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WahlnachleseWie Leverkusens Stadtrat jetzt dasteht

6 min
Kommunalwahl. Bild: Ralf Krieger

Begeisterung sieht anders aus: Uwe Richrath und SPD-Kollegen.

Die vielen CDU-Direktmandate schmälern den AfD-Erfolg. Das Gewicht verschiebt sich in der Realität nicht nach rechts. Aber es wird teurer.

Ab 20 Uhr hatte die CDU in den Feiermodus geschaltet. Am Sonntagabend wurde zunächst Stefan Hebbel beklatscht und bejubelt, weil er fünf Prozent Vorsprung auf den amtierenden Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) erreicht hatte. Das könnte ein Vorteil sein für die Stichwahl in knapp zwei Wochen. Danach galt der Jubel auf der christdemokratischen Seite des Leverkusener Ratssaals den Parteifreunden, die ihren Wahlkreis gewonnen hatten. Das waren viele. 

Die CDU-Erfolge schmälerten auch den der AfD: Wegen der vielen Direktmandate wird Leverkusens Stadtrat so groß wie nie. Und mit jeden Sitz mehr verringert sich das relative Gewicht der elf Mandate, mit denen die Rechtspopulisten in künftigen Stadtrat vertreten sein werden. Bisher sind es drei, das hat gerade für den Fraktionsstatus gereicht.

Bei der SPD herrschte Enttäuschung vor. Statt zwölf schaffte die Partei des amtierenden OBs nur noch vier Direktmandate. Auch Spitzenkandidat Dirk Loeb konnte sich in seinem Wahlkreis nicht durchsetzen, der designierte Fraktionschef zieht über die Reserveliste ein. Der junge Parteivorsitzende Darius Ganjani schafft es überhaupt nicht in den Rat. Die Wahl ist für ihn aber nicht nur wegen des eigenen Abschneidens eine „persönliche Enttäuschung“. Der Stimmanteil der Sozialdemokraten sank erneut auf nur noch 21,5 Prozent, fast vier weniger als 2020. Die Vergrößerung des Rats macht aber aus Verlierern Gewinner: Die SPD hat künftig nicht mehr 13, sondern 16 Sitze. Und die Grünen, mit minus 7,3 Prozent die großen Verlierer dieser Stadtratswahl, müssen nur ein Mandat abgeben. Bleiben also acht.

Unterm Strich ist es künftig viel einfacher, eine Ratsmehrheit zu organisieren, solange die CDU mitmacht: Sie und die SPD kommen gemeinsam auf 38 Sitze. Das reicht schon. Und es enthebt in der Konsequenz die beiden verblieben Bewerber um das Amt des Oberbürgermeisters der heiklen Mission, auf die Wähler des Rechtsextremen einzugehen oder die AfD an sich. Stefan Hebbel will keine Gespräche führen, Uwe Richrath auch nicht. 

Der große Rat

22 Direktmandate errang die CDU, die SPD vier. Den weiteren Parteien stehen Plätze analog ihrer Stimmanzahl zu, alleine elf für die AfD, die kein Direktmandat erhalten hat. Das hat Folgen: Der Rat wächst von 52 auf 72 Mitglieder. Für die muss die Stadtverwaltung Platz schaffen.

Das wird sich auch finanziell niederschlagen. Zwar hat der Stadtrat im Rahmen des Haushaltssicherungskonzeptes bereits die Kürzung der Pauschalen zur Finanzierung der Fraktionen, Gruppen und Einzelvertreter beschlossen – mit der geplanten Einsparung wird es allerdings nichts werden. Ab drei Mitgliedern bildet eine Partei im Stadtrat eine Fraktion, dafür bekommt sie einen Sockelbetrag von 60.000 Euro (bislang: 64.500 Euro) plus 9000 Euro (zuvor 9360 Euro) pro weiterem Mitglied (ab dem vierten). Im neuen Stadtrat erreichen nur sechs statt bisher sieben Parteien die Fraktionsgröße, das spart etwas Geld ein. Durch die 20 zusätzlichen Sitze wird es unter dem Strich dennoch teurer für die Stadt, nach Berechnung unserer Redaktion um rund 70.000 Euro pro Jahr. Dazu kommt die Aufwandsentschädigung der Ratsmitglieder. Die liegt bei 525 Euro pro Monat. 20 zusätzlich Sitze schlagen damit im Jahr mit 126.000 Euro zu Buche.

Alleine diese beiden Posten summieren sich somit auf rund 200.000 Euro pro Jahr – oder eine Million für die Legislatur von fünf Jahren.

Personelle Folgen

Durch die vielen Direktmandate der CDU zieht kein Parteimitglied über die Liste ein. Das hat Folgen für den CDU-Landtagsabgeordneten und Parteivorsitzenden Rüdiger Scholz, der seit 1999 im Leverkusener Rat sitzt. Scholz erreichte in seinem Wahlkreis Rheindorf-Mitte mit 27,4 Prozent nicht das Direktmandat, das holte Ali Asrout von der SPD mit 31,7 Prozent. Bis das Ergebnis der Stichwahl am 28. September feststeht, muss er jetzt um seinen Sitz bangen. Als Kreisvorsitzender steht Scholz (hinter Hebbel) auf Listenplatz zwei und hat damit noch eine Chance auf einen Sitz im Stadtrat. Nämlich, wenn Stefan Hebbel die Stichwahl gewinnt. Als Oberbürgermeister wäre der automatisch Mitglied des Stadtrats. Da Hebbel sein Direktmandat gewonnen hat, kann Scholz auf diesen Platz nachrücken.

