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Interview

Eckhard Sauren
„Haben beim FC eine Ausgangslage geschaffen, auf die man stolz sein kann“

Lesezeit 8 Minuten
Eckhard Sauren Vizepräsident 1. FC Köln 12.05.2023, Fussball GER, Saison 2022 2023, 1. Bundesliga, 32. Spieltag, 1. FC Köln - Hertha BSC Berlin 5:2 Koeln RheinEnergieStadion Nordrhein Westfalen Deutschland *** Eckhard Sauren Vice President 1 FC Köln 12 05 2023, football GER, season 2022 2023, 1 Bundesliga, 32 matchday, 1 FC Köln Hertha BSC Berlin 5 2 Koeln RheinEnergieStadion Nordrhein Westfalen Germany Team2

Eckhard Sauren, Vizepräsident des 1. FC Köln. Ende September endet nach sechs Jahren die Amtszeit des amtierenden Vorstands.

Ende September endet nach sechs Jahren die Amtszeit des amtierenden Vorstands des 1. FC Köln. Vizepräsident Sauren zieht eine erste Bilanz.

Ende September ist für den amtierenden Vorstand des 1. FC Köln nach rund sechs Jahren im Amt Schluss. Zumindest in der bisherigen Konstellation. Präsident Werner Wolf und Vizepräsident Eckhard Sauren stellen sich auf der Mitgliederversammlung des Bundesliga-Aufsteigers nicht mehr zur Wahl, der Mitgliederrat präferiert nach schwierigen Jahren für den Klub ohnehin ein anderes Team um Immobilienmanager Jörn Stobbe. Carsten Wettich, der zweite Vizepräsident, hat am Mitgliederrat vorbei zusammen mit Wilke Stroman und Tugba Tekkal eine eigene Kandidatur angekündigt, benötigt aber rund 4600 Unterschriften der Mitglieder, um zur Wahl zugelassen zu werden.

Sauren war und ist im Vorstand insbesondere für den sportlichen Bereich verantwortlich. Auch wenn dem FC in der vergangenen Saison die direkte Rückkehr in die Bundesliga gelang, lief für die Kölner auf und rund um den Platz in den vergangenen Jahren wahrlich nicht immer alles nach Wunsch. Im Interview nimmt der 53-jährige Unternehmer Stellung und zieht zudem eine erste Bilanz.

Herr Sauren, es ist kein Geheimnis, dass Sie gerne mit Ihren beiden Vorstandskollegen Werner Wolf und Carsten Wettich auch über den Herbst hinaus weitergemacht hätten. Verspüren Sie Enttäuschung oder Wehmut, dass es jetzt nicht zu einer weiteren Amtszeit kommt?

Eckhard Sauren: Es hatte sich seit der Mitgliederversammlung im vergangenen Herbst abgezeichnet, dass ein Wechsel im Vorstand gewünscht ist. Von daher blieb genügend Zeit, sich mit dem Szenario auseinanderzusetzen. Wenn wir jetzt schon Bilanz ziehen, dann gab es sicherlich Misserfolge– zum Beispiel den Abstieg und die Transfersperre. Aber viele Themen, die wir in unserem Matchplan strategisch ausgearbeitet hatten, haben wirtschaftlich funktioniert. Da sind wir teilweise sogar über Plan. Wir haben in vielen Bereichen starke wirtschaftliche Ergebnisse erzielt – und dies zuletzt auch trotz des Abstiegs in die 2. Bundesliga. Zudem haben wir personenunabhängige Strukturen geschaffen, die funktionieren. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir etwas hinterlassen werden. Wir haben ein gutes Fundament gebaut. Deshalb kommt etwas Wehmut auf, weil wir eine Ausgangslage geschaffen haben, auf die man auch stolz sein kann. Aber die Zeichen waren nun einmal klar, deshalb ist unsere Entscheidung im Sinne des Vereins die richtige.

Alles zum Thema Christian Keller

Können Sie uns in den Entscheidungsprozess einweihen? Wann war klar, dass Sie und Werner Wolf nicht weitermachen?

