Nach zwei Transfers scheint der neue Sportdirektor des 1. FC Köln seine Rolle rasch gefunden zu haben
Schritt aus Kellers SchattenThomas Kessler legt beim 1. FC Köln einen starken Start hin

Thomas Kessler und Christian Keller in diesem Frühling, zwei Wochen vor Kellers Abschied vom 1. FC Köln
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Wer Anzeichen einer Zeitenwende beim 1. FC Köln erkennen wollte, kam am vergangenen Wochenende auf seine Kosten. Da verpflichtete der Klub den isländischen Nationalspieler Isak Johannesson für 5,5 Millionen Euro von der Düsseldorfer Fortuna, die angesichts der Rivalität beider Städte mit einigen Schmerzen auf den Wechsel reagierte.
Johannesson musste einen Umweg nehmen: Der 22-Jährige befand sich im Heimaturlaub, als die Einigung mit Köln nahte. Ein isländischer Journalist verfolgte die Vorgänge um einen der momentan wertvollsten Fußballer des Landes besonders aufmerksam und fand heraus, dass der Spieler am Samstag im Privatjet von Reykjavik nach Köln geflogen wurde. Die Botschaft schien eindeutig: Die dürren Jahre sind vorbei. Seit Thomas Kessler die sportliche Verantwortung von Christian Keller übernommen hat, geht es wieder barock zu am Geißbockheim. Hohe Ablösen, große Verträge, gecharterte Flugzeuge.
Ich gehe die Aufgabe mit Demut an, aber trotzdem mit völliger Überzeugung. In so einer Situation das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen, ist ein großer Vertrauensbeweis
Doch das ist Unsinn. Beim 1. FC Köln wird grundsätzlich weiter Linie geflogen. Der besondere Service war der zeitlichen Not geschuldet. Die Ausstiegsklausel, dank derer Köln überhaupt die Chance hatte, einen Spieler von Johannessons Kaliber zu verpflichten, galt nur noch am 31. Mai. Zu groß war deshalb die Sorge vor einem Flugausfall. Vor Unwettern – einem Vulkanausbruch. Spielerwechsel sind schon an aberwitzigen Details gescheitert. Und manchmal lohnt es eben, Dinge durchzuziehen – selbst wenn es die FC-Verantwortlichen mit Blick auf Kassenlage und Klimabilanz geschmerzt haben dürfte.
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Der FC zeigt wieder Bereitschaft, sich festzulegen
Es ging weniger um Signale als um die Verpflichtung eines dringend benötigten Spielers. Womöglich liegt darin die Wende: Der FC zeigt wieder Bereitschaft, sich festzulegen. Angesichts der Ablöse für Johannesson und des Fünfjahresvertrags, den der 22-Jährige am Wochenende unterschrieb, schien eine fünfstellige Investition in einen Flug eine angemessene Maßnahme und womöglich sogar eine Geste der Wertschätzung für den Spieler, seine Partnerin und den Agenten. Man wollte Johannesson – und hat ihn bekommen. Es wäre keine Überraschung, sollte sich der Mittelfeldmann nun in der Pflicht fühlen, dieses Vertrauen mit Engagement auf dem Rasen zurückzugeben.
Doch nicht nur in der Spitze ist beim FC ein Paradigmenwechsel zu erleben. In den Jahren des Sport-Geschäftsführers Christian Keller ging es am Geißbockheim immer wieder darum, Strukturen zu entwickeln, die unabhängig von Personen funktionieren. Der Gedanke, allein der Sache dienen zu wollen, mag nach moderner Unternehmensführung klingen. Führte aber zu einer problematischen Binnensicht: Jeder hier ist austauschbar – dieses Empfinden zog sich mehr und mehr durch den Verein. Immer wieder mussten langjährige Mitarbeiter gehen. Keller betrieb Mikromanagement, versuchte auf allen Hierarchie-Ebenen, die Preise zu drücken. Und übersah dabei, dass Geld in einem professionellen Umfeld durchaus ein Mittel ist, Wertschätzung auszudrücken.
Kessler holte erst den richtigen Trainer und schließt nun zwei Kader-Lücken
Einen Monat liegt die Trennung von Christian Keller nun zurück. Der neue Sportchef Thomas Kessler verpflichtete erst Friedhelm Funkel, der den FC mit zwei Siegen zum Aufstieg führte. Zwar ist der 1. FC Köln noch ohne Trainer für die neue Saison. Dennoch gelang es Kessler bereits, zwei Lücken im Kader zu schließen: Ragnar Ache kommt für das Sturmzentrum aus Kaiserslautern. Johannesson ist der spiel- und laufstarke Mann im defensiven Mittelfeld, der den Kölnern schon länger fehlte, weil Dejan Ljubicic die Erwartungen nicht erfüllen konnte.
Dass es Kessler gelang, potenzielle Leistungsträger zu verpflichten, ohne ihnen sagen zu können, wer ihr Trainer sein wird, ist eine bemerkenswerte Leistung. Auch da geht es um Überzeugung. Aus Beraterkreisen ist zu hören, dass beim 1. FC Köln wieder offener kommuniziert wird. Man fühlt sich und die Interessen seiner Klienten wahrgenommen.

Isak Johannesson hat beim 1. FC Köln einen Fünfjahresvertrag unterschrieben.
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Trotz verbesserter Finanzsituation bleibt der 1. FC Köln jedoch ein sparsamer Verein. Zwar hat man etwa Sturmtalent Damion Downs (20) ein Angebot zur Vertragsverlängerung unterbreitet, das als klares Bekenntnis zum Spieler zu verstehen ist. Doch ist der Klub weiterhin weder willens noch in der Lage, die Bedingungen mitzugehen, die schon englische Zweitligisten aufrufen. Das Signal an die Berater ist eindeutig: Beim 1. FC Köln kann ein Spieler marktgerecht verdienen. Doch ist der Klub nicht bereit, nennenswert in Vorleistung zu gehen. Wer erfolgreich spielt, wird reich belohnt. Wer aber nur auf der Bank seine Zeit absitzt, hat wenig zu erwarten. Klingt fair.
Kessler ist keiner, der Konflikten aus dem Weg geht. Doch die vielen schweren Gespräche, die Keller in den vergangenen Jahren mit Mitarbeitern führte, als ginge es nur um die Frage nach Tee oder Kaffee und nicht um Trennungen, dürften die Loyalität des ehemaligen Torhüters auf die Probe gestellt haben. Bis heute hat sich Kessler nicht dazu geäußert, wie er die Jahre im Schatten des allmächtigen Geschäftsführers erlebte. Doch darf man davon ausgehen, dass dem 39-Jährigen nicht immer wohl war in seiner Haut. „Ich gehe die Aufgabe mit Demut an, aber trotzdem mit völliger Überzeugung. In so einer Situation das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen, ist ein großer Vertrauensbeweis“, sagte Kessler neulich dem „Express“.
Thomas Kessler hat einen besonderen Blick auf den 1. FC Köln
Nach dem Wechsel vom Bürokraten Keller zum gebürtigen Kölner Kessler, der den Verein seit Jahrzehnten lebt, ist beim 1. FC Köln also nicht die Zeit des Prassens gekommen. Doch ist dem Handeln des neuen Sportdirektors anzumerken, dass da jemand ist, der im Verein nicht nur ein Unternehmen sieht. Sondern auch ein Stück Heimat.
Insofern tut es womöglich doppelt gut, mit dem Königstransfer dieses Sommers dem Rivalen aus Düsseldorf wehgetan zu haben. Selbst wenn man dafür einen Jet chartern musste.