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Ex-Rocker getötetVerfassungsgericht kippt Urteil um Auftragsmord neben Kölner Brauhaus

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Ermittler sicherten Spuren neben einem Brauhaus im Mülheimer Böcking-Park.

Ermittler sicherten Spuren neben einem Brauhaus im Mülheimer Böcking-Park.

Das Bundesverfassungsgericht hat die eigentlich rechtskräftige Entscheidung beanstandet. Es kommt zum neuen Prozess.

Der spektakuläre Indizienprozess um einen per Kopfschuss getöteten Ex-Hells-Angels-Rocker in Mülheim muss wiederholt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat ein bereits rechtskräftiges Urteil vom Landgericht in letzter Instanz doch noch gekippt. Beim zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilten Hami S. (28) sei gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoßen worden.

Köln: Richter sprach von öffentlicher Hinrichtung in Mülheim

Richter Achim Hengstenberg sprach in der damaligen Urteilsbegründung von einer „öffentlichen Hinrichtung“ unweit eines Brauhauses, als er den Mord an dem Ex-Rocker Eren Y. (35) in Mülheim bewertete. Das Motiv des Auftragsmords blieb unklar – die Rede war von Revierstreitigkeiten im Rockermilieu und Schulden. Der Ablauf der Tat ließ sich laut Gericht jedoch rekonstruieren.

Der 28-jährige Angeklagte begrüßt seinen Verteidiger beim Prozessauftakt im Landgericht Köln.

Der 28-jährige Angeklagte begrüßt seinen Verteidiger beim Prozessauftakt im Landgericht Köln.

Am Tattag erschienen die früheren Rocker Marco C. (28) und Emre U. (32) zunächst an der Wohnung von Eren Y., trafen ihn dort jedoch nicht an. Später begegneten sie ihm vor einem Fitnessstudio. Laut Aussage von Eren Y.s Freundin sei die Stimmung zunächst normal gewesen, man kannte sich. Dann fielen plötzlich Schüsse. Y. starb noch am Tatort, seine Freundin wurde schwer verletzt.

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Ein Kellner aus dem nahegelegenen Brauhaus versorgte die stark blutende Halswunde der Frau mit Servietten und einer Tischdecke. Die mutmaßlichen Schützen sind bis heute auf der Flucht. Als Auftraggeber galt laut Anklage der Staatsanwaltschaft und erstem Urteil der Ex-Rocker Hami S. – Handyauswertungen belegten eine intensive Kommunikation mit den Tätern vor und nach dem Mord.

Köln: Wichtiger Zeuge sagte im ersten Prozess nicht aus

Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil des Landgerichts bestätigt, woraufhin die Verteidigung Verfassungsbeschwerde einlegte. Die Anwälte rügten, dass das Landgericht einen zentralen Zeugen in der Verhandlung nicht gehört hatte. Der in die Türkei geflüchtete Verdächtige Emre U. wollte letztlich per Videoschalte aussagen. Angeblich wollte er den Angeklagten Hami S. entlasten.

Laut Kölner Landgericht sei aber allein eine persönliche Aussage im Saal zielführend gewesen. Deshalb hatte der Richter dem mutmaßlichen Mörder sogar freies Geleit zugesichert. Emre U. hätte trotz bestehenden Haftbefehls unbehelligt nach Deutschland ein- und wieder ausreisen dürfen. Doch U. lehnte die Reise nach Köln ab. Damit war die geplante Zeugenvernehmung gescheitert.

Köln: Beschuldigter gilt weiter als dringend tatverdächtig

Die Verfassungsrichter kritisierten, dass der wichtige Zeuge trotz signalisierter Bereitschaft – zuletzt war er auch einverstanden, vor dem türkischen Gericht zu erscheinen – nicht aussagen durfte. Damit sei dem Angeklagten, der die Höchststrafe erhalten und stets seine Unschuld beteuert hatte, ein gravierender Nachteil entstanden. Im neuen Prozess müsste Emre U. demnach gehört werden.

Aus dem Schneider ist der Beschuldigte aber nicht. Hami S. bleibt in Haft, gilt weiterhin als dringend tatverdächtig. Denn grundsätzlich beanstandete das Bundesverfassungsgericht das ergangene Urteil und die Beweiswürdigung nicht. Allerdings könnte sich die Indizienlage durch eine Zeugenaussage des mutmaßlichen Schützen entscheidend ändern. „Ich bin froh, dass das Bundesverfassungsgericht unserer Auffassung gefolgt ist, dass der Zeuge dringend hätte gehört werden müssen“, sagt Verteidiger Leonhard Mühlenfeld. Nun bestehe die Chance, dass die ganze Wahrheit ans Licht komme.