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Signalwirkung für NRWKann sich die SPD an der Seite von Friedrich Merz erholen?

Lesezeit 4 Minuten
Sarah Philipp, Vorsitzende der SPD Nordrhein-Westfalen, gibt ein Statement zum Ausgang der Bundestagswahl ab.

Sarah Philipp, Parteichefin in NRW, erklärt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, wie ihre Partei wieder in den Aufwind kommen soll.

Nach dem Absturz bei der Bundestagswahl soll nun die Trendwende für die SPD eingeleitet werden. Sarah Philipp, Parteichefin in NRW, erklärt, wie das gelingen soll. 

Frau Philipp, die SPD hat bei der Bundestagswahl nur 16,4 Prozent erzielt - und wird jetzt wohl eine Koalition mit der CDU eingehen. Kann sich die SPD als Regierungspartei von der Schlappe erholen?

Der Regierungseintritt wird die Wahlanalyse nicht überdecken. Wir müssen uns ehrlich anschauen, was da passiert ist. Die schlechte Performance der Ampel und die Wahlniederlage hängen eng zusammen. Aber mich schmerzt persönlich, dass sich die Menschen, die arbeiten gehen, von der SPD nicht gut vertreten fühlten. Beim Thema Migration, das vielen Wählern wichtig war, hat man uns nicht zugetraut, die Probleme lösen zu können. Da müssen wir jetzt liefern.

Wäre es für die SPD nicht einfacher, in der Opposition neu zu starten?

Das glaube ich nicht. Wir haben ja nach 2017 in Düsseldorf gesehen, dass der Wechsel von der Regierung in die Opposition nicht automatisch zum Erfolgsmodell wird. Wir müssen jetzt durch eine erfolgreiche Regierungsarbeit in Berlin Vertrauen zurückgewinnen.

„Mich schmerzt persönlich, dass sich die Menschen, die arbeiten gehen, von der SPD nicht gut vertreten fühlten“

Wie groß ist die Gefahr, dass sich der Dauerstreit in der Ampel jetzt in der Koalition mit der CDU fortsetzt?

Das darf nicht passieren. Die Leute sind den Streit satt, der am Ende allen demokratischen Parteien schadet. Mir ist klar, dass es mit Friedrich Merz durchaus auch hakelig werden kann. Aber alle müssen sich jetzt am Riemen reißen und Lösungen liefern.

Wird die Opposition in Düsseldorf zahmer, wenn die SPD im Bund mitregiert?

Sicher nicht. Ich bin aber sehr gespannt darauf, wie Hendrik Wüst auf die neue Situation reagiert. Er muss sich jetzt nach knapp dreieinhalb Jahren im Amt neu erfinden: Bislang hat er ja ständig nach Berlin gezeigt, wenn er von seinem Unvermögen ablenken wollte. Das wird jetzt nicht mehr funktionieren. Fragt man die Landesregierung nach ihrem größten Erfolg, dann heißt es: geräuschloses Regieren. Aber das ist längst kein Zeichen der Stärke mehr. Im Gegenteil. Man hört viel zu wenig aus Düsseldorf. Egal, ob in der Wirtschaft, der Bildung oder im Sozialbereich: NRW verliert im Ländervergleich in vielen Bereichen an Boden – und die Landesregierung schweigt dazu.

Aber Wüsts Umfragewerte sind gut. Woher nehmen Sie Ihre Zuversicht, dass er an Zustimmung verliert?

Weil die Bilanz seiner Regierung schlecht ist. Und das merken die Menschen immer mehr. Wüst konnte sich lange hinter einer guten PR und aufwendig inszenierten Fotos für die sozialen Medien verstecken. Doch die Menschen in NRW haben einen Ministerpräsidenten verdient, der sich um die Probleme im Land kümmert. Und Wüst löst seine Versprechen nicht ein. Beim Kita-Ausbau, der Kita-Beitragsfreiheit und bei der Unterrichtsversorgung lässt er die Familien im Stich, um nur drei Punkte zu nennen. Die Liste des Versagens ist lang.

„NRW verliert im Ländervergleich in vielen Bereichen an Boden – und die Landesregierung schweigt dazu“

Die frühere NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft startete glanzvoll ins Amt, aber kurz vor der Landtagwahl verlor sie im Sturzflug an Popularität. Wie wahrscheinlich ist es, dass es Wüst ähnlich geht?