Kommunalwahl 2025. Bild: Ralf Krieger

Rüdiger Scholz (Bildmitte) muss noch um sein Ratsmandat bangen.

Falls Uwe Richrath die Oberbürgermeister-Stichwahl gewinnt, wird er Ratsmitglied. Falls er verliert, kommt er nicht in den Rat: Er steht weder auf der SPD-Liste, noch trat er in einem Wahlkreis direkt an.

Der Opladener Rechtsextremist Markus Beisicht (Aufbruch Leverkusen) wird dem kommenden Stadtrat nicht mehr angehören. Beisicht scheiterte trotz eines intensiven Wahlkampfs im Netz, auch mit einer Jugendzeitung, und auf der Straße: Nur 405 Wählerinnen und Wähler machten beim Aufbruch ihr Kreuzchen – das reichte nicht für einen Einzug in den Rat. Beisicht war aufgrund eines Hinweises vom Verfassungsschutz nicht als Oberbürgermeisterkandidat zur Wahl zugelassen worden, für den Stadtrat konnte er aber kandidieren. Zum Vergleich: Bei der Wahl 2020 hatte der Aufbruch noch fast 900 Stimmen bekommen. Nun also ein Minus von über 50 Prozent.

Einer der Gründe für den Stimmenverlust Beisichts könnte seine Kehrtwende bei seinem früher konsequent antimuslimischen Kurs zugunsten einer Zusammenarbeit mit Islamisten sein: Traditionell rechtsextreme Wähler dürfte das abgeschreckt haben, zudem finden Wähler des extrem rechten Spektrums eine Heimat bei der AfD. Eine wissenschaftliche Analyse zu Wählerwanderungen gibt es nicht.

Rechtsextremer in der Opferrolle

Auf Beisichts ansonsten viel bespielten Kanälen in den sozialen Medien herrscht am Tag nach der Wahl Stille. Auf seiner Webseite nimmt er eine Opferrolle ein, er sei ausgegrenzt worden. Der Anwalt, der sich auch rühmte, gute Kontakte ins russische Konsulat zu pflegen, kündigt an, dass der Aufbruch die Oberbürgermeister-Wahl juristisch anfechten will, an der er wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue nicht teilnehmen durfte. Seine ehemalige Mitstreiterin beim Leverkusener Aufbruch, Susanne Kutzner, sitzt jetzt für die AfD im Leverkusener Rat. Ein weiterer politischer Wegbegleiter Beisichts ist in der Leverkusener AfD aktiv: Markus Wiener ist Leverkusener Fraktionsgeschäftsführer.

Zum Vergleich: eine andere Kleingruppe, die Klimaliste mit Benedikt Rees errang mit nur 646 Stimmen erneut einen Sitz im neuen Rat. Auch Rees musste Federn lassen: 2020 kam er erstmals mit 909 Stimmen in den Rat. Eine naheliegende Erklärung für dessen Verluste ist der erstmalige Antritt der Partei Volt (1632 Stimmen), die ähnliche Ziele wie Rees verfolgen.

Kommunalwahl. Bild: Ralf Krieger

Sam Kofi Nyantakyi (Bildmitte)

Die Gruppierung LGG mit dem Integrationsrats-Vorsitzenden Sam Kofi Nyantakyi und dem ehemaligen SPD-Mitglied Jannis Goudoulakis, die sich zur Kommunalwahl aus migrantisch geprägten Gruppen heraus gebildet hatte, konnte mit nur 550 Stimmen kein Ratsmandat erringen.

Kommunalwahl. Bild: Ralf Krieger

Markus Pott (rechts)

Opladen Plus verliert mit Markus Pott seine Führungsfigur im kommenden Rat. Der hatte sich offenbar darauf verlassen, das Direktmandat in seinem Wahlkreis Opladen-Südost zu gewinnen, denn er stand auf einem aussichtslosen Listenplatz. Sein Konkurrent Georgiou Menelaos (CDU) bekam genau eine Stimme mehr als Pott und holte damit den Wahlkreis.

Die Stichwahl

Weil keiner der Bewerber um das Oberbürgermeisteramt mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten hat, treten die beiden Erstplatzierten Stefan Hebbel (CDU) und Uwe Richrath (SPD) am 28. September in einer Stichwahl an. Dort gewinnt, wer die meisten Stimmen auf sich vereint, unabhängig von der Wahlbeteiligung und der Höhe.

Wählen können nur diejenigen Wahlberechtigten, die am 14. September wahlberechtigt waren. Eine neue Wahlbenachrichtigung wird nicht versandt. Wer die Briefwahl zur Hauptwahl beantragt hatte, erhält die Briefwahlunterlagen für die Stichwahl automatisch (sofern dies bei Beantragung entsprechend angekreuzt wurde).

Die Wahllokale bleiben die gleichen wie zur Hauptwahl. Die persönliche Wahlbenachrichtigung ist erneut gültig, alternativ reicht auch ein Personalausweis.