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Kommentar

Wofür ich Köln liebe
Erzählkreise am Ebertplatz – Wo es niemals langweilig wird

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Abkühlung im Brunnen am Ebertplatz. Foto: Arton Krasniqi

Der Ebertplatz hat auch schöne Seiten.

Es ist Zeit, die öffentliche Wahrnehmung des Ebertplatzes zu revidieren, findet Reporter Tim Drinhaus. Hier kann man sich in Köln verlieben.

Ob Rex oder Filmpalast, Cinenova oder Odeon, Residenz oder Filmpalette: Ich muss mich gleich zu Beginn dieser Liebeserklärung wohl als kinosüchtig outen, denn an diese Orte verschlägt es mich mehrmals pro Woche. Seitdem ich erstens herausgefunden habe, dass der Mythos mit den viereckigen Augen lediglich der Abschreckung kleiner Kinder dient, nicht zu viel vor dem Bildschirm zu hocken, und zweitens, was eine „Cineville“-Karte ist, hält mich nichts mehr davon ab, Kinobesuche zu meinem Lieblings-Hobby zu erklären.

Was ein Kino über sein Veedel aussagt

Während ich diesem so nachgehe, erkunde ich ganz nebenbei große Teile Kölns. Ein Kino ist schließlich nie ohne sein soziokulturelles Umfeld zu denken, scheint es mir. Ganz im Gegenteil: Oft repräsentiert es ein Veedel. Welche Filme werden gezeigt? Zu welchen Zeiten wird vorgeführt? Wie hoch ist der Eintritt? Die Antwort auf diese Fragen gibt oft interessanten Aufschluss über die Besucher eines Kinos.

Beim Streifen durch die Lichtspieltheater Kölns verschlägt es mich des Öfteren auch an den Ebertplatz. Dort habe ich im Metropolis schon so manche vergnügte, schockierte und faszinierte Stunde verbracht. Das Programm ist vielseitig, immer interessant und bricht oft meine Erwartung. Das ist kein Zufall! Bleiben wir bei meiner These, ein sympathisches Kino repräsentiere ein sympathisches Umfeld, so möchte ich für die Revision der öffentlichen Meinung über den Ebertplatz plädieren.

Das Bild zeigt das Metropolis von außen.

Während unser Reporter auf den Einlass im Metropolis wartet, führt er oft interessante Gespräche.

Wenn ich mal wieder viel zu früh am Metropolis angekommen bin, weil doch nicht wie präventiv eingeplant drei U-Bahnen in Folge ausgefallen sind, lege ich mich stets auf die kleine Fläche unter den Bäumen gegenüber vom Brunnen. Nie dauert es länger als zwei oder drei Minuten, bis ich angesprochen werde. Und nicht selten beginnt dann das, was ich gerne die „Erzählkreise am Ebertplatz“ nenne.

„Da müssen Sie aber noch lange lesen, bis Sie das durchhaben.“ Mit diesen Worten begann der erste Erzählkreis, an den ich mich erinnere.

Ein Mann Anfang 60 hat sich neben mich gesetzt, ohne dass ich ihn bemerkt habe, deutet auf „Die Dämonen“ in meiner Hand und lacht. Ich will ihm antworten, aber er lässt mich nicht zu Wort kommen, sondern fügt stattdessen hinzu: „Ich lese ja immer vorm Einschlafen. Dann lese ich ein oder zwei Seiten, und ratze weg. Und am nächsten Morgen habe ich wieder vergessen, was auf den Seiten stand. Dann lese ich sie am Abend nochmal.“ Ich nicke. „Und wie kommen Sie mit dem Lesetempo so voran?“, frage ich ihn. „Ich lese mehrere Monate jeden Abend dieselben Seiten. Dann lege ich das Buch zurück in den Schrank und nehme ein neues.“

Kippen gegen Hausaufgabengutscheine

Ein anderes Mal fragt mich ein zirka zwölfjähriger Junge mit orangefarbenem Haar und vielen Sommersprossen nach „einer Kippe“, während ich am Brunnen gemütlich rauche. „Ich glaube, du bist zu jung, um zu rauchen“, versuche ich den Jungen abzuwimmeln. „Ich will gar nicht rauchen“, erwidert dieser: „Ich will keine Zigarette, nur die Kippe. Ich brauche die für die Schule.“ Ich bin zwar etwas verwirrt, reiche ihm aber meinen Zigarettenstummel. „Wieso brauchst du den denn in der Schule?“, frage ich. „Wir sammeln Kippen. Wer die meisten gesammelt hat, kriegt einen Hausaufgabengutschein“, sagt der Junge. „Und statt die mühsam zu sammeln, gehst du lieber gemütlich direkt zur Quelle?“, frage ich und schau den Jungen tadelnd an. Dieser schämt sich aber nicht für seine Faulheit, sondern betont im Gegenteil scheinbar voller Stolz: „Der Mann da drüben hat extra drei Zigaretten am Stück für mich geraucht.“

Der Ebertplatz ist vielleicht nicht der schönste Fleck in Köln, vermutlich auch nicht der sicherste und sauberste. Aber nur, weil er nicht als Visitenkarte der Stadt taugt, sollte man ihn nicht per se meiden. Das ist zumindest meine Meinung. Interessante Leute und unterhaltsame Gespräche gibt es hier jedenfalls zur Genüge!