Zwei parallel stattfindende Verfahren sorgten am Dienstag für Alarmstufe Rot am Kölner Landgericht.
„Kölner Drogenkrieg“-ProzesseStaatsanwältin fordert Haftstrafen – Kronzeuge per Helikopter eingeflogen

Der Kronzeuge und gleichzeitig Angeklagte Mohammed B. wurde per Helikopter zum Gericht gebracht.
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Der erste am Landgericht gestartete Strafprozess im Komplex „Kölner Drogenkrieg“ steht vor dem Abschluss. Am Dienstag beantragte Oberstaatsanwältin Ellen Neiß mehrjährige Haftstrafen für drei Angeklagte. Die sollen 703 Kilogramm Marihuana in einer Lagerhalle entgegengenommen und bewacht haben. Einen der Beschuldigten machte Neiß als Verräter aus – mindestens Schmiere soll dieser bei einem Raubgeschehen zum Nachteil eines Kollegen der Drogenbande gestanden haben. In einem Parallelprozess wurde ein Kronzeuge eingeflogen.
Köln: Angeklagte sollen Drogen bewacht haben
Der gewaltsame Diebstahl von 350 Kilogramm der in Hürth gelagerten Drogen im Juni 2024 hatte eine beispiellose Gewaltserie in Köln und dem Umland ausgelöst. Der mutmaßliche Bandenboss Sermet A. – gegen ihn wurde erst kürzlich Anklage erhoben – soll alles versucht haben, das Cannabis wiederzubeschaffen. Zur Einschüchterung kam es zu Explosionen vor Wohnhäusern, verdächtige Personen auch aus den eigenen Reihen wurden als Geisel genommen und gefoltert.

Die drei Angeklagten mit ihren Verteidigern beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht.
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Nach der Beweisaufnahme zeigte sich Oberstaatsanwältin Neiß überzeugt davon, dass alle drei Angeklagten als Gehilfen für Sermet A. tätig waren und dessen Drogengeschäfte unterstützt haben. Eine führende Rolle hätten sie bei der Tat nicht eingenommen, „sie waren in die Gruppenhierarchie eingebettet“. Heißt: Sie hätten als Handlanger des Drogenbosses agiert und dessen Anweisungen befolgt. Der eigentliche Strafrahmen könne daher gemildert werden, erklärte die Oberstaatsanwältin.
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Köln: Staatsanwältin erkennt Aufklärungshilfe an
Der 22-jährige Saddam B. soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft für sechseinhalb Jahre ins Gefängnis. Er habe Reue geäußert, im Prozess aber auch erst sehr spät ausgesagt. Da er sich zur Rolle seiner Mittäter nicht geäußert habe, könnten seine Angaben auch nicht als vollständiges Geständnis gewertet werden. Ähnlich die Argumentation zum 25-jährigen Aymen S., der auch aufgrund erheblicher und einschlägiger Vorstrafen für sieben Jahre und neun Monate ins Gefängnis soll.

In dieser Lagerhalle in Hürth wurden 703 Kilogramm Marihuana untergebracht.
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Anders bewertete die Oberstaatsanwältin den Sachverhalt beim 22-jährigen Aymen G. Der soll für seine Beihilfe am Drogengeschäft nur für dreieinhalb Jahre in Haft. Die milde Forderung begründete Neiß mit geleisteter Aufklärungshilfe im Ermittlungsverfahren. G. habe Ross und Reiter genannt und den Ermittlern einen wichtigen Einblick in die Struktur der Kalker Drogenbande gegeben. Das müsse man anerkennen, auch wenn der Angeklagte diese Angaben beim Prozess nicht wiederholt habe.
Köln: Beteiligung am Drogenraub stritt Aymen G. ab
Abgestritten hatte G., am Marihuanaraub beteiligt gewesen zu sein. Saddam B. war auch laut eigenen Angaben zum Tatzeitpunkt als Bewacher eingesetzt und von einem Rollkommando überwältigt worden. Drei Minuten, bevor die Räuber die Lagerhalle stürmten, sei G. am Tatort aufgetaucht – das belegten Standortdaten des Handys. Er sei also mindestens zur Absicherung eingesetzt worden, so die Oberstaatsanwältin. Neiß forderte daher insgesamt eine Strafe von siebeneinhalb Jahren Haft. Die Plädoyers der Verteidigung sollen in der kommenden Woche gehalten werden.

Die Angeklagten mit ihren Verteidigern beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht.
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Parallel startete am Dienstag der Prozess gegen sieben Beschuldigte, die an einer Geiselnahme in Bochum beteiligt gewesen sein sollen. Ein Pärchen, dessen Umfeld ebenfalls des Drogenraubes verdächtigt wurde, war in eine Villa in Rodenkirchen verschleppt und misshandelt worden. Als Lockvogel soll der 25-jährige Fauzi K. agiert haben, der sich „Goldpate“ nennt – weil er mit einer vergoldeten Schusswaffe hantiert haben soll. K. soll die entführte Frau schon vorher gekannt haben.
Köln: Nächster „Drogenkrieg“-Prozess konnte nicht regulär beginnen
Der „Goldpate“ war es, dem die Lage in der Villa „zu heiß“ wurde. Er flüchtete und offenbarte sich der Polizei. Die Geiseln konnten daraufhin befreit werden. Auch Fauzi K. darf daher auf Strafmilderung durch seine Aufklärungshilfe hoffen. Dies gilt auch für den 24-jährigen Mohammed B., der in einer 800 Seiten füllenden Vernehmung den Bandenboss und weitere Komplizen belastet hatte. Er befindet sich im Zeugenschutzprogramm und wurde zu seinem Schutz per Helikopter zum Gericht gebracht.
Starten konnte der aufwändige Hochsicherheitsprozess am Dienstag jedoch nicht regulär. Da sich einer der Verteidiger am Vortag krankgemeldet und sich gegen einen Ersatzanwalt ausgesprochen hatte, konnte nicht einmal die Anklage verlesen werden. Denn einer der Beschuldigten saß ganz allein auf der Anklagebank. Der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg vertagte den Prozess daraufhin auf Mittwoch – mit der geäußerten Hoffnung auf einen dann vollständig genesenen Strafverteidiger.