Der Kölner Frank Böhme hat zwei Fitness-Ketten verkauft und wurde so zum Millionär. Bis zur Finanzkrise. Dann gründete er Just Fit.
„Just Fit“-Gründer Frank BöhmeEr arbeitete bei Ford, kaufte eine Muckibude – und wurde Multimillionär

Frank Böhme, Gründer der Fitnessstudio-Kette Just Fit, in seiner Firmenzentrale in Frechen
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Ein Fitness-Imperium? Nein, sagt Frank Böhme, er habe einfach nur Spaß. Wenn Lissi Müller bei ihm trainiere und endlich keine Rückenschmerzen mehr spüre – das sei, was ihn antreibt, sagt der 64-Jährige, der die Fitnessstudio-Ketten Just Fit und Next Door gegründet hat, im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
„Vater, Mutter, Onkel, Bruder, Cousin – alle waren bei Ford. Ich auch, ich war Jungingenieur, habe gutes Geld verdient. Mir war immer klar: Ich gehe bei Ford in Rente. 1983 bin ich dann in so eine Muckibude gegangen, im tiefsten Industriegebiet in Frechen. Ich war immer sportaffin, habe leistungsmäßig Judo gemacht. Zum Missfallen meines Vaters hatte ich mir einen gebrauchten Porsche 911 vom Mund abgespart. Ein anderes Fabrikat als Ford? Er hat den Wagen gehasst. Nach sechs Monaten im Fitnessclub kam der Besitzer zu mir und sagte, Mensch, der Porsche ist aber schön. Du bist fast jeden Tag hier, jeder kennt dich. Weißt du was: Du gibst mir 50.000 Mark und den 911er, und im Tausch kriegst du die Muckibude. Ich habe zu ihm gesagt, du hast sie nicht alle. Ich war damals 22 und wohnte zuhause. Ich kam nach Hause und mein Vater wurde ganz hellhörig. Er fand das gut. Sechs Wochen später hatte ich keinen 911er mehr und 50.000 Mark Schulden. Meine Eltern hatten für den Kauf des Fitnessclubs ihr Haus beliehen. Einzige Bedingung: Ich musste bei Ford bleiben. Jetzt hatte ich eine Muckibude, aber von Tuten und Blasen keine Ahnung.“
Jede freie Minute, die er nicht bei Ford im Werk steht, verbringt Frank Böhme fortan im Studio, erzählt er heute. 95 Mitglieder hat er zu Beginn, sein „Olymp Sport- und Sonnenstudio“ ist 350 Quadratmeter groß. Er begrüßt jeden persönlich, erzählt begeistert von neuen Geräten. Nach einem Jahr hat sein Club 240 Mitglieder. Ford kann er nicht loyal bleiben. Er sitzt im Werk bei der Arbeit, lernt aber heimlich für seine Trainerausbildung. Schließlich kündigt er, voller Fokus auf das Studio.
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„Nebenan war eine Diskothek, nach zwei Jahren habe ich die gekauft, die Wand eingerissen und einen großen Club mit 700 Quadratmetern gemacht. Mit meinem Vater habe ich Ende der 80er Jahre auch noch Sonnenstudios gemacht. Die haben wir dann verkauft, und 1992 bin ich mit dem Club in eine 5500 Quadratmeter große Tennisanlage in Frechen umgezogen. Auch damals hat wieder jeder über mich gesagt, der ist wohl irre. Aber das Ding lief ab der ersten Stunde. Wir hatten nicht nur Fitness, sondern auch Badminton, Tennis, Gastronomie. Damit schossen wir durchs Dach.“
Zur Serie
„Der Weg zur Million“ erzählt die Geschichten erfolgreicher Menschen aus der Wirtschaft in Köln und dem Rheinland. Eine Million Euro sind für Unternehmerinnen und Unternehmer meist eine bedeutende Erfolgsmarke. Während manche der Protagonisten der Serie schon lange eine oder viele Millionen Euro auf dem Konto haben, haben andere die Umsatzgrenze von einer Million Euro geknackt. Sagen Sie uns, von welchen erfolgreichen Menschen aus der Region Sie gerne an dieser Stelle lesen würden: ksta-wirtschaft@kstamedien.de
Sechs Jahre später setzt Böhme seine Idee für ein Studentenkonzept in Köln um. Fitnessclubs kosten damals um die 100 Mark im Monat, das Training in Böhmes „Take-off“-Studios die Hälfte. Im März 1998 eröffnet er den ersten Laden. Mit Erfolg – die Einnahmen investiert er in das zweite Studio im Januar 1999, im September öffnet das dritte, im April 2000 das vierte. Das Geschäft brummt.
