NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wirbt in dem Wüstenstaat für Investitionen – und will die diplomatische Eiszeit beenden.
Wirbel um NationalmannschaftNach „Mund-zu“-Geste will Wüst in Katar Zeichen der Versöhnung setzen

Die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft hatte sich bei ihrem Auftritt bei der Winter-WM in Katar den Mund zugehalten, um ein Zeichen für die Menschenrechte zu setzen.
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Die Flugzeit von Düsseldorf nach Doha beträgt knapp sechs Stunden. Um 15.25 Uhr hob NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Dienstag zu einer viertägigen Reise in die Golfregion ab. Der CDU-Politiker besucht Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Wüst wird von einer Wirtschaftsdelegation begleitet, die Tour hat aber auch eine politische Dimension. Was verspricht sich Wüst von dem Wüsten-Trip? Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat nachgehakt.
Katar steht wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik – was zieht Wüst dorthin?
Die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft hatte sich bei ihrem Auftritt bei der Winter-WM in Katar den Mund zugehalten, um ein Zeichen für Menschenrechte zu setzen. Die Kritik an den Menschenrechtsbedingungen war in Deutschland schon im Vorfeld des Turniers laut und deutlich – in Katar indes blieb davon ein Eindruck mangelnder diplomatischer Sensibilität zurück. Seitdem gelten Beziehungen zwischen Katar und Deutschland als belastet.
Wüst ist der erste hochrangige deutsche Repräsentant, der nach der „Mund-zu“-Geste offiziell nach Katar reist. Er möchte jetzt gezielt ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen aufschlagen. Die Reise sei eine symbolische und diplomatische „Handreichung“ im Namen Deutschlands, heißt es aus Düsseldorfer Regierungskreisen.
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„Der Fokus liegt klar auf einer verlässlichen und respektvollen wirtschaftlichen und politischen Kooperation“, heißt es aus Ministerpräsident Wüsts Staatskanzlei.
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Wüst spricht mit hochrangigen Politikern – werden dabei heikle Themen ausgeklammert?
Katar steht wegen der Verfolgung religiöser Minderheiten, der Unterdrückung von Frauen und Homosexuellen, menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und wegen der Vollstreckung der Todesstrafe international in der Kritik. Wüst will die Lage der Menschenrechte bilateral ansprechen, nicht aber öffentlich. „Der Fokus liegt klar auf einer verlässlichen und respektvollen wirtschaftlichen und politischen Kooperation“, heißt es aus der Staatskanzlei. Der Balanceakt zwischen kritischer Diplomatie und wirtschaftlichem Pragmatismus dürfte die Reise prägen.
Welche Wirtschaftsbeziehungen gibt es zwischen den beiden Golfstaaten und NRW?
Nach Angaben des Statistischen Landesamtes hat Nordrhein-Westfalens Wirtschaft im Jahr 2024 Waren im Wert von 1,1 Milliarden Euro in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert, das waren 41 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Es ging etwa um Rohre und Ventile. Exporte nach Katar spielten hingegen kaum eine Rolle, 2024 waren es den Angaben zufolge nur 11,9 Millionen Euro. Importiert wurde etwa Erdöl.
Die arabischen Staaten sind schon jetzt ein starker Investor in NRW, so hält etwa der katarische Staatsfonds einen Anteil von 9,1 Prozent am Energiekonzern RWE und ist damit größter Einzelaktionär. Der Ölkonzern Adnoc aus Abu Dhabi ist auf dem Weg, den Leverkusener Spezialchemiekonzern Covestro zu übernehmen, dessen Geschäftsfeld früher zu Bayer gehörte. Auf Anfrage teilen die Leverkusener mit, die Reise biete „eine wertvolle Gelegenheit, die Zusammenarbeit mit regionalen Akteuren zu vertiefen und Möglichkeiten für künftige Projekte zu identifizieren“.

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sitzt neben dem Minister für Handel und Industrie von Katar, Scheich Faisal bin Al Thani (r) in Doha.
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Beim Umbau der Industrie soll Wasserstoff künftig eine zentrale Funktion einnehmen, hierbei möchte Katar kräftig mitmischen. Eine Thyssenkrupp-Tochter baut dort eine Produktionsanlage für Ammoniak, das beim Transport und bei der Speicherung von Wasserstoff benötigt wird. Auch der Bonner Logistikkonzern DHL betont die Wachstumsdynamik der VAE und von Katar, das Unternehmen hat dort rund 3000 Mitarbeiter. In Dubai unterhält DHL eins seiner weltweit vier Innovationszentren.
Auch der Dortmunder Pumpenhersteller Wilo hat einen Produktionsstandort in Dubai, dessen Kapazitäten kürzlich verdoppelt wurde. Damit wolle man die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Pumpen und Pumpensystemen im Mittleren Osten und Nordafrika bedienen, sagt ein Firmensprecher.
Was ist von dem Besuch der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zu erwarten?
Auch in Abu Dhabi geht es um KI, Wasserstoff und Investitionen. Die VAE haben kürzlich angekündigt, mehr als 50 Milliarden Euro in französische KI-Infrastruktur zu investieren. Wüst setzt darauf, dass auch NRW Mittel aus den VAE erhält – etwa für den Standort Jülich, wo derzeit mit „JUPITER“ Europas erster Exascale-Supercomputer entsteht, der mehr als eine Trillion Rechenoperationen pro Sekunde ausführen kann.
Wie steht es um die bisherigen Kontakte von NRW zu den Emiraten?
NRW-Unternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten sind unter anderem GEA Food, Henkel, Phoenix Contact, Rhenus Logistics, Rheinmetall International und der TÜV Rheinland. 2024 haben der VAE Staatskonzern Adnoc und das Spezialchemieunternehmen Covestro eine Investitionsvereinbarung für eine Übernahme getroffen. Regierungschef Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum ist häufiger Gast in Düsseldorf. 2017 kam es zu einer kontroversen öffentlichen Debatte, weil al Maktoum im Naturschutzgebiet im Nettetal mit seiner Gefolgschaft gepickt hatte.
Wer begleitet Wüst?
Der Ministerpräsident wird von einer Wirtschaftsdelegation aus NRW begleitet: 15 Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer namhafter Unternehmen sind dabei, darunter die Spitzen von RWE, Uniper, Covestro, DHL, Thyssenkrupp sowie die Leiter der Forschungszentren in Jülich und Aachen. Zusammen repräsentieren sie einen Umsatz von mehr als 215 Milliarden Euro und rund 800.000 Beschäftigte.
Wie kommt die Reise in der Golfregion an?
Dass Ministerpräsidenten im Ausland für ihr Bundesland werben, hat Tradition. Der frühere Ministerpräsident Jürgen Rüttgers war bereits 2009 in die VAE gereist. Katar und die Emirate sind geopolitische Schlüsselländer. Dass Wüst mit seiner Reise etwas gutmachen will, wird in der Region positiv registriert. NRW will ein Partner auf Augenhöhe sein.
Was sagt die Opposition zu der Reise?
Sarah Philipp, Chefin der NRW-SPD, ist skeptisch. In der Industriepolitik bleibe die Landesregierung bislang hinter den Erwartungen zurück. „Dieses Bild setzt sich auch bei den Auslandsreisen fort: Die Trips in die USA und nach Japan erinnerten eher an PR-Shows, da Wüst zwar mit tollen Fotos, aber mit nahezu leeren Händen zurückkam. Wer NRW im Ausland vertritt, muss auch konkrete Ergebnisse für unser Land mitbringen. Daran werden wir den Ministerpräsidenten messen.“ (gmv/hge)