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Kommunalwahl in NRWCDU beklagt, dass Merz als neuer Kanzler nicht für Rückenwind sorgt

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Beim Antrittsbesuches von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Nordrhein-Westfalen hört NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) den Worten des Sauerländers zu.

Beim Antrittsbesuches von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Nordrhein-Westfalen hört NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) den Worten des Sauerländers zu.  

Die demokratischen Parteien blicken mit gemischten Gefühlen auf die Kommunalwahl in NRW. Sie befürchten, dass die AfD einen starken Zuwachs erzielen könnte. Wie ist die Ausgangsposition von CDU, SPD, Grünen und Liberalen? Ein Stimmungsbericht.

Die Wahlparty der NRW-CDU findet diesmal im Saal der Gemeinde Sankt Lambertus in der Düsseldorfer Altstadt statt. Dort wird NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst nach 18 Uhr sein erstes Statement zum Ausgang der Kommunalwahlen in NRW abgeben.  Vor fünf Jahren hatte die CDU landesweit 34,3 Prozent erzielt. „Damals hatten wir guten Rückenwind aus Berlin“, erinnert sich ein Wüst-Vertrauter. Der bleibe wohl diesmal aus. „Vom Merz-Effekt hatten wir uns eigentlich deutlich mehr erwartet“, sagt der Strippenzieher.

Der holprige Start der neuen Bundesregierung ärgert viele Wahlkämpfer an den Ständen der CDU in NRW. Es hätte doch so viel besser laufen können. Die CDU in NRW wirkt so geschlossen wie nie. Frontmann Wüst ist noch keine Misserfolge gewöhnt. Das könnte sich möglicherweise ändern. Dass der schwarze Balken am Wahlabend nach oben geht, halten nur wenige Christdemokraten für wahrscheinlich. Wüst hatte selbst bei öffentlichen Auftritten eingeräumt, er hätte sich gewünscht, dass CDU und SPD geräuschloser gestartet wären. Es sei nicht der ideale Anfang gewesen, mit dem konfliktträchtigen Thema Bürgergeld zu starten. Merz hatte im Mai angekündigt, schon im Sommer würden die Menschen eine Veränderung zum Besseren spüren. Wirklich gelungen ist das bislang nicht.

CDU will Siege in Essen und Düsseldorf

Aktuell liegen die Umfragewerte für die CDU im Bund bei 25 bis 27 Prozent. „Jeder Prozentpunkt mehr ist deshalb ein Verdienst unserer Wahlkämpfer vor Ort und der Stimmung hier in Nordrhein-Westfalen“, sagte Paul Ziemiak, Generalsekretär der NRW-CDU, unserer Zeitung. Dies sei ja ausweislich aller Umfragen für den Ministerpräsidenten und das Landeskabinett „sehr, sehr gut“. „Wir heben als CDU NRW den CDU-Bundestrend“, betont Ziemiak. Mittlerweile schneide NRW überdurchschnittlich gut ab.  Das sei 2020 noch anders gewesen.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

In der NRW-CDU hofft man, dass die CDU-Oberbürgermeister von Düsseldorf (Stephan Keller) und Essen (Thomas Kufen) die Wahl möglicherweise schon im ersten Wahlgang für sich entscheiden. Im Kreis Euskirchen soll dem SPD-Politiker Markus Ramers das Landratsamt wieder entrissen werden. Die CDU-Kandidatin Sabine Preiser-Marian erhielt im Wahlkampf prominente Unterstützung. Nicht nur Hendrik Wüst rückte an, sondern sogar Michael Kretschmer. Sachsens Ministerpräsident lenkte die Kameras auf die Hoffnungsträgerin, als er mit ihr über das Thema Hochwasserschutz diskutierte.

Wenn es gut laufe, so hofft man in der NRW-CDU, dann könne man im zweiten Wahlgang den Grünen möglicherweise die Rathäuser in Aachen und Bonn abjagen. Beim Landesparteitag war der CDU-Kandidat in der Bundesstadt, Guido Déus, von Bundeskanzler Merz mit einem gemeinsamen Fotoshooting geadelt worden. Déus könnte davon profitieren, dass viele Bonner die Dauerstaus in der Stadt satthaben, für die laut CDU die Grüne Oberbürgermeisterin Katja Dörner verantwortlich zeichnet.

