sie richtig gehandelt haben – meine Antwort ist: Nein!“, sagte Kreutz dieser Zeitung. „Wegen diesen Leuten hält das ganze Land den Atem an. Ich weiß nicht, wie man in dieser Zeit einen solch schweren Fehler machen kann.“ Auch für die Kommunen hänge total viel davon ab, dass die Koalition arbeiten könne. „Menschen spüren das Vertrauen in die Politik vor allem dort, wo sie ihnen im Alltag begegnet – bei uns in den Kommunen. Wenn uns vor Ort an Klarheit, Ressourcen oder Rückhalt fehlte, dann fehlt es auch der gesamten Demokratie an Fundament“, so die SPD-Politikerin.

Im zweiten Wahlgang ging dann am Nachmittag in Berlin Richraths Wunsch in Erfüllung. Er hatte den Abgeordneten „einen festen Willen und den Mut, einer neuen starken Koalition aus CDU und SPD den Weg zu öffnen“ gewünscht. Merz wurde mit 325 Stimmen von Union und SPD zum 10. deutschen Bundeskanzler gewählt.

Rüdiger Scholz, der CDU-Kreisverbandsvorsitzende, wirkte hörbar erleichtert nach dem zweiten Wahlgang, bei dem Friedrich Merz mit 325 zu 328 Stimmen zum Kanzler gewählt worden war. „Nie hat ein Kanzler alle Stimmen gehabt, nicht einmal Helmut Kohl hat alle Stimmen bekommen.“ Jetzt sei das doch ein klares Ergebnis. Wenn Scholz zum Debakel der verfehlten ersten Wahl am Morgen nur sagt: „Das hätte nicht sein müssen“, könnte es sein, dass der CDU-Landtagsabgeordnete professionellen Optimismus hervorkehrt. Es sei müßig, darüber nachzudenken, wer die Abweichler gewesen seien, sagt Scholz. Ab sofort müsse jetzt einfach vernünftig regiert werden und Konflikte nicht nach außen getragen werden, dann sei der verpatzte Beginn in einer Woche vergessen.

Deutlich wird Stefan Hebbel, CDU-Fraktionsvorsitzender: „Ich finde das verantwortungslos gegenüber der Bundesrepublik Deutschland.“ Auch parteiintern habe es Kritik am Koalitionsvertrag gegeben, aber man habe sich hingesetzt, verhandelt und sei zu einem Ergebnis gekommen. „Dass da Leute so ein Zeichen setzen wollten, finde ich absolut enttäuschend.“ Das sei schlecht für den neuen Kanzler, aber auch für die gesamte neue Regierung. „Ich erwarte von Politikern, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind.“