Um das neue System mal auszuprobieren, ist unsere Zeitung zu Fahrer Henner Rippel ins Fahrzeug gestiegen. Es ging von Wies in die Stadtmitte.
NahverkehrIn Waldbröl rollt der Bürgerbus auf Bestellung – und das kommt bestens an

Rosemarie Hilgers aus Rossenbach nutzt in Waldbröl den Bürgerbus nahezu täglich. Jede Fahrt bestellt die 80-Jährige vorab per Telefon.
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Eine Katze schleicht über den Asphalt, drei Krähen machen Rabatz, Vögel zwitschern, ganz selten zischt an diesem Vormittag ein Auto durch den Waldbröler Weiler Wies. 10.12 Uhr ist es, drei Minuten vor der bestellten Zeit schwenkt der Bürgerbus aus dem Hufener Bachtal ein in Richtung der Wartebank am Ortsschild. Wer in der Marktstadt etwas abseits wohnt, zum Beispiel in Wies, der kann den Bus rufen – zur passenden Zeit, an nahezu jeden Ort. Seit dem 4. August nämlich rollen die beiden weißen Fahrzeuge nur noch auf Bestellung. Fahrpläne mit festen Zeiten gibt es nicht mehr, die Linien sind ebenso Geschichte.
Am Steuer sitzt an diesem Morgen Henner Rippel, an Bord ist Rosemarie Hilgers. Und Frau Hilgers weiß, wie's geht: „Einmal in der Woche rufe ich beim Bürgerbusverein an und buche alle Fahrten auf einmal – ich fahre fast täglich mit dem Bus“, verrät die 80-Jährige. Gerade kommt sie von der Kreissparkasse und hat dort etwas erledigt. Jetzt bringt Rippel sie nach Rossenbach, dort ist die Seniorin zu Hause. Rosemarie Hilgers ist Stammkundin und nutzt jede Tour auch für einen gemütlichen Plausch.

Henner Rippel sitzt von Beginn an am Lenkrad des Waldbröler Bürgerbusses. Das neue Bestellsystem gefällt dem ehrenamtlich tätigen Fahrer richtig gut.
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Buchen lässt sich der Bus per Anruf oder über eine Internetseite, eine App fürs Smartphone gibt es derzeit noch nicht. Die Online-Anwendung ist leicht zu bedienen: Man wählt den Abholort und die Endstation, tippt die gewünschten Zeiten – und das System zeigt an, ob die Fahrt möglich ist oder nicht. Lässt sich die Bestellung nicht umsetzen, schlägt das Programm prompt eine Alternative vor.
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„Unser Ziel ist es, dass jeder die Stadtmitte von Waldbröl bequem erreichen kann“, erklärt Michael Jaeger, Vorsitzender des Trägervereins. Die 60 alten Haltestellen sind nicht abgebaut worden, sie dienen auch weiterhin als Anfahrtstellen. Hinzugekommen aber sind rund 150 virtuelle Haltestellen. „Kein Fahrgast muss mehr als 350 Meter laufen, um einen Haltepunkt zu erreichen“, betont Michael Jaeger.
Die günstigsten Routen durch Waldbröl errechnet blitzschnell ein Computer in Braunschweig
Routen gibt der Computer vor: Auf einem Tablet sieht Fahrer Rippel, wohin er muss und wann er da erwartet wird. Die Daten der Touren und zudem die GPS-Koordinaten des Busses flitzen zu einem Großrechner in Braunschweig, blitzschnell werden sie dort sortiert – nach Zeit und Strecke, die kürzeste hat immer Vorfahrt. Das funktioniert auch, wenn eine Fahrt kurzfristig reinkommt – spätestens eine Stunde vor der gewünschten Abholzeit muss die Buchung abgeschickt sein.
Wer lieber langfristig plant, der kann den Bus eine Woche im voraus ordern – das neue System kommt an. Zwar liegen Zahlen aus dem Startmonat noch nicht vor. „Aber schon heute ist klar, dass sie sich an manchen Tagen vervierfacht haben“, sagt Vereinschef Jaeger. Vor allem junge Leute nutzten nun den Bürgerbus, weil der so flexibel geworden ist. Für Jaeger steht längst fest: „Eine Rückkehr zum alten Linienverkehr mit festen Fahrzeiten gibt es für uns nicht.“
Auch der ehrenamtliche Steuermann Rippel (76), früher Berufssoldat, später Nato-Beamter und seit 2013 in Waldbröl Bürgerbusfahrer der ersten Stunde, ist begeistert: „Wir haben keine Leerfahrten mehr. Und haben wir damals zwischen 180 und 200 Kilometer am Tag zurückgelegt, so sind es heute im Durchschnitt nur noch 60.“ Das spare Sprit, belaste weniger die Umwelt und führe zu weniger Verschleiß am Fahrzeug.

Neben den festen Haltestellen, wie hier in der Waldbröler Ortschaft Wies, steuert der Bürgerbus auch rund 150 virtuelle Haltestellen an. Denn kein Fahrgast soll mehr als 150 Meter laufen bis zu seiner Fahrt.
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Mit Schülerfahrten von Escherhof zur Grundschule am Wiedenhof kurz nach sieben hat sein Tag begonnen. Jetzt hat der Wilkenrother den Elektronikmarkt am Raabeweg erreicht, zwischen den Geschäften dort hat der Bus einen festen Platz: „Die Einkaufsfahrten sind deutlich mehr geworden“, hat Rippel beobachtet.
Nach dem Kauf eines Mobiltelefons möchte Friedrich-Wilhelm (63, den Nachnamen will er nicht verraten) zur Wald-Apotheke in der Stadtmitte gebracht werden. „Mit dem neuen Handy bestelle ich ab sofort den Bus, das funktioniert super“, lobt er den Bestellservice, er nutze den Bürgerbus ebenfalls sehr oft. „Vor allem für Einkäufe, auf immer denselben Strecken.“
Langeweile am Lenkrad kommt in dieser Schicht nicht auf: Die Fahrten sind dicht getaktet, Henner Rippels Pausen knapp, die Wartezeiten kurz. Unfreiwillig durchschnaufen kann er an der Talstraße: Eine sechsköpfige Gruppe taucht nicht auf. „Kommt leider vor“, bedauert er und freut sich auf die nächste Fahrt mit Rosemarie Hilgers: „Auf die ist Verlass.“
Bestellt werden kann der Bürgerbus jederzeit per Internet oder in der Woche zwischen 9 und 12 Uhr unter 0175/1 16 66 04. Der Bus fährt von Montag bis Freitag, jeweils von 8 bis 17 Uhr.