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Neue BeleuchtungJetzt funkelt der Kölner Dom – Umweltschützer beklagen „Lichtsünde“

Lesezeit 6 Minuten
Die neue LED-Beleuchtung soll energiesparend sein und die Architektur der gotischen Kathedrale hervorheben. Am neuen Beleuchtungskonzept gibt es aber auch Kritik.

Die neue LED-Beleuchtung soll energiesparend sein und die Architektur der gotischen Kathedrale hervorheben. Am neuen Beleuchtungskonzept gibt es aber auch Kritik.

Vor dem Start der neuen Beleuchtung für den Kölner Dom kommt es bei einem Protest des BUND auf der Domplatte zu Handgreiflichkeiten.

Beim symbolischen Knopfdruck ist es genau 21.23 Uhr. Von den Turmspitzen des Doms an fällt Licht wie Sternenstaub über die ganze Breite der Fassade nach unten. Etage für Etage, erst an den Türmen entlang, dann über die Turmfreigeschosse und die Höhe des Mittelschiffs bis herunter zum Boden. Danach wird die neue Beleuchtung für einen Moment ausgeschaltet, um dann den ganzen Dom zu erfassen. Lautes Juchzen und Applaus begleiten jeden einzelnen Schritt.

Inszenieren, darauf versteht sich die katholische Kirche – auch im Umgang mit Licht. Die Verantwortlichen des Doms, die das Werk zusammen mit der Stadt Köln und der Rhein-Energie vollbracht haben und jetzt gemeinsam an einem roten Buzzer zum Start der Beleuchtung posieren, sind voll des Stolzes und der Begeisterung über das Ergebnis dreijähriger Planungs- und Installationsarbeiten.

Herausforderung: Am Dom darf kein einziges Loch gebohrt werden

Die neue Beleuchtung sei „so präzise und punktgenau wie noch nie zuvor“, schwärmt Dombaumeister Peter Füssenich. Die 700 über die gesamte Außenhaut der Kathedrale verteilten LED-Leuchten brächten die Dreidimensionalität des Baus ungleich besser zur Geltung als die bisherigen Halogenlampen, mit denen der Dom von außen angestrahlt wurde.

Alles zum Thema Henriette Reker

Dombaumeister Peter Füssenich, Rhein-Energie-Chef Andreas Feist, Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Dompropst Guido Assmann stellten die neue Dombeleuchtung vor.

Dombaumeister Peter Füssenich, Rhein-Energie-Chef Andreas Feist, Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Dompropst Guido Assmann stellten die neue Dombeleuchtung vor.

Für den Hausherrn, Dompropst Guido Assmann, wäre kein Termin als Auftakt für das neue Beleuchtungskonzept geeigneter gewesen als Ostern – mit Ausnahme des Dreikönigsfests vielleicht. Im Fest der Auferstehung Jesu und seines Siegs über den Tod komme auch die Sehnsucht der Menschen nach der Hoffnung schenkenden Kraft des Licht zum Ausdruck. Auch Menschen, die den christlichen Glauben nicht teilten, könnten so ihre Freude am Dom in neuem Licht haben.

Andreas Feicht, Chef der Rhein-Energie, geht das Ganze – seiner Profession gemäß – etwas nüchterner an. Sein Unternehmen, das den Einbau der 2,3 Millionen teuren Lichtanlage am Weltkulturerbe Dom übernommen hat, habe die Verantwortung gespürt, die das bedeute. Und auch die technische Herausforderung – schließlich „darf man am Dom kein einziges Loch bohren“. Aber auch der Mann fürs Technische nennt es einen „unglaublich faszinierenden, emotionalen Effekt“, wie die neue Beleuchtung die Konturen des Doms – einem 3-D-Modell gleich - hervortreten und den Bau „von innen heraus leuchten“ lasse.

OB Reker: Dom wird „vom Diamanten zum Brillanten“

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat die Metapher des Abends parat: Der Dom, Wahrzeichen der Stadt und Identifikationsobjekt aller Kölnerinnen und Kölner, sei ein Diamant. Die neue Beleuchtung mache ihn jetzt zum funkelnden Brillanten.

Als Edelsteinschleifer für den Diamanten Dom hat sich die Bonn/Berliner Lichtplanungsfirma „Licht Kunst Licht“ betätigt. Ihr Chef Andreas Schulz ist eigens gekommen, auch um seine Arbeit gegen die Kritik von Umwelt- und Naturschützern zu verteidigen.

BUND beklagt: Lichtverschmutzung sei für Tiere tödlich

Der BUND Köln hat eine Stunde vor der Inbetriebnahme der neuen Beleuchtungsanlage zu einem Pressegespräch vor dem Domforum geladen. Das Wort „Lichtsünde“ auf einem der mitgebrachten Pappschilder bringt die Bedenken auf den Punkt. Die Beleuchtung, wiewohl energiearm, sei wegen ihres Beitrags zur weiteren Lichtverschmutzung der City nicht nur tödlich für Insekten, sondern sie schade auch nachtaktiven Tieren am Dom wie Fledermäusen, Falken oder Eulen. Mit der in der Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ des Papstes geforderten Bewahrung der Schöpfung sei das nicht vereinbar.

