Naima Farhane, Abdelali Hadri und ihre Kinder sind in Much bestens integriert. Die Familie finanziert sich selbst, doch ihr Asylantrag wurde abgelehnt.
In Rhein-Sieg integriertFamilie aus Much soll abgeschoben werden

Naima Farhane und Abdelali Hadri mit ihren Kindern Aischa in der Baby-Trage und Alaa an der Hand seines Vaters.
Copyright: Marius Fuhrmann
Der kleine Alaa freut sich diebisch, wenn ein Traktor vorbeifährt, aufgeregt kreischt der Zweijährige und deutet zur Straße. Seine Schwester Aischa, drei Monate alt, verschläft das Spektakel im Baby-Korb. Ihre Eltern Naima Farhane (28) und Abdelali Hadri (31) jedoch treiben Sorgen um. Sie stammen aus Marokko und sollen in ihr Geburtsland abgeschoben werden. Heimat ist für die Familie inzwischen Much, wo sie Arbeit und Freunde gefunden haben.
„Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, sie können jederzeit abgeschoben werden“, sagt Amayi Breuer aus dem Kreis der Unterstützerinnen und Unterstützer. Dabei sei die Familie hervorragend integriert. „Die Kinder sind hier geboren, sind im Kindergarten und in der Krippe. Die Familie ist Mitglied im Begegnungszentrum Villa Much, wo Naima oft backt“, sagt sie. Auch beim Solawi, einem solidarischen Landwirtschaftsprojekt, beteiligten die jungen Eltern sich neben der Arbeit.
Familienvater hat eine unbefristete Arbeitsstelle in Much
Hadri und Farhane lebten zuletzt in Casablanca, einer großen Hafenstadt in Marokko. Sie hätten ihre Heimat verlassen, weil sie nach ihrer Heirat Gewalt durch ihre Familien erfahren hätten. „Zwei Jahre haben wir in der Türkei gelebt, aber dann wurde die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert“, sagt die 28-Jährige. Nach einer mehrtägigen Reise über Bulgarien und Österreich seien sie im August 2022 nach Deutschland gekommen, Farhane war bereits schwanger.
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Zunächst hätten sie in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften gelebt, auch in Much. Hadri fand eine Arbeit in Kerpen „Ich bin jeden Tag um 4 Uhr aufgestanden, um um 8 Uhr dort zu sein. Ein Auto hatte ich nicht. Von 17 bis 21 Uhr habe ich in Köln Deutsch gelernt und war erst nach 22 Uhr wieder zu Hause“, berichtet er. „Ein Jahr habe ich in Kerpen nach einer Wohnung gesucht, aber nichts gefunden.“
In Much dagegen blühte ihr Familienleben auf: Im Februar 2023 kam der kleine Alaa zur Welt, im Juli dieses Jahres seine Schwester Aischa. Sie fanden nicht nur eine 100 Quadratmeter große Wohnung im Mucher Zentrum, sondern auch eine Arbeit für Abdelali Hadri. Er machte den Führerschein, kaufte ein Auto. „Ich bin Trockenbauer und Maler im Innenausbau. Ich arbeite für eine Firma in Much und bin sehr zufrieden, auch der Chef ist nett und sehr zufrieden mit uns“, sagt er. „Unbefristet“ sei der Arbeitsvertrag, ergänzt Naima. Das Wort kann sie akzentfrei aussprechen. Jedoch, habe ihr die Mitarbeiterin der Ausländerbehörde mitgeteilt, werde seine Arbeitserlaubnis in Kürze aufgehoben.
Die junge Mutter erhält keine Ausbildungsduldung
Auch die junge Frau würde gerne eine Ausbildung beginnen, am liebsten als Verkäuferin. „Ich habe einen Vertrag bei der Landfuxx-Filiale bekommen, aber die Ausländerbehörde hat die Ausbildungsduldung nicht genehmigt. Daraufhin wurde der Vertrag wieder aufgelöst“, sagt sie. Mittlerweile habe sie einen neuen Vertrag, den sie nicht antreten kann.

Naima Farhane und Abdelali Hadri mit ihren Kindern Aischa und Alaa im Kreis der Unterstützerinnen und Unterstützern der Solawi in Much.
Copyright: Marius Fuhrmann
Gleichzeitig habe sie sich auf eine Ausbildung als Gesundheits- und Pflegefachkraft bei der Caritas beworben, jedoch noch keine Rückmeldung erhalten. „Es gibt ein Programm, mit dem Menschen aus Marokko für diesen Beruf angeworben werden. Das gilt aber nur für Leute, die noch nicht da sind. Die Vorbereitungskurse finden online statt, deswegen hoffen wir, dass Naima von Deutschland aus dort teilnehmen kann“, sagt Amayi Breuer.
Farhane spricht leise, aber verständlich. Sie habe sich Deutsch selbst beigebracht, spreche außerdem noch Arabisch, Französisch, Türkisch und Berbisch, wie es in Teilen Marokkos verbreitet ist. Sie fürchte sich davor, nach Marokko zurückkehren zu müssen. „Wir haben dort kein Haus, keine Unterstützung, es gibt keine Krankenversicherung, keine Bildung und es ist sehr schwer, Arbeit zu finden“, sagt sie. Mit staatlicher Unterstützung könnten sie dort nicht rechnen.
Dies ist aber auch gar nicht nötig: „Wir können unseren Lebensunterhalt selbst bestreiten, wir erhalten keine Unterstützung vom deutschen Staat“, betont ihr Mann. Da er eine Arbeitsstelle hat, könnte er nach Marokko zurückkehren und bei der deutschen Botschaft ein Arbeitsvisum beantragen. Das will der 31-Jährige aber nicht: „Man muss über ein Jahr auf einen Termin warten, und dann ist unklar, ob ich das Visum bekäme“, sagt er.
Familie machte gegenüber den Behörden widersprüchliche Angaben
Zum Nachteil könnte für die beiden werden, dass sie gegenüber der Ausländerbehörde widersprüchliche Angaben gemacht hatten. So schilderten sie, die Pässe verloren zu haben – wodurch ihre Identität nicht eindeutig feststellbar war. Erst als Farhane um die Ausbildungsduldung bat, zeigte sie den mittlerweile abgelaufenen Pass vor. „Sie standen vor einem Dilemma, weil sie unter Vorlage gültiger Pässe womöglich sofort hätten abgeschoben werden können“, sagt Breuer. Eine Anfrage der Redaktion an die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises zum Aufenthaltsstatus der Familie läuft derzeit.
Die Unterstützerinnen und Unterstützer der Familie haben eine Petition gestartet, die mittlerweile 22.000 Unterschriften erzielt hat. „Wir haben Geld für einen Anwalt gesammelt, der kann aber nichts mehr tun“, sagt Breuer. „Wir wollen deswegen einen Antrag bei der Härtefallkommission des Landes NRW stellen. Die kann darüber entscheiden, ob die Familie eine Aufenthaltserlaubnis bekommt“, sagt sie. Breuer hoffe, dass Mitglieder des Landtags auf den Fall aufmerksam würden. „Wir können nicht verstehen, dass Menschen, die eine Arbeit haben, eine Ausbildung machen wollen, die keine Leistung vom Sozialstaat bekommen und sich ehrenamtlich engagieren, abgeschoben werden sollen“, sagt sie.