Bereits nach der Mitgliederversammlung war klar, dass es für uns im aktuellen Dreier-Team kaum weitergehen würde – auch wenn wir dies gerne gewollt hätten. Wir haben im Vorstand offen darüber diskutiert, in welchen Konstellationen wir dem Verein auch künftig weiterhelfen könnten. In dem Moment, in dem Carsten Wettich ein sehr gutes Team zusammengestellt hatte, war für mich klar, dass es kein Sinn macht und es keinen Mehrwert gibt, den Mitgliedern noch ein weiteres zur Auswahl zu stellen.

Abgesehen vom persönlichen Mehrwert, oder?

Der Verein steht an erster Stelle. Das habe ich immer so gehandhabt. Nach Abwägung aller Argumente war es auch für mich persönlich richtig, die Entscheidung so zu fällen.

Merken Sie bereits, dass der Druck etwas nachlässt?

Kaum. Dafür bin ich noch zu sehr in den Prozessen drin. Vor uns liegen noch weitere große Herausforderungen, die wir mit Vollgas angehen.

Fühlen Sie sich zu Unrecht nicht mehr gewollt?

Nein, ich ziehe persönlich ein positives Gesamtfazit. Wir haben immer sachlich-analytisch versucht, die richtigen Entscheidungen für den Verein zu treffen. Uns ist es gelungen, den Teufelskreis aus immer neuen Schulden zu durchbrechen. Wir haben heute eine wirtschaftliche Stabilität, die uns jetzt Transfers erlaubt, die vorher nicht möglich waren. Wir sind durch unsere finanzielle Unabhängigkeit so selbstbestimmt wie lange nicht. Wir haben in dieser Hinsicht einiges geleistet, was wahrscheinlich erst mit etwas Abstand wahrgenommen werden wird.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum Mitgliederrat beschreiben, der Ihren Vorstand ohnehin nicht mehr vorgeschlagen hätte?

Überwiegend konstruktiv. Wir haben die Fragen des Mitgliederrats immer mit größtmöglicher Transparenz beantwortet und das Gespräch gesucht. Manchmal hätte ich mir etwas mehr Gesamtverständnis für die Strukturen, die Aufgaben und die Grenzen der Möglichkeiten gewünscht, die ein Vorstand beim 1. FC Köln hat. Wir haben sehr viele gemeinsame Werte und sogar ein Werte-Rad entwickelt. Wir sind uns einig, dass wir keine Investoren im Verein haben wollen. Wenn man diese wichtigen Grundwerte teilt, wäre mehr Rückendeckung und Verständnis eigentlich möglich gewesen.

Ein gewisses Maß an Kontinuität wäre für den FC wichtig. Es ist hilfreich, dass Carsten Wettich in allen Themen und Projekten inhaltlich bemerkenswert tief drin ist.
Eckhard Sauren über Vizepräsident Carsten Wettich, der mit anderen Mitstreitern erneut für den Vorstand kandidiert

Wettich kandidiert mit Wilke Stroman und Tugba Tekkal am Mitgliederrat vorbei. Soll das Team im Fall seiner Wahl die Agenda des Noch-Vorstands weiterführen?

Ein gewisses Maß an Kontinuität wäre für den FC wichtig, weil die Zusammenhänge sehr komplex sind. Und da ist es hilfreich, dass Carsten Wettich in allen Themen und Projekten inhaltlich bemerkenswert tief drin ist. Das Team wird sicherlich eigene Ideen und Gedanken haben, bei einigen Grundwerten, Gedanken und Strategien würde ich mich freuen, wenn sie erhalten bleiben.

Ist das eine Wahlempfehlung?

Meine Empfehlung ist nur, dass die Mitglieder den Kontinuitäts- und den Teamgedanken in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Aber am Ende brauchen sie keine Empfehlung von mir, wem sie ihre Stimme geben.

Sind Sie in Sorge um den 1. FC Köln?

Die vergangene Mitgliederversammlung hat mir zumindest zu denken gegeben. Man kann nur an alle Mitglieder appellieren, sich Gedanken über die kommenden wegweisenden Entscheidungen zu machen.

Einen Konflikt gab es auch, in welcher Form die Mitgliederversammlung abgehalten werden soll. Der Vorstand plädierte erfolglos für eine Hybrid-Veranstaltung, der Mitgliederrat ist für eine Versammlung in Präsenz, die es jetzt erneut geben wird.

