Entscheidungen mit unterschiedlichen Mehrheiten herbeizuführen, würde auch eine Rückkehr zum Ursprung eines Stadtrats bedeuten.
Modell für KommunalpolitikWechselnde Mehrheiten im Kölner Stadtrat könnten Stillstand aufheben

Wechselnde Mehrheiten im Kölner Stadtrat würden Chancen bieten.
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Einen Stadtrat ganz ohne Bündnisse – das wird es in Köln auch in Zukunft nicht geben. Denn für die Aufstellung des städtischen Haushalts und für die Besetzung der Spitzenposten im Stadtvorstand braucht es zwangsläufig feste Absprachen. In diesem Punkt sind sich anders als sonst üblich auch die Ratsfraktionen einig.
In sämtlichen Bereichen muss die Stadt Köln Geld sparen
Das liegt zum einen daran, dass es beim Kölner Haushalt um sehr viel Geld geht: Die Höhe der Ausgaben lag zuletzt bei rund sechs Milliarden Euro. Und zum anderen ist die finanzielle Situation derzeit äußerst angespannt. Es wird in sämtlichen Bereichen darum gehen, wo die Stadt Geld einsparen muss und in welchen Bereichen die Kölnerinnen und Kölner höhere Abgaben zahlen müssen. Da ist es unerlässlich, sich auf Entscheidungen klar festzulegen, um chaotische Zustände zu verhindern.
Da alle neun Dezernentenposten bis zum Jahr 2030 erneut vergeben werden müssen, wird es auch in diesem Punkt nicht ohne feste Absprachen gehen. Geklärt werden muss, welche Fraktion bei der Besetzung welches Dezernats wie stark eingebunden sein soll und ob es überhaupt dauerhaft bei neun Dezernaten bleiben muss. Der künftige Oberbürgermeister Torsten Burmester hat bereits angekündigt, sich für eine Reduzierung einsetzen zu wollen.
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Hat ein Bündnis alle diese komplexen Fragen erfolgreich diskutiert und geklärt, wäre in allen weiteren Sachfragen der Weg frei für Entscheidungen mit wechselnden Mehrheiten. Ein Modell, das Burmester dem Vernehmen nach bevorzugen würde.
Und tatsächlich handelt es sich dabei um ein Modell, das dem ursprünglichen Gedanken eines Stadtrats viel mehr entsprechen würde als das Agieren mit festen Bündnissen. Denn oft wird übersehen, dass ein Stadtrat anders als ein Landtag oder der Bundestag kein Parlament ist. Der Stadtrat unterstützt auch keine Regierung, denn die gibt es in einer Kommune nicht. Der Oberbürgermeister wird von den Wählerinnen und Wählern direkt gewählt – anders als ein Ministerpräsident oder ein Bundeskanzler, die das jeweilige Parlament bestimmt. Und auch bei den Dezernenten handelt es sich nicht um „Minister“, die der Oberbürgermeister ernennt, sondern um Wahlbeamte, die der Oberbürgermeister zwar vereidigt, die der Stadtrat aber wählt.
Dass es trotzdem in größeren Städte wie in Köln fast immer ein Mehrheitsbündnis, also eine Art Koalition, gibt, zeigt, dass die Kommunalpolitiker den Stadtrat oft als Parlament-ähnlich auslegen, obwohl das nicht der ursprünglichen Idee entspricht. Denn es handelt sich eigentlich um ein Verwaltungsorgan, das in einer Stadt alles regeln muss und bestimmte Aufgaben an den Oberbürgermeister abgeben kann.
Modell könnte zumindest einen Teil des Stillstands in Köln aufheben
Entscheidungen mit wechselnden Mehrheiten herbeizuführen, würde also auch eine Rückkehr zum Ursprung eines Stadtrats bedeuten, mit allen Vor- und Nachteilen. Einer der großen Vorteile besteht darin, dass die Wahrscheinlichkeit größer wird, dass sich gute Ideen innerhalb des Stadtrats durchsetzen können und nicht nur die Ideen, die innerhalb eines festen Bündnisses entstehen oder von diesem übernommen werden.
Das könnte in Köln dafür sorgen, zumindest einen Teil des Stillstands aufzuheben, der daraus resultiert, dass sich das bisherige Ratsbündnis in bestimmten Punkten nicht einig war und einige für Köln wichtige Entscheidungen deshalb unverhältnismäßig lange hinausgezögert oder erst gar nicht getroffen hat. So lässt sich auch Torsten Burmesters Vorstoß verstehen, der sich das Ziel gesetzt hat, die Stadt wieder voranzubringen.
Disziplin und ernsthafte Verpflichtung sind Voraussetzungen für den Erfolg
Doch damit dieses in der Theorie interessante Modell in der Realität auch funktionieren kann, müssten sich alle entscheidenden Akteure im Stadtrat dazu verpflichten, daran ernsthaft mitzuwirken. Denn nur wenn sich die Demokraten darin einig sind, diesen Weg aktiv zu beschreiten, wird der Ansatz erfolgreich sein können. Und dazu gehört auch, eine Niederlage anzuerkennen, wenn man bei einer Entscheidung einmal nicht der Mehrheit im Stadtrat angehört. Der eine oder andere wird dazu auch sein Ego zurückschrauben müssen.
Ebenso vonnöten ist eine große Disziplin bei allen Beteiligten. Denn die Suche nach immer neuen Mehrheiten für einzelne Projekte dürfte im Kölner Stadtrat extrem aufwendig werden, auch aufgrund der Vielzahl an Fraktionen. Das muss sehr gut organisiert sein und erfordert im Zweifelsfall viel Geduld. Dazu trägt bei, dass die meisten Ratsmitglieder tagsüber ihrem Beruf nachgehen und sich zumeist erst am späten Nachmittag und am Abend mit politischen Inhalten beschäftigen können.
Das Agieren mit wechselnden Mehrheiten bringt also einige Herausforderungen mit sich. Wer das einpreist und sich diesem Ziel wahrhaftig verschreibt, kann damit erfolgreich sein. Ob Köln für dieses Modell reif ist, wird sich zeigen, falls Torsten Burmester seinen Vorstoß im Stadtrat durchsetzen kann.