„Dann kamen die Amerikaner. Die Kette 24 Hour Fitness hat meine vier Clubs gekauft und mich zum CEO für Deutschland gemacht. Der Kaufpreis war ein zweistelliger Millionenbetrag, und es stand auch keine Eins davor. Das war ein tolles Gefühl. Aber nur ganz kurz stand für meine Frau und mich zur Debatte, ob wir mit nicht mal 40 in Rente gehen. Aber letztendlich hätten wir uns das nicht leisten können. Drei große Banken und mein Steuerberater haben uns damals geraten, das ganze Geld inklusive Steuerschuld, die es in zwei Jahren zu begleichen galt, in Aktien anzulegen. Das war 2000. Dann ist die Dotcom-Blase geplatzt, die Börsen sind gecrasht. Das Geld war weg. Und als später die Steuerschuld fällig war, hat das unsere Liquidität aufgefressen.“
Nach nur sieben Monaten schmeißt Frank Böhme den Job beim neuen Eigentümer seiner Studios hin. Eiskalt seien die mit langjährigen Mitarbeitern umgegangen, hätten sie von heute auf morgen über seinen Kopf hinweg entlassen. So kann er nicht weitermachen, zieht einen Schlussstrich, verzichtet dafür auf viel Geld. Beim Verkauf seiner Studios hat Böhme aber einem siebenjährigen Wettbewerbsverbot zugestimmt, neue Studios darf er nicht eröffnen. Also was anderes, ganz Neues: 2001 gründet Böhme Interfit, Europas ersten Fitness-Aggregator. Er kennt viele Fitnessclub-Betreiber in Deutschland. 100 von ihnen überzeugt er, Teil des Interfit-Netzwerks für Firmenfitness zu werden. Betriebliches Gesundheitsmanagement sagt man heute. Mitarbeiter großer Unternehmen, die ständig auf Dienstreise sind, sollen mit einer Mitgliedschaft bei Interfit deutschlandweit in Fitnessstudios trainieren können. Aber es bleibt nicht dabei.
„2002 habe ich mich mit viel Geld aus dem Wettbewerbsverbot herausgekauft, ich wollte wieder Studios machen. Auf der Amsterdamer Straße in Köln-Niehl habe ich das erste Just-Fit-Studio eröffnet, wir haben wieder bei null angefangen. Aber wir hatten so eine Energie, meine Gesellschafter und ich. In dem Augenblick hätten wir auch die Welt umdrehen können, ohne Geld. Wir hatten es mit Take off einmal geschafft, also schaffen wir das mit Just Fit auch. Und wir haben es geschafft, sind immer weiter gewachsen.“
17 Jahre lang wächst auch Böhmes Fitness-Aggregator Interfit rasant.
„2018 waren wir Marktführer, hatten 1800 Fitnessclubs und Golfanlagen unter Vertrag. Zu der Zeit kam die Nummer zwei auf mich zu und wollte Interfit kaufen. Ich habe gesagt, das mache ich nicht, das Ding ist eine Granate. Aber er hat gesagt, wir bezahlen jeden Preis. Ich habe ihm eine sehr hohe Summe genannt und gesagt, wenn das am Ende netto bei mir auf dem Konto landet, verkaufe ich. Da ist er aufgestanden, hat eingeschlagen und Deal gesagt. Ich war der Königsmacher. Es gab fünf Fitness-Aggregatoren, wir waren der größte. Egal, an wen ich verkaufen würde, das wäre der neue Marktführer, das war klar. Also haben sie sich überboten. Der nächste kam und hat mir eine Million mehr geboten. Aber das ging nicht, ich hatte ja schon einen Vorvertrag unterschrieben, steckte mitten in der Due Diligence, hätte eine Vertragsstrafe zahlen müssen. Dann hat der dritte angerufen und gesagt, Franky, ich höre, Du verkaufst. Auch der hat wieder mehr geboten. Dann bekam ich einen Anruf aus Berlin, ein Berater, den ich von Übernahmen kannte, war dran. Ich wollte ihn abwimmeln. Er hat gesagt, hör dir unsere Jungs an. Wir haben uns hier in meinem Büro getroffen, ich wollte nur eine Tasse Kaffee trinken und sie dann wieder verabschieden. Die hatten eine Mappe dabei, haben mir gesagt, wir gehen jetzt raus, guck rein, da ist ein Angebot drin. Wenn wir wieder kommen, sprechen wir wieder. Die gingen also raus, ich gucke rein – und sie haben mir mehr als das Doppelte des ersten Angebots geboten. Ich habe meine Frau angerufen, und sie hat gesagt, bist du bescheuert, dass du noch wartest? 2018 habe ich Interfit also für sehr sehr schönes Geld an Urban Sports Club verkauft. Für einen zweistelligen Millionen-Betrag. Bis heute bin ich Gesellschafter bei Urban Sports Club.“
Gleichzeitig sei Just Fit die reinste Erfolgsstory gewesen, sagt Böhme. 22 Studios in Köln und der Region zählt seine Kette im Frühjahr 2020. Dann kommt die Pandemie.