Da sind Vorstand und Mitgliederrat unterschiedlicher Meinung, aber das ist nun einmal in einem demokratischen Vereinsleben so. Wir wollten eine hybride Versammlung, um noch mehr Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, daran teilzunehmen. Ich habe dennoch die Hoffnung, dass möglichst viele Mitglieder erscheinen und sich ihrer Verantwortung bewusst sind.

Sie haben jetzt viel über die Errungenschaften des Vorstands gesprochen. Aber mit Verlaub: Es gab zuletzt auch einen Abstieg, eine Transfersperre und eine große Fluktuation, im Februar verließ erst Marketing-Geschäftsführer Markus Rejek den FC, dann mussten der massiv in die Kritik geratene Sport-Geschäftsführer Christian Keller und Trainer Gerhard Struber gehen. Was sagen Sie dazu?

Das sehe ich differenziert. Nach wie vor bin ich überzeugt davon, dass Christian Keller (Sport-Geschäftsführer, d. Red.) in vielen Bereichen sehr gute Arbeit geleistet hat. Er hat so viele Dinge initiiert, die für viele in der Öffentlichkeit noch nicht sichtbar sind, von denen der Verein aber noch lange profitieren wird. Ich rede da von den personenunabhängigen Strukturen, vielen Personalthemen, um die er sich intensiv gekümmert hat oder der Modernisierung der Infrastruktur am Geißbockheim, in die wir unter seiner Führung über zehn Millionen Euro investiert haben. Wir haben jetzt deutlich verbesserte Bedingungen. Durch die Corona-Verschuldung, die Transfersperre und den Abstieg haben wir leider nicht die Kaderwert-Steigerung realisieren können, die wir uns erwünscht hatten. Aber wir hatten bis dato auch nicht die finanziellen Möglichkeiten dazu.

Machen Sie es sich da nicht zu einfach? Der Vorstand hat Keller geholt und ihn mit allen Freiheiten ausgestattet. Das ist zumindest sportlich nicht aufgegangen.

Was Christian Keller an Vertrags- und Kadermanagement beim FC eingebracht hat, war an vielen Stellen ein großer Fortschritt. Die Verträge und viele Strukturen sind verbessert und vereinfacht worden. Davon werden wir noch lange profitieren. Was die Transferbilanz angeht, ist das Bild nicht einheitlich. Es waren ein paar gute und ordentliche Transfers dabei, aber die Königstransfers, die einen signifikant weiterbringen, haben gefehlt.

Keiner der vergangenen drei Winter-Transfers, auf die sich der FC über ein Jahr lang vorbereiten konnte, hat bis dato die Mannschaft weitergebracht. Ist das nicht ernüchternd?

Die Frage ist, was wir in der Transferphase erreichen wollten. Wir waren zur Winterpause Herbstmeister. Die Idee war daher, dass wir den Kader gezielt verstärken, um die Aufstiegs-Wahrscheinlichkeit weiter zu erhöhen, ohne finanziell verrückte Sachen zu machen oder das Mannschaftsgefüge durcheinanderzubringen. Die Winter-Transferperiode ist immer eine schwierige. Wir haben vernünftig gewirtschaftet, sind kein großes finanzielles Risiko eingegangen und haben als Zweitliga-Meister dennoch den Aufstieg realisiert. Deshalb haben wir jetzt im Sommer ein größeres Budget für die Rückkehr in die Bundesliga. Auf der nächsten Stufe geht es nun darum, die stetigen Einnahmen weiter zu erhöhen – und zusätzlich höhere Transfereinnahmen zu generieren. Wenn man es seriös macht, arbeitet man sich von Regal zu Regal kontinuierlich nach oben. Wir sind wieder attraktiver geworden und wirtschaftlich bereits an einigen Klubs in der Bundesliga wieder vorbeigezogen, sportlich aber noch nicht. Diesen Entwicklungsschritt muss der FC nun gehen.

Das Sanierungstempo war schon enorm. Man hätte es etwas drosseln können, um mit mehr Geld den Kader weiter zu stärken.
Sauren über die Sanierung des FC, der 2024 allerdings abstieg

Aber was war rückblickend der größte Fehler des Vorstands?