SPD hofft auf Renaissance in Köln

Auch der SPD dürfte es schwerfallen, an das landesweite Ergebnis von 2020 von 24,3 Prozent anzuknüpfen. Wie bei der CDU setzt man darauf, dass alle Amtsinhaber ihre OB-Posten behalten können. Mit besonderer Spannung blickt die Landespartei nach Köln. „Die Wahl dort könnte zu einem Game-Changer werden“, heißt es. Denn Köln sei bei Wahlen der Zeit oft voraus. So wie mit dem Sieg von Henriette Reker im Jahr 2015 die Weichen für Schwarz-Grün gestellt worden seien, könne ein Erfolg von Torsten Burmeister die Renaissance der Sozialdemokratie einläuten, frohlocken manche.

Der Wiedergeburt der SPD steht einstweilen vielerorts der Erfolg der AfD im Weg. Die Angst davor, dass der blaue Balken stark noch oben geht, ist groß. Schließlich stand die AfD 2020 nur bei 5,1 Prozent. Jetzt könnte es passieren, dass Kandidaten der Partei in die Stichwahl einziehen und möglicherweise in ihren Hochburgen im Ruhrgebiet Bezirksbürgermeister stellen.

Jochen Ott, Fraktionschef der SPD im Düsseldorfer Landtag, ist der Meinung, dass Bündnisse gegen rechts alleine nicht ausreichen, um den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.  „Man muss den Menschen viel klarer machen, was es bedeutet, wenn sie AfD wählen“, sagte der Politiker aus Köln dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Dann gibt es keinen Mindestlohn, keine Tariflöhne, keine kommunalen Wohnungsbaugesellschaften – also weniger bezahlbaren Wohnraum“, so Ott. Auch in der Familienpolitik wähle man mit der AfD „nur den Rollback“. Die Ganztagsbetreuung der AfD sei ganz einfach: „Mama macht zu Hause das Mittagessen. Dessen müssen sich alle bewusst sein.“

Grüne wollen „das Ding gewinnen“

Wie CDU und SPD blicken auch die Grünen mit gemischten Gefühlen auf den Kommunalwahltermin. Mit Wehmut erinnert man sich daran, dass die Grünen vor der Kommunalwahl im Jahr 2020 auf einer Welle der Sympathie surften. „Das war wohl die beste Zeit von Robert Habeck und Annalena Baerbock“, sagt ein Regierungsgrüner. Jetzt würde der Partei der Dauerstreit in der Ampel und das vorzeitige Regierungs-Aus nachgetragen. Der Neustart in Berlin habe noch keine Schubkraft entwickelt. Eine Niederlage in Bonn würde am Selbstbewusstsein der Partei nagen. Für Berivan Aymaz, der Grünen OB-Kandidatin in Köln, ist der Einzug in die Stichwahl aus Sicht maßgeblicher Parteifreunde Pflicht. „Unser Anspruch muss sein, das Ding zu gewinnen“, heißt es in Düsseldorf.

Auch die Liberalen in NRW fürchten, dass die Nachwehen der verlorenen Bundestagswahl sich negativ auf das Wahlergebnis auswirken könnten. Dass FDP-Politiker zum Bürgermeister gewählt werden, ist in NRW eher eine Ausnahmeerscheinung.  Bislang regieren Liberale lediglich in Kaarst, Hallenberg (Sauerland), Steinfurt und Stemwede. In der ostwestfälischen Kleinstadt hält der frühere Landtagsabgeordnete Kai Abruszat die Fahne der FDP hoch. In den großen Städten von NRW haben die Liberalen kaum eine Chance.

Bei der FDP in Düsseldorf hofft man darauf, dass das Tal der Tränen nächstes Jahr durchschritten ist. Dann stehe am 8. März mit der Landtagswahl in Baden-Württemberg eine Abstimmung an, die zur Trendwende werden könne. „Als wir 2013 aus der Bundesregierung geflogen sind, hat es rund 1,5 Jahre gedauert, bis es wieder aufwärts ging“, sagte ein Bezirksvorsitzender unserer Zeitung. Vorerst bleibe der FDP nicht viel anderes übrig, als auf die Zähne zu beißen: „Der Wahltermin kommt für uns zu ein Jahr früh. Wenn Merz seine Schlagzahl beim Brechen von Wahlversprechen beibehält, kann das zur Frischzellenkur für die FDP werden.“