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ÜberflutungenUnwetter versetzt Bedburg in Ausnahmezustand

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In der Ressourcenschutzsiedlung in Kaster standen Straßen unter Wasser, Nachbarn kämpften gemeinsam gegen die Wassermassen.

In der Ressourcenschutzsiedlung in Kaster standen Straßen unter Wasser, Nachbarn kämpften in der Nacht und den frühen Morgenstunden gemeinsam gegen die Wassermassen.

Abermals ging Starkregen über Bedburg nieder. Straßen und Keller wurden überflutet, die Feuerwehr und andere Helfer waren im Dauereinsatz.

Eine Stadt im Ausnahmezustand: Das angekündigte Unwetter hat in der Nacht zu Dienstag vor allem Bedburg schwer getroffen. In nahezu allen Ortsteilen musste die Feuerwehr zu Einsätzen ausrücken. Löschzüge aus Nachbarstädten halfen mit, ebenso das Rote Kreuz, die Malteser, das Technische Hilfswerk oder auch der Bauhof der Stadt. Nach Angaben der Stadt waren allein rund 160 Feuerwehrleute auf den Beinen, bis zum frühen Abend wurden rund 222 Einsatzorte in Bedburg gezählt. In allen weiteren Kommunen des Kreises gab es insgesamt nur 21 unwetterbedingte Notrufe. Ein Krisenstab koordinierte die Einsätze.

Zu sehen ist ein Mann, der mit einem Radlader Schlamm von einer Straße schiebt.

Landwirt Albert Kühl schob mit einem Radlader Erdreich, das von einem Acker heruntergespült worden war, von der Straße in Oppendorf.

Ab 1 Uhr ging in der Nacht Regen in riesigen Massen über der Stadt nieder. Bis zum Vormittag regnete es teils mehr als 150 Liter auf einen Quadratmeter – zu viel für Flüsse, Felder, Straßen, Wege und Kanäle. Das Wasser drängte in Gärten und Keller. „Das war viel zu viel Oberflächenwasser“, sagte Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach. Zwar sei die Stadt vorbereitet gewesen und habe etwa eine Großpumpe bereitgehalten. Doch die Wassermassen seien zu groß gewesen.

Bedburg: Ein kleines Rinnsal schwoll zu einem reißenden Fluss an

Schlamm wälzte sich durch Pütz, und die Ressourcenschutzsiedlung, ein Neubaugebiet in Kaster, stand zu einem großen Teil unter Wasser. Der kleine Ort Oppendorf musste evakuiert werden, da der Pützbach, der zumeist kein Wasser führt, zu einem reißenden Fluss angeschwollen war und an vielen Stellen über das Ufer trat. Menschen, Haustiere und Pferde wurden aus dem Ort gebracht.

Auch in Millendorf und Lipp richtete Wasser aus dem Pützbach Schäden an. „Wir haben keine Elementarversicherung“, sagt Tharani Subramaniam-Yogaratnam. Ihr Haus liegt gleich in Lipp neben dem Pützbach. Wasser war zunächst in ihren Garten geströmt und von da in den Keller des Hauses. „Das sah alles aus wie ein großer Swimmingpool.“ Auch hier half die Feuerwehr.

Zu sehen ist ein über die Ufer getretener Bach aus der Luft.

Der Pützbach trat in Oppendorf, Millendorf und hier in Lipp über die Ufer.

In Kirch-/Grottenherten und in der Innenstadt liefen ebenfalls Keller voll. Die Landstraße 279 zwischen Kirchherten und Millendorf musste wegen Überflutungen gesperrt werden. In Oppendorf mühte sich Landwirt Albert Kühl mit einem Radlader, Schlamm wieder zurück auf einen Acker zu schieben. „Ich habe schon quer zum Hang gepflügt, um so etwas zu vermeiden“, sagte Kühl. „Aber wenn das Wasser erst mal einen Weg gefunden hat, ist es nicht mehr aufzuhalten. Das Wasser will zum Bach.“

Zu sehen sind Menschen, die Schlamm von einer Straße schaufeln.

