Der „Runde Tisch Frieden“ in Chorweiler galt als vorbildliche Initiative für interreligiösen Dialog. Seine Zukunft ist nun offen.
Eklat um FriedensinitiativeSynagogen-Gemeinde Köln verlässt Runden Tisch und beklagt grassierenden Antisemitismus

Beim Abendfrieden in Chorweiler wird regelmäßig eine Friedensglocke geläutet. Das interreligiöse Ritual gibt es seit zehn Jahren.
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Der „Runde Tisch Frieden“ gilt als eine der wichtigen interreligiösen Initiativen in Köln. Protestanten, Katholiken, Aleviten, Juden und Muslime kommen seit zehn Jahren in Chorweiler zusammen, um Zeichen für Frieden und Verständigung zu setzen.
„Das Miteinander war in den vergangenen Jahren immer von Respekt geprägt und ein wichtiger Beitrag zum Dialog der Religionen und Kulturen in Köln“, erinnert sich Bettina Levy, Vorständin der Synagogen-Gemeinde Köln. Damit ist es vorerst vorbei: Auf einer Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag im Begegnungszentrum Chorweiler haben die Vorstände Abraham Lehrer und Bettina Levy den Austritt der Synagogen-Gemeinde aus dem Zusammenschluss erklärt.
Eine Kaperung der Friedensglocke Chorweiler durch pro-palästinensische Positionen können und werden wir aber nicht akzeptieren. Damit hat sich die Initiative von ihrem ursprünglichen überparteilichen und interreligiösen Charakter entfernt
Besonders schwerwiegend sei der Umgang der Initiative mit dem geplanten Besuch von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gewesen, der kurzfristig abgesagt worden war. Vordergründig hieß es, dass sich ein Besuch Wüsts beim „Abendfrieden“ auch als Wahlkampfauftritt deuten lasse. „Dieser Argumentation hätte ich sogar noch folgen können, auch wenn ich sie für abwegig halte“, sagte Abraham Lehrer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Intern soll es auch heftigen Widerstand gegen den Besuch Wüsts gegeben haben, weil der „einseitig auf der Seite Israels“ stehe.
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Mail mit Verunglimpfungen gegen Ministerpräsident Wüst
Die Synagogen-Gemeinde zitierte in ihrer Stellungnahme eine Mail ans Bürgerzentrum Chorweiler, das Mitglied des „Runden Tisch Frieden“ ist, die mutmaßlich von einem anderen Mitglied des Runden Tischs stammt. Darin heißt es, die Einladung Wüsts sei „ein Skandal“, der NRW-Ministerpräsident stehe „für eine bedingungslose Unterstützung Israels, eines Staates, der im Gazastreifen Völkermord und Apartheid begeht“. Wüst solidarisiere sich uneingeschränkt mit Israel, „egal, wie viele Palästinenser:innen sterben“. Es ist ein Schreiben, das auch strafrechtlich relevant sein könnte. Mehrere solcher Mails seien beim Bürgerzentrum eingegangen, sagt Abraham Lehrer. „In einer wurde gedroht, dass eine Gegendemonstration mit mindestens 50 Leuten organisiert wird, sofern der Ministerpräsident nicht ausgeladen wird.“

Bettina Levy von der Synagogen-Gemeinde Köln
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Die Mail sei „über die Köpfe unserer Gemeinde hinweg verschickt worden“, sagte Bettina Levy. „In die leider völlig eskalierte Diskussion über eine Ausladung von Ministerpräsident Wüst, dessen Kommen zum zehnjährigen Bestehen der Friedensglocke und am Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs fest geplant war, wurden wir nicht eingebunden.“
Der Vorfall bestätigt den Trend, dass die Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft stark bröckelt
Statt mit Menschen aller Religionen für den Frieden zu beten, besuchten Hendrik Wüst und CDU-OB-Kandidat Markus Greitemann am Montagabend das Begegnungszentrum der Synagogen-Gemeinde in Chorweiler.
„Der Vorfall bestätigt den Trend, dass die Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft stark bröckelt“, sagt Abraham Lehrer. Jüdische Kinder und Jugendliche, die nicht in jüdische Schulen gehen, berichteten von einem „enormen Anstieg von Mobbing, Diffamierung und Antisemitismus“. Viele Mitglieder der Gemeinde wüssten nicht, „wie und ob es in Deutschland für sie weitergehen kann“. Im Falle der Eskalation bei der Friedensglocke fühle sich die jüdische Gemeinde „auch von den Kirchen und Verbänden wie der Ditib im Stich gelassen“.
Initiative soll Miteinanderpreis für Demokratie und Vielfalt bekommen
Dass „nicht mehr miteinander, sondern oft zuerst übereinander gesprochen“ werde, sei „leider eine neue Realität“, so Levy. „Wird die jüdische Gemeinschaft Köln künftig ausgeladen, wenn es um die Politik des Staates Israel geht?“
Am 7. September sollte der „Runde Tisch Frieden“ beim städtischen Ehrenamtstag den Miteinanderpreis für Demokratie und Vielfalt bekommen. Ob das so bleibt, ist wie die Zukunft der gesamten Initiative offen. Die Stadt Köln antwortete am Dienstag auf Fragen aktuell nicht.