Der BUND wittert eine mangelnde Beteiligung der Naturschutzbehörde und womöglich gar Verstöße gegen das Bundesnaturschutz, weil die Belange streng geschützter Arten nicht angemessen berücksichtigt seien. Ein in jedem Winkel beleuchtetes Gebäude störe und vertreibe Tiere. Der frühere Grünen-Ratsherr Jörg Frank vermisst einen Ratsbeschluss, den es für die Illumination eines so zentralen Bauwerks nach seiner Ansicht gebraucht hätte. Er fragt auch nach Bauantrag und Baugenehmigung. Am Dom, so Frank, sei schlicht „nach Kölner Landrecht“ verfahren worden.

Naturschützer setzen auf Kompromisse statt Klage – vorerst

Reker wird das später vehement bestreiten. Der Rat habe schließlich das Geld für die neue Dombeleuchtung freigegeben. „Wenn es darüber hinaus Beschlüsse gebraucht hätte, hätte ich sie herbeigeführt“, sagt die OB. Selbstverständlich handele es sich um eine Abwägung – zwischen Lichtinszenierung und Naturschutz. Die habe man sorgfältig und verantwortungsvoll getroffen. „Gar nicht beleuchtet wäre noch besser“, sagt Reker – hypothetisch. Denn damit würden nicht nur eine Million Kölnerinnen und Kölner enttäuscht, sondern auch alle ihre Gäste.

Der Naturschutzverein BUND informierte bei einer Pressekonferenz über seinen Protest gegen die neue Dombeleuchtung.

Der Naturschutzverein BUND informierte bei einer Pressekonferenz über seinen Protest gegen die neue Dombeleuchtung.

Eine Klage gegen die neue Anlage, sagen Frank und BUND-Vorstandsmitglied Helmut Röscheisen, wäre „das letzte Mittel“. Man verstehe schließlich durchaus das Anliegen, den Dom als Werbeträger für Köln effektvoll in Szene zu setzen. Aber das dürfe nicht auf Kosten der Fauna und Flora gehen. Vorerst setzen die Naturschützer auf Gespräche und auf Kompromisse: gedimmtes Licht mit einer Lichttemperatur von weniger als 3000 Kelvin – und Abschaltung der Beleuchtung ab 22 Uhr.

Hitziges Wortgefecht und Handgreiflichkeiten auf der Domplatte

Als Andreas Schulz den BUND-Leuten in die Parade fährt und ihnen vorwirft, falsche Daten zu verbreiten, wird es kurz turbulent auf der Domplatte – bis hin zu Handgreiflichkeiten. „Hauen Sie ab!“, schreit Röscheisen Schulz an. Er könne ja später in der Dom-Pressekonferenz seine Sicht der Dinge vortragen. Er wolle doch nur diskutieren, entgegnet Schulz. „Wir wollen aber jetzt nicht mit Ihnen diskutieren“, fährt Jörg Frank dazwischen, „verflucht noch mal“.

Das hitzige Wortgefecht zeigt: Alles, was mit dem Dom zu tun hat, ist in Köln von hohem Gefühlswert. Reker wie auch Füssenich und Feicht betonen in ihren Statements mehrfach, der Umwelt- und Naturschutz sei auch für sie leitend gewesen. Sie verweisen auf eine erhebliche Einsparung von Energie durch die LED-Technik, vor allem aber auf eine Beleuchtung mit nur mehr minimalem Streu-Effekt.

Satellitenbilder der alten Beleuchtung hätten gezeigt, dass der Dom nachts tatsächlich das hellste Gebäude der Stadt war – in Licht gehüllt wie in einen Nebel, sagt Schulz. Das ändere sich jetzt. Spezielle Messungen der „Leuchtdichte“ – die Helligkeit auf einer bestimmten Fläche – hätten mit der neuen Beleuchtung einen geringeren Wert ergeben als vorher mit den Flutlichtstrahlern. „Der Dom wird insgesamt sogar dunkler, aber akzentuierter“, sagt Schulz.

Dombaumeister Füssenich findet einerseits, die Kritiker träfen mit dem Dom „das falsche Gebäude“. Er macht aber einen Schritt des Entgegenkommens, verspricht weitere „Feinjustierungen“ der Beleuchtung und einen eigenen Nachtmodus. „Wir passen schon auf die Schöpfung auf“, sagt Füssenich und hat gleich noch einen Kalenderspruch zur Symbolik der neuen Beleuchtungsanlage auf Lager: „Wenn alles schläft, dann wacht der Dom.“


Die neue Anlage in Zahlen:

Es wurden 700 neue LED-Leuchten installiert und zwölf Kilometer neuer Kabel verlegt.

Der jährliche Stromverbrauch soll von 215.000 Kilowattstunden auf 44.000 Kilowattstunden sinken, eine Reduzierung um 80 Prozent – abhängig von der Zahl der eingeschalteten Lampen und der Lichtstärke. Die Farbtemperatur ist variabel zwischen 2200 und 6000 Kelvin.

Die Stromersparnis entspreche dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 50 Vier-Personen-Haushalten. Die jährliche CO2-Einsparung beläuft sich auf 63 Tonnen (bei einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 363 Gramm pro Kilowattstunde).

Beleuchtungszeit ist die Phase von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Ab 1 Uhr nachts ist vorgesehen, die Beleuchtung zu dimmen.

Die jährlichen Kosten für Stromverbrauch und Wartung lagen bisher bei 8300 Euro. Die künftige Summe kann im Moment nur geschätzt werden. Finanziert wird die Anstrahlung des Doms von der Stadt, genauer über das Straßenbeleuchtungsbudget beim Amt für Verkehrsmanagement. Ab 1 Uhr nachts übernimmt der Verein „Leuchtendes Köln“ die laufenden Stromkosten.