Das werden wir sehen. Ich möchte Hannelore Kraft und Hendrik Wüst nicht vergleichen. Hannelore hat sich bei den Koalitionsverhandlungen 2013 bis zur letzten Sekunde in Berlin aufgehalten und ihr Gewicht für NRW in die Waagschale gelegt. Wüst hingegen hat bei der aktuellen Regierungsbildung keine Rolle gespielt, war in keiner einzigen Arbeitsgruppe. Der Koalitionsvertrag wurde am Ministerpräsidenten des größten Bundeslandes vorbei verhandelt, während die Regierungs-Chefs von Sachsen, Bayern, dem Saarland und Mecklenburg-Vorpommern mit in der 19er-Gruppe saßen. Wüst verzwergt den bundespolitischen Einfluss NRWs.

Auch in NRW sind die Jusos gegen den Koalitionsvertrag - was halten Sie davon?

Ich respektiere, dass die Jusos einen eigenen Blick auf den Koalitionsvertrag haben. Dass es Nachverhandlungen geben wird, halte ich für nicht realistisch.

Also gibt es auch mit der SPD keine Reform bei der Einkommensteuer?

In den Koalitionsverhandlungen merken wir deutlich, dass es gerade für die Union ein rotes Tuch ist, hier grundlegend etwas zu verändern. Das gilt auch für die steuerliche Entlastung berufstätiger Familien. Wenn wir die breite Mitte wirklich entlasten wollen, müssen wir einige wenige am oberen Ende der Einkommensskala stärker in die Verantwortung nehmen. Auch das ist ein Punkt, bei dem die Union bisher blockiert. Aber wir lassen nicht locker. Eine Reform der Einkommenssteuer bleibt auf unserer Agenda. Und ich hoffe sehr, dass wir mit der Union dabei noch zu Fortschritten kommen.

Ihr Co-Vorsitzender Achim Post und Sie stellen sich beim Landesparteitag am 10. Mai zur Wiederwahl. Können Sie mit dem, was Sie erreicht haben, zufrieden sein?

Es gab in den letzten zwei Jahren Rückschläge, wie beispielsweise die Bundestagswahl. Wir haben aber als Parteiführung in NRW eine Menge angestoßen, organisatorisch und inhaltlich, was die Grundlage für künftigen Erfolg ist. Wir haben dabei den Alltag der Menschen klar im Blick. Die Menschen merken doch, dass der Staat nicht mehr überall gut funktioniert. Wie zuverlässig ist die Kinderbetreuung? Kommt der Bus pünktlich? Kann ich davon ausgehen, dass der Unterricht für mein Kind wirklich stattfindet? Der Weg, den wir seit 2023 gehen, ist eine gute Voraussetzung für die Kommunalwahl im Herbst. Ich bin zuversichtlich, dass da der rote Balken wieder nach oben gehen wird.

Achim Post sollte als Vorsitzender die Brücke nach Berlin bilden, aber jetzt ist er nicht mehr im Bundestag. Macht seine Kandidatur noch Sinn?

Absolut. Achim ist stellvertretender Bundesvorsitzender – und bleibt auch ohne Bundestagsmandat stark verdrahtet.

Achim Post (SPD) steigt aus seinem Dienstwagen.

Sarah Philipp über ihren Co-Vorsitzenden Achim Post: „Achim bleibt auch ohne Bundestagsmandat stark verdrahtet.“

Die Kölner SPD ist von alter Stärke weit entfernt. Wie wichtig ist ein Sieg bei der OB-Wahl?

Köln ist die größte Stadt in NRW und die SPD hat mit Torsten Burmester einen wirklich starken Oberbürgermeister-Kandidaten. Von einem Wahlsieg der SPD würde Signalwirkung ausgehen. CDU und Grüne haben die Stadt heruntergewirtschaftet und der Alltag wird für immer mehr Menschen, gerade für Familien, zu einem Hürdenlauf. Schwarz-Grün hilft den Menschen nicht weiter. Das zeigt sich ganz deutlich auch am Beispiel von Köln.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird als Ministerin im Kabinett Merz gehandelt. Könnte sie als Bundesministerin auch Spitzenkandidatin der NRW-SPD bei der Landtagswahl 2027 werden?

Diese Entscheidung steht jetzt nicht an. Ich bin froh, dass Bärbel Bas auch künftig eine wichtige Rolle spielt. Sie hat als Bundestagspräsidentin einen herausragend guten Job gemacht, und ich bin mir sicher, dass das auch in jeder neuen Rolle so sein wird.