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Ausverkauf der Talente?Starke NLZ-Arbeit beim 1. FC Köln zahlt sich viel zu wenig aus

Lesezeit 6 Minuten
1. FC Köln vs. Jahn Regensburg, 32. Spieltag, 03.05.2025, 20.30 Uhr, von links: Max Finkgräfe, Tim Lemperle (1. FC Köln), Bild: Herbert Bucco

Max Finkgräfe (l.) und Tim Lemperle nach dem Kölner Heimspiel am 3. Mai gegen Regensburg. Für Finkgräfe dürfte es der letzte Einsatz für den FC gewesen sein, Lemperle ist bereits ablösefrei zur TSG Hoffenheim gewechselt.

Max Finkgräfe wechselt nach Leipzig. Der 1. FC Köln muss aufpassen, sonst ist von den gelobten Spielern aus dem eigenen Nachwuchs bald keiner mehr da.

Es ist etwas über ein Jahr her, da widmete sich das „Geißbockecho“, das Klubmagazin des 1. FC Köln, in einer siebenseitigen Titelstory Max Finkgräfe. „In einer sportlich schwierigen Saison“, so hieß es, sei Linksverteidiger Finkgräfe „ein Lichtblick in der Mannschaft“ des FC, die am Ende aus der Bundesliga abstieg.

In der Geschichte klang trotz der Katastrophen-Saison so etwas wie Stolz durch. Stolz, dass es das „Eigengewächs“ trotz einiger Rückschläge dank seiner Mentalität und der Förderung durch den FC nach oben geschafft hatte. Der Abwehrspieler war schließlich in der Rückrunde zum Leistungsträger avanciert.

Ende Juni 2024 rief der FC seine Fans dazu auf, für Finkgräfe bei der Wahl zum „Golden Boy des Jahres“ 2024 zu stimmen, für die er nominiert worden war. Mit riesigem, für Ausrichter „Tuttosport“ unerwartetem Erfolg. Doch trotz überwältigender Führung, die man nicht ganz so ernst nehmen durfte, und 27 Prozentpunkten mehr als Barça-Superstar und Europameister Lamine Yamal (42 zu 15) wurde der Kölner aus der Wertung genommen, da er bei einem Zweitligist spielte – so sah es das Regelwerk vor.

Finkgräfe, in Willich aufgewachsen und erst im Alter von 17 Jahren von der SG Unterrath ans Geißbockheim gewechselt und mit der U19 Pokalsieger geworden, wirkte mit dem 1. FC Köln mittlerweile wie verschmolzen. Nicht ohne Grund ließ er sich in der Sommerpause 2024 ein besonderes Tattoo stechen. Den Unterschenkel des Senkrechtstarters zierte die Jubel-Szene nach seinem ersten Profitor für den FC am 11. Februar 2024 per Freistoß zur 1:0-Führung bei der TSG Hoffenheim (1:1).

1. FC Köln: Letzte Chance auf Ablöse für Max Finkgräfe

Ein Zeitsprung hin zum 2. Juli 2025. Finkgräfe absolviert den Medizincheck bei RB Leipzig und wird einen Fünfjahresvertrag bis 2030 unterschreiben. Der Transfer soll am Donnerstag verkündet werden. Die Sachsen schließen damit eine Kader-Schwachstelle der vergangenen Jahre, Finkgräfe soll Nationalspieler David Raum auf der Linksverteidiger-Position Druck machen. Ob der 21-Jährige in Leipzig sportlich glücklich wird? Das ist offen, finanziell dürfte sich der Wechsel für ihn rentieren.

Der FC kassiert rund vier Millionen Euro Ablöse, sechsstellige Boni können dazukommen. Zudem sollen sich die Kölner nach Informationen dieser Zeitung eine Weiterverkaufsbeteiligung gesichert haben. Immerhin, mag man da mal sagen. Denn für den FC war es die letzte Chance, überhaupt eine Ablösesumme für Finkgräfe zu erzielen, denn dessen Vertrag in Köln wäre 2026 ausgelaufen.

Im Fußball ist nicht alles wie auf dem Reißbrett planbar. Doch was war passiert zwischen den FC-Elogen auf Finkgräfe und der Entfremdung ein Jahr später, die mehr oder weniger in einem Panik-Verkauf ihr Ende fand? Erst einmal persönliches Pech: Denn während der Sommer-Vorbereitung zog sich der Verteidiger einen Innenbandriss im Knie zu und fiel bis zum sechsten Spieltag aus. Doch auch nach seiner Genesung blieb dem Talent nur die Bank. Der damalige Cheftrainer Gerhard Struber setzte auf den erfahrenen Leart Pacarada. Insgesamt kam Finkgräfe nur auf sieben Startelfeinsätze und 809 Liga-Minuten.