Das Sanierungstempo war schon enorm. Man hätte es etwas drosseln können, um mit mehr Geld den Kader weiter zu stärken. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit auf den Klassenerhalt größer geworden, aber wir reden da auch nur von Wahrscheinlichkeiten.

Noch einmal zurück zur Fluktuation. In den sechs Jahren dieses Vorstands sind acht Sportchefs und Geschäftsführer sowie acht Cheftrainer gekommen beziehungsweise gegangen. Ist das für Sie normal?

Wir hätten uns weniger Fluktuation gewünscht, um unsere im Matchplan definierten Ziele zu erreichen. Doch im Fußballgeschäft gehört das in Teilen dazu. Die Einstellung von Philipp Türoff (Finanz-Geschäftsführer, d. Red.) war ein großer Erfolg, er verfügt über herausragende Fähigkeiten und hat schon sehr viel bewirkt. Bei den letzten beiden Veränderungen auf der Geschäftsführer-Position (nach der Trennung von Keller wurde Thomas Kessler zum Sportdirektor befördert, Philipp Liesenfeld aus den eigenen Reihen folgte auf Rejek, d. Red.) haben wir jüngst einen Übergang hinbekommen, der sehr gut funktioniert hat.

Die Einigung mit ihm war einfach, gut und ist bereits vollzogen. Christian Keller verlässt den FC erhobenen Hauptes.
Sauren über den Ex-Geschäftsführer Sport

Haben Sie sich mit Keller schon finanziell einigen können?

Die Einigung mit ihm war einfach, gut und ist bereits vollzogen. Wir sind nach wie vor mit Christian Keller im offenen Austausch. Er verlässt den FC erhobenen Hauptes.

Keller und der zeitgleich beurlaubte Trainer Gerhard Struber erhalten also auch eine Aufstiegsprämie?

Natürlich – die haben sie sich auch verdient.

Strubers Nachfolger ist Lukas Kwasniok, Kellers Nachfolger Thomas Kessler hat die ersten Transfers von Ragnar Ache und Isak Johannesson getätigt beziehungsweise finalisiert. Was versprechen Sie sich von Kwasniok, und wie sehen Sie den Kader?

Ich halte Lukas Kwasniok für einen sehr spannenden Trainer, dem ich den Schritt in die Bundesliga zutraue. Er ist ein pragmatischer Autodidakt mit großer Flexibilität und einem besonderen Gespür für die Mannschaft, die jeweilige Situation und die Spielidee. Er ist ein echter Fußballfreak.

Und die Transfers?

Sind sehr verheißungsvoll. Und das auf zwei Kernpositionen. Wir konnten sie aber nur tätigen, weil wir uns das Transferbudget über die Jahre hin erarbeitet hatten. Klar ist aber, dass der Kader an einigen Stellen noch weiter verstärkt werden muss. Ich bin optimistisch, dass wir in den nächsten Wochen noch auf einigen Positionen Fortschritte erzielen werden. Und dann wird es darauf ankommen, wie sich die Gespräche mit den Spielern entwickeln, die nur noch ein Jahr bei uns unter Vertrag stehen.

Zu ihnen zählt Leistungsträger Eric Martel. Gibt es bei ihm eine Schmerzgrenze. Wenn ja: Wie hoch ist sie?

Wir haben Eric viel zu verdanken, er stand auch in einer schwierigen Phase zum FC und ist nach dem Abstieg geblieben. Wir trauen ihm weitere Entwicklungsschritte beim FC zu. Jetzt spielt er erst einmal die U21-EM. Eric weiß aber, dass wir ihn sehr gerne behalten würden.

Herr Sauren, Sie sprachen vom Fundament, dass der Vorstand gelegt habe. Um im Bild zu bleiben: Beim möglichen Richtfest und erst recht nicht beim Einzug ins fertige Haus werden Sie nicht mehr dabei sein. Wie bitter ist das für Sie?

Ich werde als Fan auf jeden Fall dabei sein und darauf freue ich mich auch etwas. Mein Herz schlägt weiterhin für den FC und ich werde den Klub auch in Zukunft weiterhin ehrenamtlich helfen und unterstützen, wo ich nur kann. Und ich würde mich freuen, wenn die positive Entwicklung des Klubs so weitergeht.