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Empörte LehrerStreit um die Zukunft der Musikschule Wipperfürth

Lesezeit 4 Minuten
Das Archivfoto zeigt Big Stuff, die Big Band der Musikschule Wipperfürth.

Big Stuff, die Big Band der Musikschule Wipperfürth.

Es geht um Stellen, ihre Bezahlung und die Zukunft der städtischen Musikschule Wipperfürth. Die Verwaltung und viele Lehrkräfte der Schule liegen im Streit.  

An der Musikschule Wipperfürth herrscht dicke Luft. Viele Lehrkräfte, bislang als Honorarkräfte beschäftigt, fordern von der Stadt eine sozialversicherungspflichtige Festanstellung. Hintergrund ist das sogenannte „Herrenberg-Urteil“ des Bundessozialgerichts, das einer Beschäftigung von Honorarkräften enge Grenzen setzt (wir berichteten).

Eine Festanstellung bedeutet für die Stadt jährliche Mehrkosten von rund 400.000 Euro. Für 2025 ist die Summe bereits im Haushalt eingestellt. Aktuell prüft die Stadt, wie sich das Urteil umsetzen lässt und überlegt, ob die städtische Schule in eine gemeinnützige Gesellschaft (gGmbH) umgewandelt werden kann. Viele Lehrkräfte sind empört und befürchten schlechtere Arbeitsverhältnisse.

Der Förderverein wurde ausgeladen

Am 3. April tagte im Rathaus der Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung zur Musikschule. Teilnehmer waren Bürgermeisterin Anne Loth, Kämmerer Jens Groll, Fachbereichsleiter Marius Marondel, Vertreter der Ratsfraktionen und Musikschulleiter Thomas Fahlenbock. Vertreter des Musikschul-Fördervereins wurden kurzfristig ausgeladen.

Fahlenbock erläuterte die Zahlen und Finanzen. Aufgrund der vielen Schüler – nicht wenige kommen aus angrenzenden Kommunen – und der Kooperation mit mehreren Schulen steht die Musikschule wirtschaftlich sehr gut da. 70 Prozent der Personal- und Sachkosten werden durch die Unterrichtsentgelte abgedeckt, 20 Prozent steuert die Stadt bei, die restlichen zehn Prozent teilen sich das Land NRW und der Förderverein.

Musikschule kann gute Zahlen vorlegen

Wipperfürth gehört, wie die meisten städtischen Musikschulen, dem Verband deutscher Musikschulen (VdM) an. Zum Vergleich deren Zahlen aus NRW: Im Durchschnitt decken die Unterrichtsentgelte nur 35 Prozent der Kosten ab, die Kommunen tragen fast 50 Prozent. Dennoch sind viele VdM-Musikschulen auf Festanstellungen umgeschwenkt.

Die Wipperfürther Musikschule möchte ihr Kooperationsnetz weiter ausbauen, etwa mit Schulen in Marienheide. Auch das würde nur mit festangestellten Lehrern funktionieren. Die Verwaltung will jetzt eine zweijährige Übergangszeit nutzen, um „die Qualität der Musikschulen zu erhalten und vertrauensbildende Maßnahmen zur Personalsicherung zu ergreifen“ – so hatte es der Ausschuss für Sport, Freizeit und Kultur auf Vorschlag der SPD im Februar einstimmig beschlossen.

Ist eine gGmbH eine Lösung?

Eine Übergangslösung mit dem Ziel, die Dozenten bis Ende 2026 in eine Festanstellung zu überführen, ist nur möglich, wenn beide Seiten zustimmen. „Wir werden jetzt mit 13 oder 14 Dozenten solche Gespräche führen“, sagte Marondel. Die Stadt sei am Erhalt der Musikschule interessiert, sie stehe nicht zur Disposition. Aber die Haushaltslage sei schwierig, zumal es sich bei den Ausgaben für die Musikschule um eine freiwillige Leistung handele.

Kämmerer Jens Groll präsentierte Überlegungen zu einer Umwandlung der Schule in eine gGmbH. Im Vergleich zu anderen Musikschulen in Oberberg sei Wipperfürth als städtische Einrichtung eine Ausnahme. „Von einer gGmbH versprechen wir uns mehr Flexibilität, steuerliche Vorteile und einen besseren Zugang zu Sponsoren“, so Marondel. Ehrlicherweise müsse man aber auch sagen, dass die Stadt damit nicht mehr zwingend an den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes gebunden sei.

Man muss genau hinsehen und darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
Joachim Guhra, Vorsitzender des Fördervereins der Musikschule

Joachim Guhra ist Vorsitzender des Fördervereins der Musikschule Wipperfürth. „Man muss genau hinsehen und darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen“, sagt er. Die Wipperfürther Schule unterrichte auf einem außergewöhnlich hohen Niveau, mit einer Vielzahl von Ensembles. Bei einer städtischen Musikschule habe die Politik das letzte Wort und könne mitgestalten, bei der GmbH sei der Einfluss der Politik begrenzt.

Dass man damit mehr Sponsoren gewinnen könne, hält er für völlig unwahrscheinlich. „Wir sind hervorragend vernetzt und kennen die Möglichkeiten vor Ort genau.“ Guhra kritisiert die Kommunikation der Verwaltung mit den Lehrkräften und warnt vor einem Aussitzen. „Die Stadt muss das Herrenberg-Urteil umsetzen, sie sollte das als Chance nutzen.“

Mehrere Musikschullehrer, die zum Teil schon seit vielen Jahren in Wipperfürth arbeiten, schauen sich nach Alternativen um. So wie Detlev Hoffmann: Er unterrichtet Klarinette und leitet das Jugendblasorchester. Davon profitieren auch die Musikvereine. An der Musikschule Volmetal arbeitet Hofmann bereits als festangestellter Lehrer in Teilzeit. Und er bewirbt sich an der Musikschule Soest, die einen Lehrer für Klarinette sucht.

Seit 33 Jahren unterrichtet Heike Gorny an der Wipperfürther Musikschule Querflöte. Die studierte Flötistin mit Konzertexamen ist eine der Stützen der Schule. Gorny lehrt in der Hansestadt über 40 Wochenstunden – an der Musikschule und in den Bläserklassen an den Grundschulen St. Antonius und Kreuzberg sowie am Engelbert-von-Berg-Gymnasium. „Zwischen Bergisch Gladbach, Leverkusen und Lüdenscheid gibt es keine Musikschule, die von der Qualität her mit Wipperfürth vergleichbar ist“, sagt Gorny.

Auch sie fordert eine zügige Festanstellung und damit eine soziale Absicherung, die für andere Angestellte selbstverständlich ist, nicht aber für Honorarkräfte. Dazu zählen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und in den Schulferien sowie eine Beteiligung des Arbeitgebers an Renten- und Arbeitslosenversicherung. „Die Verwaltung spielt auf Zeit. Das ist ein Spiel mit der Angst um unsere Existenz“, kritisiert Gorny. „Seitdem ich von der Sitzung des Arbeitskreises erfahren habe, schaue ich täglich in die Stellenanzeigen. Qualifizierte Musikschullehrer werden bundesweit gesucht, und fast alle Stellenausschreibungen sind Festanstellungen nach dem Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst.“

Auch Musikschulleiter Thomas Fahlenbock hatte im Januar in unserer Zeitung das zögerliche Vorgehen der Verwaltung kritisiert und vor einer „tickenden Bombe“ gewarnt. Die Folge: Seine Vorgesetzten haben ihm weitere Gespräche mit der Presse untersagt.