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PogromnachtNümbrecht erinnert an Opfer des Nationalsozialismus

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Das Foto zeigt Teilnehmer einer Gedenkfeier anlässlich der Reichspogromnacht.

Bei der Gedenkfeier spricht Birgit Ludwig Weber (r.)  vor dem ehemaligen Wohnort der Familie Eugen Goldbach.

Am 9. November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen. In Nümbrecht nahmen jetzt über 150 Menschen an einer Gedenkfeier teil.

Am Sonntagabend trafen sich mehr als 150 Menschen am jüdischen Friedhof in Nümbrecht zur Gedenkfeier anlässlich des 87. Jahrestages der Reichspogromnacht am 9. November 1938. Organisiert hatte die Veranstaltung unter dem Motto „Gegen das Vergessen und zur Mahnung!“ die Gemeinde Nümbrecht, die Freundeskreise Nümbrecht-Mateh Yehuda und Wiehl-Jokneam und die Oberbergische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

„Vor 87 Jahren brannten in ganz Deutschland die Synagogen“, sagte Bürgermeister Thomas Hellbusch. Die Nümbrechter Synagoge sei schon vorher zerstört worden, doch markiere die Reichspogromnacht den Übergang von der Diskriminierung zur offenen, brutalen Gewalt und war der Auftakt zum Holocaust: „Das Leid der jüdischen Mitbürger, ihre Vertreibung und Ermordung sind Teil der Geschichte Nümbrechts – eine Geschichte, die wir nicht verdrängen dürfen.“

Schülerinnen setzen sich mit dem Thema auseinander

Vier Schülerinnen und Schüler des Waldbröler Hollenberg-Gymnasiums hatten sich genau damit auseinandergesetzt. Sie betonten, dass es bei der Erinnerung daran nicht um Schuldgefühle gehe, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen: „Wer die Vergangenheit vergisst, verliert das Gespür für Unrecht in der Gegenwart.“ Bei Hass, Hetze und Rassismus sei Wegsehen die falsche Entscheidung: „Demokratie ist keine neutrale Sache – sie muss geschützt werden.“

Als Gastrednerin sprach Sylvia Löhrmann, NRW-Beauftragte für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur. Sie bedauerte, dass sich Antisemitismus zunehmend offener und hemmungsloser zeige und berichtete von einem jüdischen Schüler, der sich nicht traue, mit der Kippa auf die Straße zu gehen. Dagegen finde sie es ermutigend, dass sich mittlerweile viele für das Thema Aufarbeitung engagieren. Sie lobte, dass sich Nümbrecht intensiv mit Erinnerungskultur beschäftige.

Ex-Ministerin Sylvia Löhrmann als Rednerin

Nach einem Psalmvortrag von Judith Dürr-Steinhart, Vorsitzende des Freundeskreises Wiehl-Yokneam, las Marion Reinecke, Vorsitzende des Freundeskreises Nümbrecht-Mateh Yehuda, gemeinsam mit Michael Baer, einem Großneffen des ehemaligen Nümbrechter Juden Leo Baer, das jüdische Gebet „Kaddisch“, sie auf Deutsch, er auf Hebräisch. Baer war für die Gedenkfeier aus Arizona angereist. Nach der Kranzniederlegung vermittelte der CJZ-Vorsitzende Frank Bohlscheid den Impuls eines Professors, in dem dieser den sprachlichen Wechsel von „Reichskristallnacht“ zu „Reichspogromnacht“ kritisch hinterfragt und äußert: „Wir müssen die Kristallnacht wieder fühlen, riechen und schmecken lernen, damit die Erinnerung plastisch bleibt.“

Bereits am Samstag hatte die Nümbrechter Frauen-Initiative „Frieda“, die sich für ein friedliches Miteinander einsetzt, einen Friedensmarsch zu den in Nümbrecht verlegten Stolpersteinen organisiert. Zu Beginn erinnerte Bürgermeister Thomas Hellbusch an den ehemaligen Nümbrechter Leo Baer, der 2016 in Amerika gestorben ist: „Er hat sein ganzes Leben nach Nümbrecht geschaut und Frieden gelebt.“

Michael Baer hatte auch an dem Friedensmarsch teilgenommen: „Antisemitismus gibt es sowohl auf der linken wie auf der rechten Seite der Gesellschaft – umso wichtiger ist das Gedenken an das damalige Geschehen.“ Der Friedenszug machte an fünf Stationen halt, wo die jüdischen Familien gelebt hatten. Schülerinnen des Homburgischen Gymnasiums legten an jeder Station eine weiße Rose ab und rezitierten ein Gedicht.

Birgit Ludwig-Weber, Betreuerin des Gemeindearchivs, nannte jeweils die Namen der zugehörigen Familienmitglieder und schilderte deren Geschichte, die sie in Kooperation mit Frederik Grundmeier, Sammlungsdokumentator im Freilichtmuseum Lindlar, erarbeitet hatte. Michael Baer bekannte bei der letzten Station, dem Gedenkstein am Dorfplatz, dass es sehr berührend gewesen sei, all diese Orte zu sehen: „All I can say is: Dankeschön.“