Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Wirtschaftsforscher gegen FeiertagEin Arbeitstag mehr würde bis zu neun Milliarden Euro bringen

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann liegt am 15.08.2017 an einem Badesee in Oranienburg (Brandenburg) auf einer Wiese und sonnt sich (gestellte Szene).

Entspannt am Feiertag? Geht es nach Wirtschaftsliberalen, haben wir bald einen Tag weniger frei.

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln rechnet vor, wie viel ein freier Tag wert ist. Kann das unsere Wirtschaft retten?

Herr Schröder, inmitten der Diskussion um Wochenarbeitszeit und Vier-Tage-Woche schlagen Wirtschaftsliberale vor, einen Feiertag zu streichen. IW-Berechnungen zufolge würde ein zusätzlicher Arbeitstag das deutsche Bruttoinlandsprodukt rein rechnerisch um bis zu 8,6 Milliarden Euro erhöhen. Wie kommen Sie auf die Zahl?

Christoph Schröder: Die Zahl ergibt sich aus Simulationsrechnungen, die der Sachverständigenrat aufgestellt hat. Die Experten haben vor 30 Jahren berechnet, was die Abschaffung des Buß- und Bettags brächte. Wenn man das auf das heutige BIP-Niveau umrechnet, kommt man auf eine zusätzliche Wirtschaftsleistung von bis zu 8,6 Milliarden Euro. Man kann auch anders rechnen: Es gibt im Jahr etwa 250 Arbeitstage, ohne Wochenenden und Feiertage. Das heißt, ein Feiertag macht ungefähr 0,4 Prozent (1/250) der Arbeitszeit aus. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Zahl der Arbeitstage pro Jahr schwankt und ein zusätzlicher Arbeitstag nicht direkt neue Aufträge bringt, landen wir bei einer Hochrechnung von rund fünf Milliarden Euro (dieser Wert ergibt sich aus Verfahren zur Kalenderbereinigung) bis eben knapp neun Milliarden Euro.

Christoph Schröder, IW Köln

Christoph Schröder forscht seit 1989 am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Er hat sich auf Einkommenspolitik, Arbeitszeiten und -kosten spezialisiert.

Ob nun fünf oder acht Milliarden Euro – allein für die Infrastruktur brauchen wir in den kommenden zehn Jahren 500 Milliarden Euro. Bringt es da überhaupt etwas, einen Tag länger zu arbeiten?

Natürlich muss man auch an anderen Schrauben drehen, um die Arbeitszeit zu verlängern. Etwa, die Teilzeitquote verringern, Zuwanderer früh in den Arbeitsmarkt integrieren und die Grenzsteuerlast senken, damit sich auch ein Sprung von Teilzeit auf Vollzeit lohnen würde. Ein zusätzlicher Werktag ist nicht als alleinige Lösung gedacht. Aber es ist eine Lösung, die man relativ schnell umsetzen könnte. Und eine Lösung, die ein Signal geben soll: Wir wollen mehr Arbeitsvolumen generieren, um die großen Ziele zu erreichen.

Ganz so einfach ist es nicht, einen Feiertag zu streichen. Das müsste erst in den Landesgesetzen beschlossen werden. SPD und Linke haben schon abgewunken, auch die CSU beharrt auch auf ihre Tradition in Bayern und bewegt sich momentan nicht.

Unser Vorschlag ist ein Diskussionsbeitrag, am Ende braucht es den politischen Willen. Die Dänen haben übrigens einen Feiertag abgeschafft, um die höheren Verteidigungsausgaben zu finanzieren. Dort sind die Löhne um 0,45 Prozent gestiegen, also im gleichen Ausmaß wie die zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden. Und es sind 400 Millionen Euro zusätzlich in den Staatshaushalt geflossen. Man kann diesen Weg also gehen.

Welchen Feiertag würden Sie streichen?

Pfingstmontag ist ein Tag, der öfter von Experten ins Spiel gebracht wird. Italien und Schweden haben ihn beispielsweise schon abgeschafft. Wir haben eine große Ballung von Feiertagen zwischen Ende April und Ende Juni, vor allem wenn Ostern so spät liegt wie in diesem Jahr. Da gibt es schon Möglichkeiten.

Wäre es nicht sinnvoller, wenn Leute unter der Woche wieder mehr arbeiten? Die wöchentliche Arbeitszeit ist in den vergangenen Jahrzehnten ja immer weiter heruntergegangen.

Da könnte man auch drüber nachdenken. Es gibt in einigen Tarifverträgen die Möglichkeit, auf Entgelt zu verzichten und dafür mehr Urlaubstage zu nehmen. Das geht ja auch andersrum: weniger Urlaubstage für mehr Geld. Mit sechs Wochen Urlaub liegen wir international an der Spitze, da könnte man auch etwas runtergehen.

Nun haben wir eine andere gesellschaftliche Situation als vor 30 Jahren. Die Bereitschaft zu arbeiten, scheint insgesamt zurückgegangen. Wenn man jetzt noch einen Feiertag streicht oder Urlaubstage kürzt, dann reduzieren womöglich noch mehr Leute ihre Wochenarbeitszeit und am Ende leiden wir alle darunter, weil weniger Geld in die Kassen kommt.

Wichtig ist, niemanden zu zwingen, mehr zu arbeiten. Das wäre das Gegenteil von motivierend. Es gibt aber auch die Bereitschaft, dass Menschen mehr arbeiten würden, wenn es entsprechende Anreize gäbe. Es gibt in jeder Generation Leistungsbereite, vor allem, wenn die Jobinhalte interessant sind und das Betriebsklima gut ist. Viele, die eine Vier-Tage-Woche in ihrem Hauptjob haben, machen noch einen Zweitjob oder bauen sich eine Selbstständigkeit auf. Auch das tut unserer Wirtschaft gut.