In Bedburg-Pütz beginnen die Aufräumarbeiten der Helfer.

Die Lage war zwischenzeitlich so bedrohlich, dass die Stadt weitere Hilfe anforderte. 15.000 Säcke sollten mit 80 Tonnen Sand befüllt werden, um damit Oppendorf gegen den Pützbach und einen Acker zu schützen, der abzurutschen drohte. Teils wurde mit den Säcken bereits ein Damm entlang des Pützbachs aufgeschichtet. Am Mittag kam dann die Entwarnung vom Deutschen Wetterdienst: Gefahr von Hochwasser drohe nicht mehr. Die Pegel gingen zurück.

Zu sehen sind Pferde, die auf einer von Wasser überfluteten Weide stehen.

In Oppendorf trat der Pützbach über die Ufer. Die Feuerwehr evakuierte den Ort, Bewohner, ihre Haustiere und Pferde wurden in Sicherheit gebracht.

Wieder einmal Bedburg. Im September 2021 wurden bei starken Regenfällen Straßen und Keller im Ortsteil Kirchtroisdorf mit Schlamm von einem Acker geflutet. Am 22. Juni und am 25. August 2023 waren Straßen in der Bedburger Innenstadt überflutet worden, standen Keller unter Wasser, liefen die Kanäle über. Die Regenfälle waren so heftig, dass sie von Experten als Ereignisse eingestuft wurden, die nur alle 100 Jahre eintreten. Das Wetter hielt sich aber nicht an die statistischen Vorgaben.

Zu sehen sind Menschen, die Sandsäcke befüllen.

An der Tennishalle in Kaster befüllten Helfer Sandsäcke. 80 Tonnen Sand und 15.000 Säcke wurden geordert.

Im Mai 2024 brachte Starkregen die Krume eines Ackers zwischen Lipp und Kaster in Bewegung. Schlamm und Matsch ergossen sich auf Terrassen, in Vorgärten und Keller der neuen Häuser an der Burgstraße. Nur zwei Monate später, im Juli 2024, jagte eine Windhose über Königshoven und Alt-Kaster, entwurzelte Dutzende Bäume und deckte Dächer teils ab. Und nun? Eine Wetterkapriole, die in Bedburg noch kein Mensch in einer solchen Dimension erlebt hat.

Die Wetterereignisse häufen sich derart, dass Bürgermeister Sascha Solbach schon nicht mehr an Zufälle glauben will. Er schließt nicht aus, dass die Lage Bedburgs zwischen den Braunkohletagebauen Garzweiler und Hambach sowie deren Abraumhalden, etwa der über 200 Meter hohen Sophienhöhe oder der Königshovener Höhe, eine Rolle spielt. „Ich halte es für denkbar, dass Auf- und Abwinde hier ein Mikroklima schaffen und entsprechende Wetterereignisse auslösen.“

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) jedoch verzeichnet in Bedburg keine Auffälligkeit, sagt Thomas Kesseler-Lauterkorn, Diplom-Meteorologe vom DWD in Essen. „Der Starkregenkatalog mit Daten von 2001 bis 2024 gibt keinen Hinweis darauf, dass Bedburg im Vergleich etwa mit dem südlichen Rhein-Erft-Kreis eine größere Anzahl von Unwetter-Starkregenereignissen aufweist.“ Die „gefühlte“ Häufung in den letzten Jahren sei zufällig und nicht lokalklimatischen Effekten in Bedburg geschuldet.

Der DWD hat nun in seiner seit 2006 betriebenen Wetterstation in Bedburg-Weiler Hohenholz 150 Millimeter Regen in zwölf Stunden gemessen, davon 130 Millimeter allein in sechs Stunden. Starkregenereignisse könnten jeden treffen und seien lokal genau nie vorherzusagen. „Flapsig formuliert könnte man sagen: Pech gehabt.“