NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnet die Kölner Silvesternacht 2015/16 als „Umbruch“ in der Migrationsdebatte und einen „Baustein für die heutige Stimmungslage“.
Kölner Silvesternacht 2015/16Was die Polizei heute anders macht – und wer Henriette Reker 2016 zur Seite stand

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) besucht am Silvesterabend 2023 Einsatzkräfte der Polizei am Kölner Hauptbahnhof.
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Zehn Jahre nach der Kölner Silvesternacht mit massenhaften Straftaten und sexuellen Übergriffen hat Herbert Reul jene Stunden vor dem Kölner Hauptbahnhof rückblickend als „Umbruch“ in der deutschen Migrationsdebatte bezeichnet. „Ab dann war Schluss mit der breiten Willkommenskultur. Ab dem Tag waren Migranten die Bedrohung“, sagt der NRW-Innenminister im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und bezeichnet diese Entwicklung als „dramatisch“.
Durch die Kölner Silvesternacht habe das Vertrauen in den Staat und seine Funktionsfähigkeit „einen richtigen Knacks bekommen.“ Für die rechten, extremistischen Kräfte sei dies ein Auftrieb gewesen, sagt Reul, „weil die Ereignisse die Legende von den ´bösen´ Ausländern befördert haben – wahrscheinlich einer der Bausteine für die heutige Stimmungslage“.
Olaf Scholz stand Henriette Reker nach der Kölner Silvesternacht zur Seite
Der CDU-Politiker hält es hingegen für „unwahrscheinlich“, dass sich Zustände wie an Silvester 2015/2016 in Köln heute noch einmal wiederholen könnten. Die Polizei habe aus den Ereignissen gelernt. „Ob Silvester, Halloween oder Karneval: Wir lassen solche Veranstaltungen nicht einfach auf uns zukommen, sondern nehmen die ernst. Da ist die Polizei in ganz NRW alarmiert.“ Auch dem Thema sexuelle Belästigung werde heute eine ganz andere Bedeutung zugemessen als vor zehn Jahren.
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Reuls zentrale Lehre aus der Silvesternacht in einem Satz lautet: „Wir müssen die Probleme ernst nehmen und vor allem ehrlich und transparent kommunizieren.“ Er selbst verfolge die klare Linie, Informationen möglichst schnell transparent zu machen und auch Probleme und Fehler zuzugeben. „Natürlich gibt es auch Vorgänge, die man nicht sofort kommunizieren kann, weil man erst einmal ermitteln muss und diese Ermittlungen eventuell gefährden könnte“, ergänzt Reul. „Aber nur aus lauter Furcht Dinge zu verheimlichen, weil man vielleicht bei irgendeinem Fehler ertappt werden könnte, das rächt sich nachher bitterlich. Denn es ist unehrlich und schwächt das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden.“
Kölns ehemalige Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die beim Jahreswechsel 2015/2016 erst wenige Wochen im Amt war, verrät im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ außerdem erstmals öffentlich, wer ihr in den ersten Tagen nach der Silvesternacht mit wertvollen Tipps zur Seite stand: Olaf Scholz, seinerzeit Erster Bürgermeister von Hamburg.

Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz im Juni 2023 mit Kölns damaliger Oberbürgermeisterin Henriette Reker beim Kulturfestival Phil Cologne in der Flora.
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„Und dann rief mich plötzlich Olaf Scholz an“, erinnert sich Reker. Beide hatte nie zuvor miteinander gesprochen. „Er fragte, wie es mir mit der Situation geht. Er wisse, anders als er in Hamburg sei ich in Köln ja nicht für die Polizei zuständig.“ Er habe ihr angeboten, sie zu beraten, was sie nun von der Polizei in Köln erwarten dürfe. „Das habe ich dankbar angenommen. In einer Zeit, in der der Polizeipräsident kaum mit mir sprach und in der ich weder den Innenminister noch die Ministerpräsidentin erreichen konnte, hat mir Olaf Scholz sehr geholfen.“
Reker bezeichnet es heute zudem als Fehler, dass sie Frauen damals geraten habe, eine Armlänge Abstand zu halten. Sie hatte diesen Hinweis auf einer Pressekonferenz aus einer Broschüre über Partysicherheit für junge Frauen zitiert. „Das war natürlich unpassend. Die Frauen in der Silvesternacht konnten keine Armlänge Abstand halten. Aber offen gestanden: Der Shitstorm, den ich daraufhin erlebt habe, hat mich weitaus weniger berührt als das Schicksal dieser Frauen.“