„Corona hat dann von einem auf den anderen Tag fast alles zerstört. Wir haben in der Regel jeden Monat 1000 Kündigungen wegen Umzug, keine Lust, kein Geld. Also müssen wir jeden Monat mindestens 1000 Mitglieder neu gewinnen. Das ist das Geschäftsmodell. Jetzt wurden wir zugemacht, hatten nicht nur 1000, sondern 12.000 Kündigungen – aber null Neukunden. Wir waren ja zu. Wir haben mehr als 20 Prozent der Kunden verloren. Gleichzeitig haben die Vermieter während Corona zweimal die Miete erhöht. Das war für uns nur deshalb nicht existenzgefährdend, weil wir sechs große Immobilien hatten, die wir im Worst Case beliehen hätten. Betriebswirtschaftlich war das aber eine Katastrophe. Vor Corona haben wir mehrere Hunderttausend Euro pro Monat verdient, nach Corona haben wir im Monat eine Viertelmillion Minus gemacht. Bis heute sind wir weit weg von dem, was wir 2019 verdient haben, aber wir sind gesund, schreiben wieder gute, schwarze Zahlen.“
2020, mitten in der Krise, sitzt Böhme mit seinen Gesellschaftern am Tisch, Er sagt, jetzt sei die Zeit, zehn neue Studios mit neuem Konzept aufzumachen.
„Mein Bruder ist erstmal aufgestanden und hat gesagt, das machst du dann aber allein, du spinnst doch. Aber ich habe ihm erklärt, was ich vorhabe: Wir bringen Fitness zu unseren Mitgliedern vor die Haustür. Das war die Geburtsstunde von Next Door – unseren Fitnessstudios ohne Personal, mit den besten Geräten, mit einem Live-Coach, der sich immer dazuschalten kann. Wir haben den ersten Club auf der Dürener Straße voll finanziert und eröffnet. Nach drei Monaten war der profitabel. Die Leute haben das sofort angenommen. Jetzt machen wir gerade Nummer zehn und elf auf. Und wir haben unseren ersten Franchise-Nehmer, in Düsseldorf.“
Frank Böhme will sein Unternehmen noch ein paar Jahre führen, er könne seine Füße nicht stillhalten. Es begleitet ihn seit 41 Jahren.
„Meine Frau ist seit der ersten Stunde dabei, sie war schon während der Ford-Lehre meine Freundin. Mein Bruder war in den ersten Jahren meine linke und meine rechte Hand, heute ist er Mitgesellschafter. Meine Cousins, mein Schwippschwager, Tanten, Onkel, alle haben früher mitgemacht. Mein Sohn will meinen Job leider nicht übernehmen. Vor einem Dreivierteljahr hat er gesagt: 800 Mitarbeiter, 800 Kopfschmerzen – das ist nicht meine Welt, dafür bin ich nicht geboren. Ich musste echt schlucken. Dass er mir nachfolgt, war ja schon angekündigt. Jetzt weiß ich: Er hat Recht. Er muss sich nicht auf meinen Stuhl setzen, um erfolgreich zu sein.“
Die größte Herausforderung als Unternehmer war für Frank Böhme weder die Nachfolgefrage noch der Verlust der ersten Millionen oder Corona. Sie kam viel früher.
„Ganz zu Beginn war das, als ich vom 700-Quadratmeter-Studio auf 5500 Quadratmeter bin. Bis dahin war es im Grunde eine One-Man-Show. Ich habe alles gemacht – Kaffee gekocht, Probetrainings, an der Theke verkauft, war am Telefon, war Trainer, habe am Wochenende geputzt. Und jetzt saß ich auf einmal in meinem Glasbüro und all das ging nicht mehr. Ich hatte viele neue Mitarbeiter, die jetzt meinen Lieblingsjob machten – die Leute zu bespaßen. Ich saß da und habe von morgens bis abends nur noch die blöden Zahlen angeguckt. Der Wandel vom Fitnessstudio-Besitzer zum Unternehmer, das war das schwierigste. Bis heute wäre ich lieber unten auf der Trainingsfläche zwischen den Menschen.“
Wer Unternehmer sei, müsse das mit Herzblut machen, sagt Böhme.
„Wer das macht, um Millionär zu werden, scheitert.“
Frank Böhme wurde 1961 in Köln-Lindenthal geboren. Er ging in Frechen zur Schule und arbeitete ab 1980 bei Ford in Köln, war dort Lehrling und Jung-Ingenieur. 1984 übernahm er sein erstes Fitnessstudio und betrieb später Sonnenstudios. Seine erste Fitnesskette „Take Off“ gründete Böhme 1997. Drei Jahre später verkaufte er sie an das US-Unternehmen 24 Hour Fitness.
2001 gründete Frank Böhme Europas erstens Fitness-Aggregator und verkaufte ihn 17 Jahre später. Heute ist das Geschäftsmodell durch Urban Sports Club und andere Anbieter bekannt. 2002 gründete Frank Böhme mit seinem Bruder, seinem Cousin und seinem besten Freund die Studiokette Just Fit.
22 Fitnessstudios betreibt Frank Böhme unter der Marke Just Fit in Köln und der Region. Der Firmensitz ist in Frechen.