Studenten der Kölner Kunsthochschule für Medien bespielen im wöchentlichen Wechsel ein Schaufenster des Auktionshauses Lempertz.
„Urban Stage“ der KHMWarum Studenten am Kölner Neumarkt ausstellen wollen

Betrachterinnen vor der „Urban Stage“-Installation von Gabriel Hahner im Kölner Kunsthaus Lempertz
Copyright: Kunsthaus Lempertz
Kunst wie eine beliebige Ware im Schaufenster zu präsentieren, ist zwar verpönt, gerade für junge, um Sichtbarkeit ringende Künstler aber mitunter eine Überlebensstrategie. Vielleicht braucht es auch den Mut der Verzweiflung, um sich der Konkurrenz der Geschäftsauslagen zu stellen, die selbst im steten Fluss der Großstadt unterzugehen drohen. Am Kölner Neumarkt finden die am „Urban Stage“-Projekt beteiligten Studenten der Kölner Hochschule für Medien immerhin ein passendes Umfeld. Sie gestalten im wöchentlichen Wechsel ein Schaufenster des Auktionshauses Lempertz, gleich neben der Auslage des Taschen-Buchverlags.
Die Idee zur Schaufensterkunst entstand in Mischa Kuballs Klasse zur Kunst im öffentlichen Raum, als überfällige Probe aufs Erlernte. Kuball lehrt seit 2007 an der KHM, wie man die Stadt als künstlerische Bühne nutzt, und muss sich damit an der Kölner Kunsthochschule wie ein einsamer Rufer fühlen. Sonderlich präsent ist die KHM trotz ihres zentralen und von Stadtgeschichte gesäumten Campus' nicht in der Stadt. Der sommerliche „Rundgang“ ist weit davon entfernt, ein gesellschaftliches Ereignis wie das gleichnamige Gegenstück der Düsseldorfer Kunstakademie zu sein, und beim eigenen Schaukasten, dem Glasmoog, fragt sich wohl nicht nur Lempertz-Inhaber Henrik Hanstein, ob er nicht besser KHM-Galerie hieße.
Lempertz gehört seit Jahren zu den engagiertesten Förderern der KHM
Hanstein gehört seit Jahren zu den engagiertesten Förderern der KHM und musste von Kuball nicht lange überredet werden, sein südliches, auf die Cäcilienstraße blickendes Schaufenster freizuräumen. Während der Auktionssaison zeigt Lempertz hier die eigene Ware, zu Preisen, von denen die KHM-Studenten nur träumen können. Die stehen nun Schlange, versichert Kuball, um die Auslage in bester, aber auch von Drogenkonsum und Verelendung geprägter Lage zu bestücken. In dieser Woche geht das Projekt mit einer Installation van Maja Funke in die zweite Hälfte. Es ist der 16. Beitrag von 30 aktuell geplanten; für die Zeit danach soll es bereits eine Warteliste geben.
Alles zum Thema Neumarkt
- Finanzen, Fahrplan, Fahrzeuge Auf den neuen KVB-Chef Marcel Winter warten viele Baustellen
- Verwahrlosung Kölner Stadtrat streitet über Standorte für neue Drogenhilfsangebote
- Überleben am Neumarkt Cracksüchtige und Kleindealer berichten aus einem Alltag am Abgrund
- Aus für Kiosk am Neumarkt Pächter muss nach fast 20 Jahren weichen – Stadt hat neue Pläne
- Kommunalwahl 2025 Wie die Parteien in Köln für mehr Sicherheit sorgen wollen
- Vor Kommunalwahl 3000 FC-Fans demonstrieren für Ausbau des Geißbockheims
- Pläne der Stadt Kiosk auf dem Neumarkt in Köln wird Anlaufstelle für Sicherheitskräfte
Den Anfang machte Chaya Shen, die Ultraschall-Bilder, die bei einer gynäkologischen Untersuchung entstandenen waren, in eine Serie aus Zinkabgüssen übersetzte und das allenfalls zu erahnende ungeborene Leben auf diese Weise in die physische Welt holte. Ayham Khalifeh zeigte dokumentarische Fotografien aus einer syrischen Kleinstadt in der revolutionären „Übergangszeit“, während Saioa Fischer Abaigar die Röntgenbild-Ästhetik in Kohlezeichnungen von Möbeln aufgriff und mit ihnen das Fenster in ein handgemachtes Geisterreich öffnete. Am spektakulärsten war die „Familienaufstellung“ von Gabriel Hahner: lebensgroße, mit Wollfäden umwickelte Puppen, die wie Marionetten an schlaffen Fäden hingen.
Nichts sei unsichtbarer als Kunst im öffentlichen Raum, spottete der verstorbene Kasper König, als er noch Leiter der Skulptur Projekte Münster war. Auch am KHM-Schaufenster dürften die meisten Passanten achtlos vorübergehen und eher am bunten Treiben auf der Taschen-Bühne hängen bleiben. Aber einige Lempertz-Kunden seien bereits wegen der ungewöhnlichen jungen Kunst bei ihm vorstellig geworden, so Hanstein, und manches sei sogar direkt aus der Auslage verkauft worden.
Auch deswegen könnte man gegen das Projekt einwenden, dass ein Schaufenster etwas anderes als eine Bühne und die „Interaktion“ mit dem Stadtleben entsprechend eine andere sei. Hinter Glas hat die Kunst etwas Museales an sich, anders etwa als der Balzac, der sich vor dem Lempertz-Eingang mannhaft ins Getümmel wirft. Allerdings hat kaum ein Kunstwerk ein derart dickes Fell wie dieser Abguss nach Rodin.
Für die KHM und ihre Studenten ist das ausgewilderte „Urban Stage“-Projekt jedenfalls ein wichtiges Signal, allein schon, weil sich die Kunst aus dem Seminar- und in den Kölner Stadtraum bewegt. Auf dieser Bühne geht jede Woche einmal der Vorhang auf – über einer Idee, einer Vision und vielleicht sogar einer Karriere.
„Urban Stage“, Kunsthaus Lempertz, Neumarkt 3, Köln. urbanstage.cargo.site