In Frechen hat ein nichtjüdischer Tagelöhner geistesgegenwärtig gehandelt. Er hat die alte Thorarolle gerettet und bei sich versteckt.
GedenkenNovemberpogrome der Nazis richteten 1938 auch in Rhein-Erft großen Schaden an

Mahnmal für die ermordeten Juden an der Alten Landstraße in Kerpen
Copyright: Bernd Woidtke
Vor 87 Jahren, im November 1938, vollzogen die Nationalsozialisten einen barbarischen Schritt: Von der Drangsalierung und Entrechtung der Menschen jüdischen Glaubens hin zur offenen Zerstörung von Eigentum und hin zur Vernichtung ihrer Existenz. Als Vorwand diente das Attentat auf Ernst Eduard vom Rath.
Rhein-Erft: Vorwand für Pogromnacht
Er war Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris und wurde am 7. November 1938 von Herschel Grynszpan angeschossen. Grynszpan soll aus Wut die Deportation seiner Familie nach Polen gehandelt haben. Noch bevor Rath an den Folgen der Schussverletzungen starb, beförderte Hitler ihn und die Nazis nutzten später den Tod Raths, als Vorwand für das Novemberpogrom 1938.
Zwischen dem 7. und 13. November wurden in Deutschland 1400 Synagogen geschändet, tausende Friedhöfe, Schulen, Geschäfte zerstört. Die Zahl der jüdischen Todesopfer wird auf 1000 bis 2000 beziffert. Tatsächlich waren die Pogrome von langer Hand geplant, auch im heutigen Rhein-Erft-Kreis.

Die restaurierte Tür der alten Synagoge im Frechener Stadtarchiv
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Eine Order an die örtlichen Polizeikräfte in Kerpen forderte dazu auf, angeblich aufgebrachte Bürger nicht zurückzuhalten. In einer Anweisung des Kölner Regierungspräsidenten heißt es: „Die Ordnungspolizei begleitet solche Demonstrationen und Aktionen nur mit schwachen Kräften in Zivil, um eventuelle Plünderungen zu verhindern.“
Deutsche Gründlichkeit lässt sich an einer amtlichen Auflistung der in Frechen festgestellten Schäden erkennen: Jüdische Geschäfte erlitten einen finanziellen Schaden in Höhe von 3815 Reichsmark, bei Privatleuten schlug dies mit 8350 Reichsmark zugute, fein säuberlich differenziert in Gebäude, Einrichtung, Waren, Mobiliar.
Frechen: Thorarolle gerettet
Der Frechener Lokalhistoriker Egon Heeg beschreibt in seinem Buch „Die Levis oder Die Vernichtung des altfrechener Judentums“ die Frechener Tatorte der Pogromnacht. Natürlich hatten es die Nazis auf die Synagoge abgesehen. Zum Glück hatte ein nichtjüdischer Mieter, der Tagelöhner Peter Stier, geistesgegenwärtig gehandelt und die alte Thorarolle gerettet und bei sich versteckt. Manfred Cohen, der Sohn des Synagogenvorstehers, schmuggelte sie im Februar 1939 in die USA.
Die Nazis schändeten die Synagoge und richteten einen Schaden in Höhe von circa 3000 Reichsmark an. Die restaurierte Synagogentür ist im Frechener Stadtarchiv zu sehen. Die Metzgerei Schwarz im Frechener Unterdorf, die Geschäfte Levy und Baruch im Oberdorf, die Wohnung der Familie Isidor (Isaak) Voos, die das schon vorher aufgegebene „Kaufhaus Voos“ an der Hauptstraße 200 betrieben hatten, der jüdische Friedhof: Schreckensorte der Verwüstung.
In der Wohnung des Händlers Max Abraham tobten sich die Nazis aus, wie ein Zeitzeuge berichtete: „Ich war fünf Jahre alt. Wir wohnten in der Nachbarschaft der Abrahams in der Klarengrundstraße. Ich sah, wie oben aus dem Fenster ein Schrank raus auf die Straße geworfen wurde. Ein SA-Mann aus der Blumenstraße war beteiligt“, schreibt Egon Heeg auf Seite 118 seines Buches.
Wie nationalsozialistisches Denken, gepaart mit Charakterlosigkeit, sich bis in die Nachkriegszeit erhalten konnten, davon weiß Susanne Kremmer vom Kerpener Stadtarchiv zu berichten. Die in der Pogromnacht entstandenen Schäden wurden in Kerpen von dem Beamten Reiner Pickartz aus Heppendorf amtlich aufgelistet. Nach dem Krieg war Pickartz mit der Bearbeitung von Entschädigungsanträgen befasst. Wider besseres Wissen bezifferte er die Schäden der jüdischen Antragsteller deutlich niedriger.