Als der Spieler in der Hinrunde fast permanent außen vor war, machten die Kölner Verantwortlichen um den damaligen Sport-Geschäftsführer Christian Keller bei Finkgräfes Seite Vorstöße in Sachen Vertragsverlängerung. Erst im März 2024 hatte sich mit Finkgräfes Einsatz gegen Wolfsburg, dem zehnten Pflichtspiel des Talents in der Bundesliga, sein Kontrakt automatisch verlängert. Allerdings nur um ein weiteres Jahr bis 2026. Mangels sportlicher Perspektive blockte Finkgräfes Seite den Kölner Vorstoß ab.

Vielleicht kam er für sie einfach mal wieder zu spät. Der Spieler und seine Interessensvertreter sollen sich bereits gewundert haben, dass die FC-Verantwortlichen nicht bereits nach Finkgräfes starker Debüt-Saison 2023/24 mit Vertragsgesprächen auf sie zugekommen waren. Die Fronten zwischen Spieler und Klub verhärteten sich danach offenbar immer mehr. So blieb auch der nach der Demission von Keller zum Sportdirektor beförderte Thomas Kessler nach Saisonende mit seinem Versuch bei Finkgräfes Berater Dirk Pietroschinsky erfolglos, den Spieler unter neuen Vorzeichen (Aufstieg, neuer Cheftrainer, neuer Sportchef) doch noch von einer Vertragsverlängerung in Köln zu überzeugen.

Um nicht erneut einen Spieler ablösefrei zu verlieren, blieb dem FC nur noch die Möglichkeit, Finkgräfe, der auf einen Wechsel drängte, in diesem Sommer zu verkaufen. Nun hat der Aufsteiger hinten links eine weitere Baustelle im Kader, nur mit Pacarada alleine in die Saison zu gehen, wird nicht reichen. Kessler ist erneut gefragt.

Starke Arbeit des Kölner NLZ zahlt sich viel zu wenig aus

Zuletzt rühmten sich die Kölner Verantwortlichen fast mantraartig immer wieder für ihren Weg im Nachwuchs und in der Talenteförderung. „Wir sind aktuell die Mannschaft im deutschen Herren-Profifußball, die die meisten Spielminuten für Nachwuchsspieler unter 23 Jahren ermöglicht hat“, sagte Keller im Frühjahr stolz. Das war zum einen der Fifa-Transfersperre gegen den Verein geschuldet. Zum anderen der hervorragenden Arbeit im Nachwuchsleistungszentrum, wo unter teilweise (und mittlerweile für 15 Millionen Euro erheblich verbesserten) widrigen infrastrukturellen Verhältnissen immer wieder große Talente hervorgebracht werden.

Das große Dilemma: So schön die Erfolge im Nachwuchs und die Durchlässigkeit auch sein mögen, desto bitterer ist es, wenn davon am Ende die Profi-Mannschaft nur kurz oder gar nicht profitiert. Oder der FC monetär leer ausgeht oder mit besseren Almosen abgespeist wird. Der Fall Florian Wirtz (jetzt Liverpool) ist nun schon über fünf Jahre her. Der gebürtige Kölner Yann Aurel Bisseck, der zuletzt mit Inter Mailand im Champions-League-Finale stand und zum deutschen A-Nationalspieler wurde, stand zwar am Geißbockheim bis 2023 unter Vertrag, doch zu dem Zeitpunkt hatte der FC – mal abgesehen von Weiterverkaufsbeteiligungen – keinen Zugriff mehr auf den Verteidiger.

Gewiss ist nicht jede Entwicklung eines jungen Spielers absehbar – siehe auch Serhou Guirassy oder Tolu Arokodare. Doch vor allem bei den Eigengewächsen summieren sich beim Bundesligisten die handwerklichen Fehler. Justin Diehl (20) ging im Sommer 2024 ablösefrei zum VfB Stuttgart, Tim Lemperle (23) verlor der FC jüngst zum Nulltarif an Hoffenheim. Die Situation um das große Torwart-Talent Jonas Urbig (21), der eine FC-Ära prägen sollte, wurde in die Sackgasse manövriert, immerhin halfen die Bayern Köln aus dieser halbwegs heraus. Der Rekordmeister überwies für den Keeper, dessen Vertrag beim FC 2026 ausgelaufen wäre, bisher rund acht Millionen Euro.

Acht Millionen Euro will auch Southampton für Stürmer Damion Downs (20) zahlen, dessen Vertrag im kommenden Jahr ebenfalls ausläuft. U-21-Nationalmannschaftskapitän Eric Martel (23) und FC-Identifikationsfigur Jan Thielmann (23) haben auch nur noch Arbeitspapiere bis jeweils 2026. Handlungsbedarf besteht zudem bei Verteidiger-Hoffnung Julian Pauli (19, Vertrag bis 2027). Der 1. FC Köln muss aufpassen, dass von den eigenen Talenten, derer man sich so gerühmt hatte, bald keiner mehr da ist.