Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Artistin beim Kölner Cirque Bouffon„Versuche wegzukommen vom Zirkus, der Tricks präsentiert“

Lesezeit 4 Minuten
Artistin Johanna Gorzellik vom Weihnachtszirkus Bouffon

Artistin Johanna Gorzellik vom Weihnachtszirkus Bouffon in der Kirche Sankt Michael am Brüsseler Platz

Johanna Gorzellik ist Akrobatin beim diesjährigen Cirque Bouffon. Was einen guten Handstand ausmacht, verrät die 26-Jährige im Gespräch.

Die Kunst besteht darin, es leicht aussehen zu lassen, federleicht. Wenn Johanna Gorzellik ihre Hände auf den Stangen abstützt, sich mit einem Schwung hochhievt, und in eleganter Pose verharrt, den Blick fest ins Publikum gerichtet, kann sich die Zuschauerin nicht der Frage entziehen: Wie schafft es dieser zarte, bewegliche Mensch, so eine Kraft aufzubringen? Ihre Hand trägt den Körper, die Beine sind zu einem Spagat geöffnet.

Beim Handstand komme es auf eine gute Balance an, sagt die Artistin in der Kirche Sankt Michael am Brüsseler Platz. Wir treffen die 26-Jährige kurz vor der Probe, am Abend steht sie wieder auf der runden Bühne und verrenkt sich vor Hunderten Zuschauern, die gekommen sind, um die Weihnachtsshow „Angelo“ des Cirque Bouffon zu sehen.

Johanna Gorzellik macht einen einhändigen Handstand

Bis zum 5. Januar ist Johanna Gorzellik in der Weihnachtsshow zu sehen.

Handstand-Nummer beim Cirque Bouffon

„Ich trainiere fünf Mal die Woche den Handstand, etwa anderthalb Stunden lang. Daneben mache ich auch Krafttraining und Dehnübungen, die sind super wichtig. Beim Handstand steht man in einer Linie und wenn die Schulter beispielsweise nicht gut trainiert ist, funktioniert die Balance nicht mehr“, sagt Gorzellik. Beim Cirque Bouffon, der noch bis zum 5. Januar in der Kirche gastiert, ist Gorzellik zum ersten Mal dabei. Die Artistin hat im Sommer ihr Zirkus-Studium, Disziplin Handstand, in Stockholm absolviert.

Alles zum Thema Brüsseler Platz

Ihre Abschlussarbeit: eine Handstand-Performance, für die sie sechs Stangen statt zwei verwendet. So kann sie ihre Bewegungen fließender gestalten. „Das ist der Versuch, wegzukommen vom Zirkus, der Tricks präsentiert. Ich habe angefangen, mit mehreren Stangen zu arbeiten, weil ich sonst das Gefühl habe, dass meine Bewegung bricht. So kann ich mich mit den Händen und den Füßen bewegen.“

Gorzellik lebt nun in Berlin, gerade sortiert sie ihr Leben neu. In der Zirkus-Welt ist es üblich, von Projekt zu Projekt, von Bühne zu Bühne, von Stadt zu Stadt zu wandern. Doch sie kehrt immer wieder nach Berlin zurück und freut sich darüber. „Für mich ist es wichtig, diesen Ort zu haben, wo ich immer wieder zurückkehre.“ Dass die Ensembles immer bunt zusammengewürfelt sind, findet Gorzellik schön. Klar, es könne auch anstrengend sein, immer wieder von vorne zu beginnen, mit neuen Leuten Bekanntschaft zu schließen. Doch der Zirkus verbinde sie. „Dennoch habe ich auch feste Freundschaften, die nicht verloren gehen, auch wenn ich die Leute nicht oft sehe.“

Beim Kinder- und Jugendzirkus zunächst einiges ausprobiert

Den Zirkus liebt Gorzellik seit der Kindheit. Alles begann mit dem Kinder- und Jugendzirkus Waldoni in der Heimat Darmstadt. Dort lernte sie verschiedene Disziplinen kennen, der Fokus lag zunächst eher auf dem Sozialen, doch es gab auch erste Bühnenauftritte. Als Jugendliche hatte sie einen Handstand-Trainer, der selber Artist war. „Da habe ich das dann gelernt. Ich mochte es gerne dort. Man konnte sich sehr dolle einbringen, wenn man wollte. Die kreativen Prozesse haben mir schon immer sehr viel Spaß gemacht.“

Trotzdem hat Gorzellik nach dem Abitur zunächst Psychologie in Heidelberg studiert. Den Bachelorabschluss hat sie in der Tasche. „Ich war lange unentschlossen, ob ich professionelle Zirkusartistin sein will oder das vielmehr nebenher machen möchte.“ Doch auch während ihres Studiums habe der Zirkus so viel Raum eingenommen, dass sie gegen Ende wusste, dass sie es zum zentralen Lebensinhalt machen musste. Genutzt hat ihr das Studium dennoch. 

Johanna Gorzellik verortet sich im zeitgenössischen Zirkus

Das wissenschaftliche Arbeiten, kommt ihr auch für den Zirkus zugute: Sie liest viel über Zirkustheorie, setzt sich kognitiv damit auseinander. Das wiederum präge sie, wenn sie eine Performance kreiert. Gorzellik verortet ihre Bewegungskunst beim zeitgenössischen Zirkus.

Der sei in Köln durch das Circus Dance Festival in Riehl gut vertreten. Bis auf den Besuch dort kannte sie Köln noch nicht. Wenn sie hier mal nicht in der Kirche Sankt Michael auf der Bühne steht, bummelt sie gern im Belgischen Viertel, wo es viel zu entdecken gebe. „Das ist ein super schöner Ort, mit all den Cafés und kleinen Geschäften.“ Bei der Weihnachtsshow „Angelo“ kann man Gorzellik zweimal bewundern: im ersten Teil mit ihrer Handstand-Nummer, im zweiten als Luftakrobatin an den Bändern.